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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 3
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Wiegand, Carl Friedrich: Der tote Prinz
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Sticker, Georg: Naturgenäße Lebensweise
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Naumann, Friedrich: Wir Deutsche
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0120

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er tote Prinz.

(Ein Trauermarsch.)

Jn einer feinen gläsernen Truh
üeg ich in blonden Haaren.

Lächelnd komm i'ch zur letzten Ruh
mit sechs Rappen gefahren.

Ehern schwere Grabmusik
dröhnt durch alle Herzen,

Tränen sind in jedem Blick,

Taps, mein Goldfuchs, äugt zurück,
wie in tausend Schmerzen.

Glocken dröhnen: „Komm, o komm!

Turi. . . tiru. . . tromnitromm . . .
Trommtromm!"

Wie von seligen Englein belauscht,
frei von aller Beschwerde,
träum ich, wie ich cinst getauscht
meine Gestalt auf der Erde,
frei zu sein von Last und Leid,
fremd die Welt zu durchmessen,
um im lustigen Narrenkleid,
an dem Herzen der Heiterkeit
eine Nacht zu vergessen . . .

Flöten lockten: „Komm, o komm!

Türü . . . türü. . . trommtromm . . .
Trommtromm!"

Flitter und Zauber — für Gold und Glanz
gäb ich mit reinem Gewissen,
einen einzigen seligen Tanz
mich unter Menschen zu wissen.

Jn mein Herz sank mir ein Schein
überirdischer Sonnen!

Bitteres Spiel und süße Pein,

Tränen sind in meinen Wein
mir so oft geronnen.

Schmerzen riefen: „Komm, o komm!

Tiri. . . tiri. . . trommtromm . . .
Trommtromm!"

Warum wclkt mein Rosenstrauß,
liegt mein Glas in Scherben?

Glück winkt euch aus jedem Haus,
ich nur mußte sterben . . .

Leis verhallt mir Spiel und Tanz
nun wie goldne Harfen. . .

Hinterm Sarg der Mummenschanz
gräbt die Scheingruft dem Popanz,
allen Masken und Larven!

Weltenfern tönts: „Komm, o komm!

Turu . .. turu . . . trommtromm . ..
Trommtromm!" Carl Friedrich Wiegand.

aturgemäße Lebensweise.

Kennen Sie die Geschichte des Schweizers, die
Balzac in dem Roman „Die Eselshaut" er-
zählt? Der Mann litt an der Schwindsucht. Er wollte
gesund werden. Er hat sich in der Tat dadurch ge-
heilt, daß er zehn Jahre lang nicht ein einziges Wort
sprach, sich zwang, in der dicken Luft eines Kuhstalles
nur sechSmal in der Minute zu atmen und von einer
äußerst einfachen Kost lebte. Jch weiß nicht, wie lange
er nach seiner Genesung noch gelebt hat. Ich weiß nur,
daß heutzutage viele Lungensüchtige, die nicht für das
Stalleben geboren sind, jenem Stallhüter, der Beruf
und Genesung verbinden konnte, einseitig nachahmen
und sich jahrelang einsperren lassen, um auf ein neues
Leben mit einer ganzen Lunge zu warten, anstatt
während der ihnen vergönnten Lebenszeit mit einer
halben Lunge zu wirken.

Wenn ich diese unermüdlichen und in hundertfacher
Enttäuschung so bcharrlichen Gesundheitssucher sehe,
dann kommt mir immer die Frage in den Sinn: Ob
wohl unser Schiller, wenn er heute noch lebte, seiner
Muse Urlaub geben und den Verkehr mit Goethe und
Weimar abbrechen würde, um jahrelang in eine Heil-
anstalt zur Pslege seiner kranken Brust zu gehen?

Georg Sticker.

ir Deutsche.

Von Friedrich Naumann.*

Wir Deutsche können garnicht mit billiger Massen-
arbeit auf dic Dauer cine führende Rolle in der Volks-
wirtschaft haben, denn das können andere leichter wie
wir. Aus zwei Gründen leichter. Einmal, weil vicle
von den anderen Völkern viel mehr Materialien im
eigenen Lande haben wie wir, und zum andcrn, weil
man unter manchem anderen Klima sehr viel billigeren
Schund herstellen kann, als man ihn in Deutschland
herzustellen vermag. Es ist doch ein Jammer, wenn
wir ein Volk haben, an dessen Erziehung wir so viel
gewendet haben, wo wir uns bemühen, aus dem Einzel-
menschen ctwas zu machen und den Leuten soviel bei-
zubringen und ihnen dann zu sagen, ihr macht künftig
nur die schlechtesten Strümpfe für die Brasilianerin, die
kaum die Seeversicherung wert sind.

Diese Art, die Volkswirtschaft zu betrachten, bringt
uns nicht in die Höhe, sondern, was bezahlt wird in
der Welt, ist niemals die bloße tote Arbeit an sich,
denn die bloße tote Arbeit sinkt immer wieder auf den
denkbar niedrigsten Preis, weil der niedrigste Mensch
sie auch machen kann. Für die bloße tote Arbeit gilt,
was Lasalle seinerzeit das „eherne Lohngesetz" genannt
hat, jenes Gesetz, daß der Bedürfnislosere den beiseite
drückt, der höhere Bedürfnisse hat. Für die Arbeit mit
dem Geist gilt daS aber nicht. Der andere kann sie
nicht machen, denn er kann den Menschen nicht nach-
ahmen, der den notwendigen Geist dazu hat, und wenn

* Au§ dem Derhandlungs - Protokoll des Werkbundes.
(München l-08.)

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