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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 5
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Carolus: Meine Vasen
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Besprechungen und Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0198

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Mkinc Dasm.

Es wvllte ja auch garuicht Frübling werdeiH
und meine Vasen sehnten sich nach Blumen.

Da plötzllch, über Nacht - nein, über Morgcn
kam er. Er kam mit einer Sonnenglut,
daß gleich die Welt wie toll ward. Meint ihr wohl,
Schneeglöckchen hätteu Zeit zum Blühn gefunden'?
Nein. Alle überholten sie: die Primeln
und Anemonen; und der Duft der Veilchen
zerschmolz den Schnec auch in dem tiessten Schatten.
Wie war daö schön!

Da hatte ich eine Vase.

Sie war zart, etwas gar zu zart sür Vasen,
und schimmernd wie Opale — nein wie Flügel,
wie Fliegenflügel, wie Libellenflügel.

Jch hatte sie schr gern. Den ersten Strauß
von duftenden, von purpurblauen Veilchen,
den sollte sie bekommen. —

War das ein Lärm, alS ich ins Iimmcr trat,
und noch vom Wandcrn durch den hellen Morgen
cin Staub von Sonne auf den Kleidern lag,

- war das ein Lärm. Nur diese zarte Vase
klang nicht. Still stand sie auf dem runden Tisch
im Schatten und sah kalt aus und so traurig.

Jch füllte sie mit frischem Wasser
und stellte sie in blanke Sonne:

„Für dich die Veilchen, liebe Vase."

Und meine Herzen, das im Kopf und jenes,
daö in dcr Brust schlägt, waren voll Gedichten.

„Für dich die Veilchen, liebe Vase."

Und da — ganz lcise — „kling
kling" klang eö an mein Ohr,
und noch einmal
„kling -"

Wie sreut sich meine Vase, denke ich,
wie sreut sie sich, die liebe Vase.

Da seh ich, wie ein Tropsen aus den Tisch,
und noch ein Tropsen fällt. Sie weint vor Freudc,
hat sie sich doch den ganzen Winter lang
so sehr nach Blumen, ach so sehr gesehnt.

Nun ist die Sehnsucht gar so rasch erfüllt
und gar so schön.

Auf einmal — knack — waS ist?
kling — klirr — da lag das Glas zerbrochen da
und wars die süßen Veilchen auf den Tisch,
und ach, ein Strom von Wasser brach hervor
wie ungezählte Tränen. —

Die Vase war zu zart. Solch zarte Vasen
gehören in die Länder ewigen Frühlingö
und ewiger Blüten. Denn solch zarte Vasen
vcrmögen nicht das Winterleid zu tragen,
weil sie die Blumen nicht entbehren können,
sür die sie sind. — Die beiße Selmsucht barst sie,
gerade als ihr die Erfüllung ward.

Wie sehnen meine Vasen sich nach Blumen,
denn es ist Frühling! — Carolus.

Besprechungen und Notizen.

Tor

heißt cin schönes Ronianbuch von Bernhard Kellermann, da§
jüngst im Derlag von S. Fischer erschien und den Dichter von
„Jngeborg" ebenso crfahren in dcn humanen Menschendingcn als
dort in der Liebe zeigt. Wir brachtcn in der Märznummer
ein Stück daraus, wie der Pfarrvikar Grau — der ist der Tor —
bei den Leuten der Stadt um Gaben für die Mutter einer Selbst-
mörderin bittet. So ist das ganzc Buch, so bestrickend in seiner
Mcnschlichkeit, so kraus im Vortrag und so nachwirkend mit
allerlei Dingen, die zu crzählen der Dichtcr fast vergaß, wcil
soviel anderes zu berichten war. Jn ,,Jngeborg" war der Held
ein Tor der Liebe und hier ist er ciner der Humanität; man
weiß nicht, wem man mehr Zuneigung schenkcn soll. Beide
haben sie nötig; denn beide sind ein bißchen schwächlich, wenn
es die Selbstbehauptung gilt, und beide sind Riesen, sich wegzu-
wcrfen für schone Gedanken und Schicksalc anderer. Fast sind
cs zuviel Menschen, die dem liebereichen Pfarrvikar begegnen, und
nian müht sich nachhcr redlich ab, sich aller zu erinncrn. Aber
dieses Vielerlei bringt wohl der gcistliche Bcruf mit sich, der
immcrzu mit gvttlichem Licht in dunkle Winkel leuchtcn soll, und
ein paar von dcn Menschen llberleben doch in unserer Crinnerung
seinen frühen Tod. Solange er aber lcbt mit seiner edlen
Schwärmerei, sind wir mit eincr irmigen Freude um seinc Stun-
den, die uns noch lange in stillcr und auch wohl tiefer Dank-
barkeit an das Buch und seinen Dichter denken läßt. S.

^A^toaßburg

: -rv.e,.., ..

und das Elsaß^

Diesen achteu Band der von Leo Greiner heraus-
gcgebcnen Sammlung „Städte und Landschaften", die im Vcrlag
von Carl Krabbe in Stuttgart erscheint, hier auzuzeigeu, gibt der
diesjährige Berbandstag des Verbandes der Kunstfrcundc in den
Ländern am Nhein willkommenen Anlaß. Denn wohl mancher

Teilnehmer, dem Straßburg und das Clsaß nicht oder wenig
bekannt ist, hat den Wunsch, einiges über Land und Leute dort
zu erfahrcn, das er im Bacdekcr oder Meyer vergebens suchen
würde. Otto Flakes Buch ist eine hübsche und verständigc
Plauderci, die ohne Anspruch auf große Aussührlichkeit doch dem
Fremden so viel sagt, daß er vertrauter das Land bctrcten wird,
und mehr sagt, als daß man nicht den Wunsch empfände, einiges
von den Schönheiten und CigentUmlichkeiteu dieses jungen Stücks
Deutschland, in dem sichtbar und unsichtbar noch so viel Welsches
liegt, aus cigenem Crlcben in die Erinnciung aufzunehmen.

Es gibt — trotz allem — nicht viele Bllcher dieser Art und
wenige, die zum Lesen verlocken. Und doch wird mancher, der
in fremde Gegenden reist, auf lange Bahnfahrt lieber eine Lektüre
mitnehmen, die wie der O-Iug den greifbaren Menschen, so das
Empfinden auch dem Fahrtzicl näher bringt, als jene Bücher der
Bahnhofhändler, die nichts bezwecken, als für einige Stunden die
Denktätigkeit auszuschalten und mit möglichst „leichter" Untcr-
haltung (ein variabel definierbarer Begriff) Geist und Sinne für
kürzere oder längere Ieit mitzlos funktionieren zu lassen. Cs gibt
Leute, die auf der Neise schlechle Sachen lesen, die sie sonst nie
vor Augen nehmen würden: nur dem falsch verstandenen Begriff
der „leichten Lektüre" zu Liebe. Bllcher wie dieses find sicher
auch „leicht", ohne indeffen schlecht zu sein; das vorliegende ver-
dient wirklich gut genannt zu werden. Die fließende Plauder-
sprache, aus der sich oft ein wohltuender Klang innerlich cmp-
fundener Poefie löst, die Anschaulichkeit der Hinweise, in deren
Sachlichkeit fich hicr und da eine leise Note persönlichen Emp-
findens (der Verfaffcr ist Clsäffer) und auch wohl politischer
Pikanterie mischt, machen es im besten Sinn zu ciner erfreulichen
Reiselektüre. Don Straßburg selbst ist die Rede, von Ausfliigen
ins Rebgelände, in die Hochvogesen und das wcitere Clsaß, und
heimatgeschichtliche Bemerkungen nimmt man im Ausammenhang
des Ganzen gern entgegen. Unnötig wirken nur die etwas ge-
suchten Abbildungen, mit denen der Verleger wie sv viele seiuer

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