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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 2
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Lissauer, Ernst: Zum Gedächtnis Ernst von Wildenbruchs: geb. 3. Februar 1845, gest. 15. Januar 1909
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Loosli, Carl Albert: Eine Staatsrechnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0080

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Kornmst du so spät zurück?

Nun ists zu spät fürs Glück.

Kenne dich garnicht rnehr,
mir ist das Herz verquer,

Susala — Dusala -
wollt, tot ich wär!

Schwarz ist das Grabeloch,
lcb doch ein Weilchen noch;
wart noch bis Sankt Kathrein,
da will ich um dich frein.

Wart noch bis Sankt Martein,
da soll die Hochzeit sein —

Sujala — Dusala —
gib drch darein."

Dieser Köhne Finke ift eine der beftcn Figuren
WildenbruchS, — „so 'ne Schnauze hat nur ein Berliner",
sagt Dietrich Quitzow von ihm — eine der wenigen
heiteren Geftalten, die ihm gelungen sind, und eine
der wenigen mehr realiftisch-persönlich entworfenen,
während seine Darstellung sonst saft immer nur auf
das Großftilisierte abzielt, aber zumeift im Vag-Typischen
stecken bleibt. Denn Charaktere zu schaffen war Wilden-
bruch nicht möglich, eben weil ihm die analytische Be-
sonnenheit und Geduld sehlte. Seine Menschen sind
Teile von balladischen Visionen und Geschehnissen, sie
sind ebensowenig Charaktere, wie die Könige und Ritter
in Münchhausenschen oder Liliencronschen Balladen: der
Griff, die Handlung, die Tat ist die Hauptsache.

Wildenbruch war ein „unmoderner" Dichter. „Mo-
dern" ist die Nklance: es hat kaum je einen nuance-
loseren Dichter gegeben; „modern" sind Nerven: es hat
selten einen unnervöseren Dichter gegeben. Heute, wo
man wieder beginnt, Krast und Wucht zu schätzen, zu
erkennen, daß die Nuance entgegen dem Verlaineschen
Wort nicht „alles ist", heute wird man an Wildenbruch
manches höher bewerten, als in den naturaliftischen
Zcilen, wo etwa Paul Schlenther als Theaterkritiker
der Berliner Vossischen Zeitung über ihn nur spottete
und lächelte. Aber inan wird auch seine Mängel gerade
jetzt nicht verkennen: sie beruhten letzten Endes aus einer
ganz unpreußischen Disziplinlosigkeit, wie wir sie bei
hohenzollernschen Romantikern mehrfach finden, und
eben eine ftrenge künstlerische Disziplin tut uns heute
vor allem not. Ernst Lissauer.

ine Staatsrechmmg.*

Von C. A. Looöli.

Der Herr Kanzleisekretär ift StaatSbeamter. AlS
solcher genießt er die allgemeine Achtung aller derjenigen,
welchen er glaubhaft zu machen verfteht, daß ohne ihn
der Staat zugrunde gehen und man auf seinem De-
partement nichts GescheiteS machen würde. Er bezieht
eine jährliche Besoldung von 4OOO Franken. Das ift
nicht viel, wenn man bedenkt, daß mit dem Amte eines
Kanzleisekretärs viel Arbeit und Plage verbundcn ift.
Darum bewilligt ihm der Staat alljährlich einen Monat
Ferien. Also arbeitet er an dem Gedcihcn dcö StaateS
und zum Wohle des Volkes 261 Tage per Jahr. Acht
ganze Stunden im Tag. Das ist viel. An seiner Be-

* Srche die Besprechung am Schluß des Heftes.

soldung gemessen, koftet den Staat die Arbeit unsereö
Herrn KanzleisekretärS ungefähr Fr. 2.26 die Stunde.
Der Herr Kanzleisekretär ist auf zwei täglich erscheinende
Ieitungen abonniert. Er liest diese Zeitungen im Bureau.
Dazu bedarf er vormittags zweier, nachmittags einer
Stunde. Total — drei Stunden. Schlecht gerechnet
bezahlt ihm also der Staat für diese segensreiche Tätiq-
keit des täglichen Ieitungslesens jährlich die Summe
von Fr. 1659.58. — Aber der Herr Kanzleisekretär ißt
und trinkt außerdem noch ganz anständig. Gut und
viel. Er verdaut langsam und bringt — sagen wir
täglich nur eine Viertelstunde irgendwo zu. Man muß
zugeben, daß der Staat generöS ist, indem er trotz der
gegenwärtig hohen Düngerpreise den Hcrrn Kanzleisekretär
für seine Absallprodukte mit jährlich Fr. 144.98 ent-
schädigt.

Kurz nach Neujahr wird der Herr Kanzleisekretär
infolge seiner koloffalen Arbeitsüberbürdung regelmäßig
ungefähr eine Woche lang krank. Die Woche, zu
sechS Arbeitstagen gerechnet, kostet den Staat nach
Adam Riese Fr. IO8.48. Somit stellt sich die
Rechnung zwischen dem Staat und dem Herrn Kanzlei-
sekretär:

fiir Lesen von Ieitungen Fr. 1659.58

sür Abfallstoffe „ 144.98

für Kranksein „ 108.48

Das macht zusammen Fr. 1913.04

insolgedessen erhält der Herr
Kanzleisekretär für wirklich ge-
leistete Arbeit Fr. 2086.96

Manch einer würde diesen Zahlungsmodus für den
Staat unökonomisch finden. Dem ist aber nicht so.
Der Staat verdient immer noch bares Geld an dem
Herrn Kanzleisekretär, wenn letzterer nicht arbeitet. Das
läßt sich nachweisen.

Ein Beispiel: Das Departement, welchem der Herr
Kanzleisekretär angehört, bedarf 5OOO Briefbogen mit
Firmadruck. Es überträgt die Anschaffung dieses Ma-
teriales unserem Herrn Kanzleisekretär. Der Herr Kanzlei-
sekretär läßt sich von 20 Druckern dafür Kostenvor-
anschläge mit Papiermustern einreichen. Er crläßt zu
diesem Iwecke ein Zirkular an zwanzig Buchdrucker.
Das Abfassen des Zirkulars beschästigt ihn füns Stunden,
denn es darf nichts außer acht gelassen und eS müssen
die Akten von früher nachgeschlagen werden, damit das
Rundschrciben genau so abgefaßt wird wie die früheren.
Also sünf Stunden, die Stunde a Fr. 2.26 gerechnet —
Fr. II.50. — Nachdem das Iirkular abgefaßt ist, muß
es in zwanzig Exemplaren vervielfältigt oder von einem
Kanzleigehilsen abgeschrieben werden. Diese Arbeit be-
schäftigt einen Kanzleigehilfen ungesähr einen Tag,
macht weitere Fr. 5. —. Dazu kommt noch ein Material-
verbrauch von zirka Fr. 1.-. Die Kostenvoranschläge
kommen im Laufe der folgenden Tage auf der Kanzlei
an. Der höchste beläuft sich aus Fr. 40. — , der niederste
aus Fr. Z5. —. Die Devise werden registriert. Das
bedeutet zwei Stunden Arbeit sür den Herrn Kanzlei-
sekretär — Fr. 4.52. Dann werden sie untereinander
verglichen. Eine Stunde Arbeit des Herrn Kanzlei-
sekretärs — Fr. 2.26.
 
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