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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 4
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Schwerdtfeger, Robert: Das Möbel als Schmuckstück: zur Altherr-Ausstellung in Elberfeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0139

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Das Möbel als Schmuckstück. Zur Altherr - Ausstellung in Elberfeld.

Alfr. Altherr: Stuhl aus dem Danielizlurmcr.
Ausführung: Heinr. Schaettc s- Co., Clberfcld.

Wir sind nämlich in gar nicht
eincm Extrem ins andcre geraten.
Formenprasserei ist eine zwar sinn-
nollcre, aber jesnitisch-hcnchlerischc
Schmlickaskese gefolgt, die wohl
den Zweck als Schönheit, nicht
aber die Schönheit alö auch einen
Iweck ancrkennt. Zwar ift ein
inncrer Reichtum wohl Vorbedin-
gnng zu solcher Gennßfrcndigkeit,
und ihn zu erringen, arbeiten wir
noch. Doch spricht sich immer un-
zweideutiger die müde Mehrhcit
der schaffenden Gegenwart dahin
aus, daß Iweck alö Schönheit
schon das Ziel sci, zn dcm wir
strebtcn, und streckt sich, um aus-
zuruhn, und bettet sich auf das
als falscheö Resultat gezogene Prin-
zip des Zwecks an sich, der Kon-
struktion als solche.

Sogar ist das den Ausschlag
gebende Publikum — wo träte un-
mißverftändlicher als in der Möbelei
dessen Bedeutung als letzte kritische
Instanz zu Tag - von dieser
falschen Schlußfolgerung angefteckt.

Fehlt ihm daS fcinere Unterschei-
dungvcrmögen, vcrsteift es sich auf
den Begriff dcr „Einfachheit".

^tVXag es gcwagt sein, mit
einer so rebellischen
Verknüpfung von Be-
griffen schon in der Uber-
schrift dcn Schein der Auf-
lehnung gegcn alle bcsscre
Einsicht cincr „kunstgewcrb-
lichen" Gegenwart auf diese
Zeilen zu wcrfen, so wüßte
ich doch nicht einfacher die
handwerkliche Kunst zu cha-
rakterisicrcn, dercn reifcnde
Erfolge Alfred Altherr in
seiner Elberfclder Auöstellung
zeigt. Jst doch nicht eine
bedingunglose Vollkommen-
heit der Wcrt dieser Arbciten,
sondern das Versprechen cincs
wirklichen Fortschritts der
Möbelarchitektur, dem man
um so lieber und freudiger
glaubt, wenn man trotz allem
Spähen lange nichtö mehr
als cin Würgen und Schluk-
ken an hastig vcrschlunge-
ncn Stilreminiszenzen und
schwer verdaulichen modernen
Theorien beobachten konnte.
langer Zeit von Heute ift „schön

Alfr. Altherr: Stnhl ftir ein Hcrrenziininer.
Ausführung: Aug. Schmidt, s- Co., Clberfeld.

langer Zeit von Heute ist „schön", was „einfach" ist. Daß das Ein-

Einer sinnloscn fache ebenso schlecht sein kann wie das Komplizierte oder

Reiche, wciß es nicht. Sieht dies
gebildcte Publikum cine Schnitzerei
am Möbel, wendet es sich ohne
weiteres verächtlich ab. Entdeckt
es ein Möbel, das keine andcren
Vorzüge hat, alö daß es schlecht
und recht auf seinen vier Beinen
steht, ist es begeistert. Dabci spukt
doch der Geist des Biedermeiers
in den Köpfen, abcr so verdreht,
daß er — immer nur bei dem
„Kennerpublikum" natürlich — das
Schlagwort „schmucklos" gezeugt
hat. Gott, wie schmuckloö!",
heißt eS, „dies Biedermeier". Daß
aber jenc vormärzliche Zeit ihr
ganzes Dichten und Denk'en auf
Schmuck in allen Lebenslagen ge-
richtet hatte, daran denkt nicmand.

Der schöne erste Eindruck der
Altberrschen Möbel ist der: hier
reißt ein Künstler sich vom Dog-
ma los, vielleicht bewußt, viel-
leicht auö cinem „naiven" Gefühl
heraus, daS seine Freude am
Schmuck nicht verloren hat und
Alfr. Althcrr: Stuhl. mit herzlicher Lust aus Gebrauchs-

Ausführung: Gcbr. Jacobs, Elbcrfeld. gegcnftändc» schöne Gebrauchs-
 
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