Alfr. Altherr! Kindrrspielzimmer. Möbel: Cichenholz naturhell. Farben des Naumes: wciß, gelb und rot.
Ausstihrende: Fr. Dahmann, Schrcinerarbeiten. Ph. Freudcnberg, Teppich, Dekoration und Polsterarbeiteu, beidc Elberfeld.
gegenstände zu machen sucht. Dieser Eindruck war mir
inaßgebend und leitcnd bei der Beurteilung deö Ein-
zelnen, dcm man in mancher Beziehung Dollkommcncreö
gegcnüberstcllen kann, aber wohl kaum so Fortgeschrit-
tenes. (Der trotz seinem frühen Tod viclverkannte lmd
linterschätzte Olbrich dars nicht vergessen werden.) Vor-
auösetzung ist natürlich, daß man eö über sich gewinnt,
die Auögestaltung deö Zwecks zu schöner Augenwcide
auch mit Verwendung von Schmuckformen alö Fort-
schritt zu betrachten. „Auö Prinzip" die Schmuckabsicht
zu verachten, wäre doch unglaublich töricht und arm-
selig und zeugtc von Unsicherhcit und Furcht vor den
unbegrenzten Möglichkeiten der Form.
Es wäre nun falsch, wolltc man aus diesem schlicßen,
daß wir jctzt plötzlich wieder reiche, schmuckreiche Möbcl
machen könntcn odcr nur sollten. Aber man sehe sich
einmal solch Möbel an, wie den Altherrschen Schrank
aus Gilletholz (Abb. I, S. 124). An dicsem Schrank ist
eine ganze Menge „vollkommen unnötig". So z. B.
und vor allem die geschnitzten Scheibensüllungen, die ein-
mal auö schwarzem Holz, dann aber auch noch mit
Perlmutter eingelegt sind. Außerdem hat der Schrank
schwarze, gedrechselte Bcine, die — ich will allen Ein-
wänden vorausgreiscn — sicherlich doch nur da sind,
wcil die normalen vierkantigen Füße abgebrochen waren
nnd kcin helles Holz mehr vorrätig lag, nicht wahr?
Daß überdies die Scheiben der Tür mit einem feincn
schwarzen Holzrahmen eingesaßt sind, hat - oder hätte
nicht dcn geringsten Iweck. Und trotzdem ist dieser
Schrank mciner Ansicht nach ein Prachteremplar. Er
hätte ebensogut nur eben ein Schrank, ein Normal-
schrank sein gekonnt, der seinen Zweck vollkommen er-
füllt und in seiner Form nichts Tadelwerteö aufweist,
weil eben auch nichtö Lobwcrteö vorhanden ist: kurz,
ein Möbel mit dem Auödruck der Selbstverständlichkcit.
Aber über diese wohlanständige Selbstverständlichkeit
geht er hinaus und wird — ein Schmuckstück.
Jst das ein Fehler? Jch denke doch, wir sollten
unS freuen, daß uns die Möglichkeit geboten ist, gute
Möbel zu haben, die gleichzeitig schön und eigenartig
sind. Wic uncndlich langweilig wirkt schon jetzt nach
so kurzer Ieit die übliche moderne Wohnungeinrichtung
deö geschmackvollen Menschen. Daß sie durchweg gut
ist, läßt sich nicht leugncn; aber wie langweilig, wie
tödlich langwcilig ist es, wenn man von cinem „gc-
schmacklich Vorgeschrittcnen" zum andern kommt und
immer wieder die gleichen zahmen Möbel mit der
schönen Biedermeierseele sieht, diese Typmöbel (womit
ich Bruno Paul, der keineswegs selbstzusrieden verharrt,
nicht Unrecht antun möchte) mit der ewigen Domino-
intarsia und den eingelegten Mäandriaden. Diese Lange-
weile ertötet die Freude an dem wirklichen Fortschritt.
122
Ausstihrende: Fr. Dahmann, Schrcinerarbeiten. Ph. Freudcnberg, Teppich, Dekoration und Polsterarbeiteu, beidc Elberfeld.
gegenstände zu machen sucht. Dieser Eindruck war mir
inaßgebend und leitcnd bei der Beurteilung deö Ein-
zelnen, dcm man in mancher Beziehung Dollkommcncreö
gegcnüberstcllen kann, aber wohl kaum so Fortgeschrit-
tenes. (Der trotz seinem frühen Tod viclverkannte lmd
linterschätzte Olbrich dars nicht vergessen werden.) Vor-
auösetzung ist natürlich, daß man eö über sich gewinnt,
die Auögestaltung deö Zwecks zu schöner Augenwcide
auch mit Verwendung von Schmuckformen alö Fort-
schritt zu betrachten. „Auö Prinzip" die Schmuckabsicht
zu verachten, wäre doch unglaublich töricht und arm-
selig und zeugtc von Unsicherhcit und Furcht vor den
unbegrenzten Möglichkeiten der Form.
Es wäre nun falsch, wolltc man aus diesem schlicßen,
daß wir jctzt plötzlich wieder reiche, schmuckreiche Möbcl
machen könntcn odcr nur sollten. Aber man sehe sich
einmal solch Möbel an, wie den Altherrschen Schrank
aus Gilletholz (Abb. I, S. 124). An dicsem Schrank ist
eine ganze Menge „vollkommen unnötig". So z. B.
und vor allem die geschnitzten Scheibensüllungen, die ein-
mal auö schwarzem Holz, dann aber auch noch mit
Perlmutter eingelegt sind. Außerdem hat der Schrank
schwarze, gedrechselte Bcine, die — ich will allen Ein-
wänden vorausgreiscn — sicherlich doch nur da sind,
wcil die normalen vierkantigen Füße abgebrochen waren
nnd kcin helles Holz mehr vorrätig lag, nicht wahr?
Daß überdies die Scheiben der Tür mit einem feincn
schwarzen Holzrahmen eingesaßt sind, hat - oder hätte
nicht dcn geringsten Iweck. Und trotzdem ist dieser
Schrank mciner Ansicht nach ein Prachteremplar. Er
hätte ebensogut nur eben ein Schrank, ein Normal-
schrank sein gekonnt, der seinen Zweck vollkommen er-
füllt und in seiner Form nichts Tadelwerteö aufweist,
weil eben auch nichtö Lobwcrteö vorhanden ist: kurz,
ein Möbel mit dem Auödruck der Selbstverständlichkcit.
Aber über diese wohlanständige Selbstverständlichkeit
geht er hinaus und wird — ein Schmuckstück.
Jst das ein Fehler? Jch denke doch, wir sollten
unS freuen, daß uns die Möglichkeit geboten ist, gute
Möbel zu haben, die gleichzeitig schön und eigenartig
sind. Wic uncndlich langweilig wirkt schon jetzt nach
so kurzer Ieit die übliche moderne Wohnungeinrichtung
deö geschmackvollen Menschen. Daß sie durchweg gut
ist, läßt sich nicht leugncn; aber wie langweilig, wie
tödlich langwcilig ist es, wenn man von cinem „gc-
schmacklich Vorgeschrittcnen" zum andern kommt und
immer wieder die gleichen zahmen Möbel mit der
schönen Biedermeierseele sieht, diese Typmöbel (womit
ich Bruno Paul, der keineswegs selbstzusrieden verharrt,
nicht Unrecht antun möchte) mit der ewigen Domino-
intarsia und den eingelegten Mäandriaden. Diese Lange-
weile ertötet die Freude an dem wirklichen Fortschritt.
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