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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 1
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S.: Meister Wilhelm, der Wiedergekrönte
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Renard, Eduard: Die Gefährdung der königl. Schlösser in Düsseldorf und Benrath
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0045

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Meistcr Wilhelm, der Wiedergekrönte.

jungen Frau, und vom jungen Gesellen mit der neuen
revolutionären Kunst, der ihn gründlich in dcn Sarg
arbeitete und, als er mit seiner übrig gebliebenen Frau
den neuen Frühling (in sonniger Harmonie von Kunst
und Leben) genoß, auch seine alten Versuche am Claren-
altar mit jugendlicher Genialität übermalte. Beinahe
ein Stoff für Julius Wolff in Charlottenburg.

Aber auch für die Rechtsgelehrten der Kunst gibt
es noch ein Weltgericht, das die Unschuld, diesmal
den Meister Wilhelm, vertcidigt. Dieses Weltgericht
wollte, daß vor einem halben Jahr die Flügel vom
Clarenaltar deS genialen NeuererS Wynrich von Wesel
ins Atelier des Restaurators Heinrich Fridt zu Köln
gcbracht wurden. Da stellte sich heraus, wie Prosessor
Clemen in der Kunstchronik vom II. Dezember d. I.
berichtete, daß der Gegenstand so vieler gelehrten scharf-
sinnigen Stilanalysen, Hypothesen und Vermutungen
einc plumpe Fälschung aus dem 19. Jahrhundert war,
während das Werk Meister Wilhelms, durch die llber-
malung vor dem Blick der Gelehrten geschützt, lustiger-
weise darunter saß. Man inuß den Humor von Pro-
fessor Clemen, dessen Ernst doch sonst nicht zu bezweifeln
ist, und dem wir diese Entdeckung verdanken, in seinen
eigenen Worten hören, um dieses Schalkspiel ganz zu
genießen:

„Zuerst kamen die Außenflügel an die Reihe. Nach-
dem die obere deckende Schmutzschicht abgewaschen war,
traten hier die ganz großen derben neueren Uber-
malungen zutage (verschiedene übereinander). Der ganze
Fond, die ganze Architektur: die feine Finalenzeichnung
war in barbarischer Weise und total mißverstanden
überschmiert, eine Art Baluster war hier eingefügt, die
Krabben waren durch etwas wie Krautköpfe ersetzt.
Die großen einzelnen Heiligenfiguren von den Außen-
seiten waren weiter total übermalt, es kamen zum Teil
ganz andere Umrisse zum Vorschein, einige Gewänder
hatten ein verspätetes Rokokomuster erhalten, darunter
saß daö echte gotische Defsin, manche Hände saßcn an
an ganz anderer Stelle. Und zuletzt durfte nian sich
auch hier an die Köpfe wagen, an die wir zuerst nicht
recht heran gehen wollten — und auch hier verschwand
die obere Schicht sehr rasch und darunter tauchten die
alten Köpfe auf. Ganz andere Gestalten standen zu-
letzt da, strenger, von einem großartigen bewegten
Duktus der Umrißführung, die Köpfe mit der charakte-
ristischen Zeichnung, den scharf umränderten geschlitzten
Augen, den von deutlichen Konturen umgebenen Haar-
massen.

Und bei den Jnnenseiten gingen die Ubermalungen
der Köpfe im Handumdrehen ab und in der unteren
Reihe auch die Flicken auf den Gewändern, und waö
da zum Vorschein kam, war mit einem Male etwas
ganz Einheitliches, Harmonisches in dem strengen Stil
des 14. Jahrhunderts.

Diese llbermalungen saßen ganz lose auf der alten
Farbschicht auf, waren gar keine Verbindung mit ihr
eingegangen, sie ließen sich mit dem einfachsten leich-
testen Putzmittel wegwischen"

Man sieht, an der Sache ist nichts mehr zu ändern,
wir müssen mit Professor Clemen zum Schluß kommen,
daß „alle die begeisterten Lobpreisungen von Kugler,

Förster, Schnaase an bis auf den heutigen Tag" einer
„Fälschung" gclten. Nur wird man seine von liebcns-
würdiger Kollegialität eingegebene Entschuldigung: daß
man niemand einen Vorwurf machen könne, weil
„eine genaue Beobachtung und Untersuchung der Flügel
erst jetzt möglich geworden" sei, nicht durchgehen lasscn
können. Sie entspricht zu wenig den sonstigen Vor-
stellungen vom Ernst der Arbeit und auch nicht der
Wichtigkeit der historischen Wissenschast. Wenn so
wenig von der Sache zu sehen war, daß man diese
plumpe Fälschung nicht erkennen konnte: waruni wurdcn
wir denn mit soviel scharssinnigen Untersuchungen be-
lästigt und worauf stützen sich diese?

Freilich gibt die Darstellung bei Clemen nicht nur
den Tatbestand zu dieser Kritik, sie entwirft in raschen
Iügcn, was wir mit der Entdeckung für die Anschau-
ung der Kölnischen Malerschule gewonnen haben, nicht
nur ein Werk, das in der „delikaten Grazie" und „in
der feinempfundenen Führung der Umrissc der Qualität
nach wohl daS Beste und Köstlichfte enthält, was die
damalige Malerei in Weftdeutschland zu schaffen im-
stande war"; sondern auch „die ganze künftlerische Ent-
wicklung, die auf den Clarenaltar hinführt", fteht „in
einer großartigen Folgcrichtigkeit vor uns". So dank-
bar wir Clemen sein müssen, daß er uns mit seiner
„Revision" aus seinem reichen Wiffen die Orientierungen
gab, die in diesen Sätzen gipfeln und die so etwas wie
den Extrakt eincr neucn Geschichte der kölniscben Malerei
im 14. Jahrhundert (also der rätselhaften Anfänge) dar-
stellen: die freudige Genugtuung der Kunftfreunde, die
nicht Forscher sind, wird er sich damit erworben haben,
daß er die Möglichkeit einräumt, den Clarenaltar nun
wieder auf den Meister Wilhelm zu taufen, der sich trotz
seincr Sagenhaftigkeit reeller crweist alö der stilanalytisch
konstruierte Neuerer Hermann Wynrich von Wesel. S.

ie Gefährdung der Königl. Schlöfser
in Düfseldorf und Benrath

ist vor allen Dingen eine Frage der Denkmalpflege
und rechtzeitig ist der „Rheinische Verein für Denkmal-
pflege und Heimatschutz" mit einer Eingabe an das
Kgl. Hausminifterium vorgegangen, um die drohende
Gefahr eineö Verkaufes abzuwehrcn. Als Begründung
ist dieser Eingabe eine Art Denkschrift von vr. Ed.
Renard beigegeben, worin der historische und künst-
lerische Wert der beiden Schlösser erläutert und die
Gefahren bei einer Veräußerung in private Hände an-
gedeutet werden. Wir geben nachstehend den Abschnitt
daraus wieder, der das eigentliche Gebiet der Denkmal-
pflege betrifft, und behalten uns vor, in einer der
nächften Nummern die historische Darstellung unter
Beigabe von Abbildungen nachzuholen. Die Red.

* *

*

Außer den Schäden, die die Allgemeinheit direkt
zu tragen haben würde, bedürfen die Verluste, die den
Denkmälern unmittelbar zugefügt würden, kaum noch
einer Erläuterung. Das Grundftück des Jägerhofes soll
parzelliert werden und dann naturgemäß einer engen
 
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