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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 3
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Hesse, Hermann: Aus der Werkstatt
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Fontana, Oskar Maurus: Karl Gustav Vollmöller
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0112

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AuL dcr Wcrkstatt.

„Schlag doch zu, wenn du Courage hast!" sagte
der Melster. Doch klang es nicht ganz echt, und als
jetzt Hanö Miene machte, zuzuhauen, wich der Be-
drängte vor ihm zurück, Schritt um Schritt, und HanS
immer hinter ihm her, mit dem riesigen Schmiede-
hammer zielend. Der Meister war totenblaß und keuchte
laut. Hanö trieb ihn so langsam weiter bis in die
Ecke, da stand er an die Wand gedrängt, neben seiner
Maschine, von der das Tuch geglitten war.

HanS sah schauerlich aus, die Spur des Faust-
schlags neben seinem Auge stand in dem weißen ver-
zerrten Gesicht wie ein wüster Fleck.

„Feigling! Feiger Hund!" schrie er höhnisch, und
der Meister antwortete nichts.

Da lüpfte Hans Bastel den Hammer noch ein
wenig, biß die Zähne zusammen und hieb. — Wir
schlossen die Augen. Dann hörten wir den Gesellen
lachen, laut und böse lachen. Sein Schlag hatte ge-
dröhnt, als müffe daö Haus einsallen, und nun schwang
er den Hammer wieder hoch und hieb noch einmal.
Aber beide Schläge galten nicht dem Meister, statt
dessen war seine Maschine scheußlich zertrümmert und
lag in geborstenen und verbogenen und plattgeschlagenen
Stücken da. Jetzt wars der Hans den Hammer weg
und ging ganz langsam in die Mitte der Werkstatt
zurück; dort setzte er sich ruhig mit verschränkten Armen
auf den Amboß, doch zitterte er noch in den Knieen
und Händen.

Der Meister kam, ebenso langsam, ihm nach und
stellte sich vor ihm auf. Es schien, als seien beide
vollständig erschöpft und ihre Wut gebrochen. Der
Hanö baumelte sogar mit den Beinen, und so saß der
eine und stand der andere, sie sahen sich nicht einmal
mehr einander an, und der Meister fuhr sich mit der
Hand über die Stirne.

Dann nahm er sich plötzlich zusammen und sagte
sehr leise und ernst: „Steh jetzt aus, Hans, und geh,
„nicht wahr?" - „Ia, ja freili'ch," sagte der Geselle. Und
dann noch: „Also adieu denn!"

„Adieu, Hanö."

Nun ging er hinaus mit dem verschwollenen Auge,
und die Hände noch schwarz von der Schraubstock-
schmiere; und wir sahen ihn m'cht wieder.

Jch hielt den Augenblick für günstig, ging zum
Meister hin und sagte ihm, ich hätte einen Gewinde-
bohrer zerbrochen, einen von den feinen. Angstlich
erwartete ich das verdiente Strafgericht. Er fragte:
„Welche Nummer?"

„Drei dreiviertel," flüsterte ich.

„Bestell einen neuen," sagte er, und weiter kein Wort.

arl Gustav Vollmöller.

i.

Nachdem es einige Zeit um Vollmöller sehr laut
gewesen war, hat man sich jetzt angewöhnt, ihn einen
Eklektiker, einen Epigonen zu nennen. Aber man über-
sieht eins. Der Eklektiker, der Nachfahre, wird die sremde
Form mit fremdem Jnhalt restlos ersüllen lernen,
aber eine Entwicklung, ein Ringen zur Höhe bleibt ihm

fremd. Ein Eklektiker ist ein Iufriedener, er wird
morgen der sein, der er gestern war. Er altert nicht.
Man wird das nie und nimmer von Vollmöller
behaupten können. Er ist nie still gestanden, er ist
immer rastlos emporgeschritten, er hat sich mit jedcm
neuen Werke entwickelt. Dies alles ist durchaus nicht
eklektisch und epigonenhaft, im Gegenteil offenbart es
einen sich selber treuen Geist, dem das Errungene noch
nie genügt hat.

Ällerckings gibt es Stellen bei Vollmöller in seinem
Drama und in seiner Lyrik, dic an Hofmannsthal,
Verlaine, d'Annunzio, Dehmel und andere erinnern.
Aber man sehe nur genauer hin, und man wird finden,
daß solche eklektische Züge von Werk zu Werk bleicher
werden und schließlich nur mehr fernher scheinen. In
seiner srühesten Dichtung „Parzivaft glänzen sie am
stärksten, in seiner letzten Dichtung „Der deutsche Graf"
sast gar nicht mehr. Überhaupt scheint mir dieser Schluß
eine gefährliche Verallgemeinerung. Sonst würde man
nicht jeden Jugendüberschwang, jede Jugendschwankung
mit Recht eklektisch nennen dürsen, zumal bei einem
jungen Lyriker. Der Mann erst lernt ordnen, sichten,
in sich ausnehmen, und dennoch nicht verschlungen
werden, die Läuse und Ströme nach seiner Welt zu
lenken. Es ist Goethe und Jbsen gerade so gegangen,
um nur zwei zu nennen. Für mich ist Vollmöller der
Jüngling, der langsam zum Manne reift. Jst nicht
alles jünglinghaft bei ihm, dieseö rätselhafte, ergriffene
Anftaunen der Dinge und ihr jubelndes Erraffen und
dann wieder diese bebende Schwermut?

„Nun soll ich ein Leben beginnen
und weiß nicht wie."

Wenn selbst Parzival eine präraffaelitt'sche Geftalt
wird, so ist dieses tief im Wesen der Zeit verknotet,
aber auch in der Natur des Iünglings Vollmöller.
Denn so irr und zage, ergriffen und schlafwandlerisch,
in ein rätselhastcs Spiel rätselhaster Dinge verflochten,
reitet der Jüngling durch alle die Wälder und Städte.
Er ist sich dieses wirren Spiels bewußt, aber er reitet
dahin, denn er weiß, er wird zum Manne reisen.

Doch seiner blauen Sterne steter Glanz
blieb unverrückt am Rand der Fernen hangen
mit einem innern Leuchten wie der Blinden,
und ganz im Anschaun letzten ZielL befangen. —

Und Kinder, die ihm singend nachgegangen,
sahn ihn zuletzt im Zauberwald verschwinden.

Vollmöller kam aus dem Kreise der Blätter sür
Kunst, aber er steht sehr serne dieser lebensfremden
reflektierenden Art. Er verschenkt sich an das Leben, er
will eö ganz und gar saffen, und so groß ist seine
Sehnsucht nach urmächtigen Taten, daß er in die Ver-
gangenheit flüchtet, wo ja doch das Sein viel mächtiger
und ausgespannter war, daß er diese Vergangenheit zu
beleben sucht. Darum hat er die Orestie und die
Antigone übertragen, nicht weil ihn die alten Wehr-
gehänge und goldenen Panzer griechischer Heroen reizten.

Darum hat ihn dann auch die Lyrik nicht halten
können, denn zu viel Leben lebte in ihm. Es drängte
ihn zum Drama, wo das Sein selbst atmend, mit
verschlungenen Händen, in blutinnerster Geftalt erscheint,
ohne mit Worten behängt und verziert zu sein. Man

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