Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Schäfer, Wilhelm: Das Jenabild von Hodler im Züricher Kunsthaus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0144

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Blick in dcn großen Saal des Zürchor Knnsthauses >nit dem Bild stir Jena (links).

as Ienabild von Hodler

im Zürcher Kunsthaus.

Der Leser wird mit cmigem Befremdcn bcmcrken,
daß wir ftatt eincr Abbildung des Bildes nur eine
Ansicht seiner Stellung im Saal der Zürcher Kunft-
gesellschaft bicten. Sofern für ihn die erftc Ausstcllung
dicses Bildes ein Ereignis ist, wird er vor allem neu-
gicrig auf dic Kempasitirn sein, und darin unterrichtct
daö Auge mit einem Blick mehr als tausend Worte.
Leidcr stand eö aber dem Künstler nicht mebr frei, uns
eine Abbildung zu erlaubcn; er ist für alle Werke an
einen Verleger gebunden, und ss müssen nach der ersten
Ncugier vorläusig incine Worte einen Ersatz der mangel-
hasten Anschauung versuchcn.

Wie num weiß, ist das Wandbild sür das neue
Hochschulgebäude in Jena bestimmt; es sollre schon zur
Emweihung sertig sein und den Auszug der freiwilligen
Studentcnschast von >81Z darstellcn. Länger alö ein
Jahr hat Hodler daran gearbeitet, und wer die wenigen
Figuren der Abbildung übcrblickt, auch wenn er daö
großc Format bedcnkt — eö ninnnt in Iürich die ganze
Rückwand des Saales ein und seine Figuren sind
lebensgroß — wird zunächst kaum begreiscn, ivohin
soviel Energie gegangcn ist. Wenn er nicht von Hodler

selber daS scherzhafte Wort hört: die meiste Arbeit habe
ihm gemacht, was nicht aus dem Bild sei.

Jn Jena wird daö Bild gleichsallS die ganze ibm
vorbcstiimnte Wand ausfüllen, leider in einem kleinen
Saal, während es vielleicht inehr als jedes andere Bild
von Hodler cinen weiten Anblick verlangt. Nicht wcil
Härten durch die Distanz beschönigt werden müßten,
sondern weil es bei seüiem Format aus der Nähe
gesehen leicht m zwei Teile auseüiander sällt: die ab-
marschierenden Sektionen oben und die Jünglinge im
Ausbruch untcn. Dann wcrden die bewegten Gruppen
im Vordergrund zum Hauptthema, so daß man die
Marschierenden so dicht über ihren Köpsen als einen
atcmbedrückendeii Überfluß empsindet. In der Abbil-
dung verschwindet die Zwicspältigkeit dieseö Eindrucks,
weil das Dbjektiv sein Schaubild ser» rückt. Aber auch
da bleibt — wcnigstenö sür den ersten Anblick — die
befremdcnde Kühnhcit diescr Komposition auö zwei
Hauptthemcn bestehen.

Es war eine Em.zelstudie von dem zweiten Züngling
rechts ausgestellt (dem Rockanziehcnden), wo die Ab-
marschierende» mir in der Fernc angedeutet waren;
man könnte sich thatsächlich das untere Stück des Bildes
allein denken mit dieser durchgeführten Andeutung und
eö würe cine geschlossene Komposition, von der inan daö
obere Stück, die ausmarschierenden L>ektionen, wicderum

I2S
 
Annotationen