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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Der Respekt vor historischen Bauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0146

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er Respekt vor hiftorischen Bauten.

In der vorigen Nnmmer hnlte ich von cinem
Hotel gesprochen, daS in Andcrnach neben dem
alten Rheintor stände; alö Beispiel, daß man auch
ohne die unbedingte Historie sich in die Nachbarschaft
historischer Bautcn begeben könne. Da ich untcrdessen
vicl danach gcsragt werde und außerhalb von Ander-
nacb ein allgemeineS Jnteresse sür die Sache finde,
möchte ich noch einige allgemeine Worte dazu sagen.

Jch mcine nämlich, daß wir mit dem gläubigen
Respekt vor den ehrwürdigcn Überresten am Rhein
auch in Gefahr sind, die Rheinuscr zu verunziercn-
Eö mag cine Ketzerei sein. aber ineine Augen empfinden
den modernen Hotelanbau — obgleich cr durchaus kein
sehlerloscs Gebäude ist — viel angenchmer als das
historisch in Ordnting gcmachte Rbeintor. Es mag
wohl schon ein bißchen anders auSgesehcn haben, auch
nachdem eine spätere Ieit dcn gotischen Giebeln die
Iwicbeltürrnchen vorsetzte: aber ob eS wirklich cine Schön-
heit war? Dagegen ist nicht zu zwciseln, daß dcm
Hotel gerade die angemodelten Dachfcnster und daS
Dach über dem Vorbau rechtS empfindlich geschadet
baben. Man denke sich diese Kompliinente an dcn
historischen Nachbarn wcg und man hat cinen an-
ständigen Bau vor sich, wie er unS überall in den
kleinen Orten das Rheinuser bessern helsen könnte.

Wir dürfen uns nicht täuschen, mit der heimlichen
Ruincnromantik am Rhein ist eö auS: er ist wieder
wie in alten Ieiten die lebcndigste Heerstraße Deutsch-
landö, von Schiffen, Iügen, Automobilcn, Radlern und
HandwerkSburschcn überflutet, cin Bild hellster Lebendig-
keit. Was das achtzehnte Jahrhundcrt unbesehen tat,
als eS die vielen freundlichcn Bürgerhäuscr an scine
User stellte, die ihm heute zum guten Teil scinen lustigen
Charakter geben, dazu werdcn wir uns schließlich wohl
auch entschließen müffen. Mit Türmchen und Iinncn

wird da nichts RechteS gemacht, abcr nnt bellen sauberen
Häuscrn, die ihre Schicfcrkappc auf modernen Wändcn
mit gleichem Anstand zu tragen wissen. Namentlich
der vorgetäuschtcn Fachwerkbauerei, wie sie gegenwärtig
im Schwange ist, klebt dic historische Spielerci meist
deutlich an. Wir bauen praktischer nnd schöner mit
einsachen Mauern, die mit Rauhputz solid und sreund-
lich dastehen. Was z. B. die neuen vortrefflichen Bahn-
hossbauten in Neuwied und GodeSberg beweisen, die
den Reisenden wahrhast verlocken auszustcigen.

Damit soll nicht etwa gcsagt werden, daß dem
romantischen Rhein die historischen Iahnstumpcn aus-
gezogen werdcn sollcn; sie gehören zu ihm wie die
Schiefcrberge und Rebhänge. Man soll sie pietät-
voll pflegen und wenn es geht plombieren. Abcr man
soll nicht von den Kindern unsercr Ieit verlangen, daß
sie sich »ach ihrem Mustcr statt ihren natürtichen Iähnen
ein künstliches Gcbiß machen lassen. Die schönstcn
Rheinsronten sind die, wo schon einmal cin bürgcr-
licheS Ieitalter sich unbekümmert neben die düsteren
alten Mauern stellte. Wer die feinen Schaffnerhäuser
von Teffenow in der letzten Nummer (Märzhest 1909
Seite 9Z) ausmerksam ansieht, der bekommt ein Bild,
wie es sein könnte. Das ist weder historisch noch
cnglisch-modern; aber es ist cine sorgsame Beachtung
bürgerlicher Bausormcn im heimatlichen Material.

Ein bißchen mehr Mut zu uns selber müffcn wir
schon bekommcn. Es sitzen nun schon überall junge
Architekten, dic künstlcrischen Takt genug haben, dem
Alten nicht zu nahe zu treten trotzdem. Wie ich ein
moderncs Bild neben eincn Dürer hängcn kann, daß
cs schrecklich aussieht, und ein anderes, daß cs trotz der
Jahrbunderte vortrefflich harmoniert: so kann man
jedem hiftorischen Bau cinen modernen Nachbarn geben,
der ihn hebt und sich nicht verleugnet, wosür z. B. dic
angebauten Häuser nördlich von St. Kunibert in Köln
ein vortreffliches Beispicl sind. S.

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