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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 2
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Ebbinghaus, Carl: Hat sich der Geschmack in unsern Wohnungen gebessert?
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0064

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Theodor Fischer: Diele. (Aus Haenel und Tscharrelmann: Die Wohnung der Neuzeit.)

Eö ist nichr wahr nach dieser übcrsichst daß wir uns
schen zu irgend ciner Reise dnrchgernngen haben; wir
stehcn nach ihr noch mitten iin Aufruhr drin. Oder —
man scheut sich fragend das einzugcstehcn - sind wir
nach soviel Jahren zum Ansang wieder zurückgekehrst
hat sich der stürmisch angefangene Weg zum Kreis ge-
rundet, sodaß wir stecken gcblicben sind, ohne daß wirö
mcrkten?

Glücklicherwcise scheint dies nur so, wcil diese Uber-
sicht den gegenwärtigen Zustand, doch nicht die Rcsultate
gibt. Die Herauögeber wollten nach deutscher Sitte
vollständig scin und gaben von jedem Raumkünstlcr
möglichst eine oder ein paar Probcn; gäben sic von
weniger Händen mehr, daö Bild verscböbe sich sosort.
So haben sie den allgemeincn Zustand getrcu geschildert,
abcr die Bewegung im Ganzen in Gefahr gebracht.
Denn wcnn dieseS Werk vorbildlich würde, wie eö will:
dann hättcn sich Behrenö, Olbrich, Bruno Paul, auch
van de Vclde sowic besonderö einige Wiener vcr-
gebcnö auS der Wirrnis ihrcr erstcn Sachen zur Reife
durchgcrungcn, dann hätten wir schon gleich im so-

gcnannten Jugendstil verharrcn können, wcil nun doch
daö Wilde, Unauögcwachsene und Dekoricrte die Über-
hand behielte.

DaS wäre doppelt schade, weil die Resultate eincr
zwösjährigen strengen Arbcit im Sinne unserer Ab-
bildungen vorhanden sind. Wir habcn Möbcl von
Wuchs und Haltung wie die besten alten Stücke; wir
haben Räume, in denen jedeö Ding dem Ganzen ein-
geordnct ist, so schlicht wie wir eS träumten; wir sind dem
Jugendstil durchaus entwachscn und brauchen die Biedcr-
meier mit ihren Formen nicht: nur dürsen wir nicht
einen Augenblick vergessen, daß wir im Ganzen trotz
solcher Einzelleiftungen gefährdet sind, weil die Ge-
sinnung sich nicht einbürgcrn will, daß uns kein Schmuck
und keinc Dekoration die Zucht und Haltung vortäuschen
können, die wir von unsern Räumcn sordern müssen —
wie wir auch unsere Röcke und Hoscn nicht mehr mit
Goldlitzen oder Pcrlcntroddeln benähen.

So rcinlich spröde wie der Vorraum von Bruno
Paul (Abb. I); so klar geglicdert wie die Diele von
Theodor Fischer (Abb. 2), an dcr mich nur daö Kräusel-

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