Franziskus von Asstfi.
flatterten, ihn liebkosend umflogen oder sich ihm, der
sich ihrer nicht wehrte, auf Haupt, Schultern und Arme
setzten. Und auf einmal, als hätte man erst diese Huldi-
gung der Tiere abwarten wollen, fiel alles Volk, das auf
dem Platze beisammen war, auf die Kniee und rief:
„Santo Francesco!" und drängte sich an den Heiligen
heran, um seine Hände oder wenigstens seine Kutte
kussen zu können. Der aber ließ sich weder durch die
Tauben noch durch die Menschen beirren, die ihn um-
flogen und umknieten, sondern fuhr fort, laut über den
Platz hin mit zitternder Stimme zu singen und zu
jubeln, bis ihm die hellen Tränen über die bleichen
Wangen liefen.
Unser Böhme, der dieseS ungewöhnliche Bild nicht
allein kapieren konnte, lief zu seinem Gefährten zurück,
der sich noch immer in seiner finstern Ecke um Gott
plagte und zerbetete, griff ihn an die Schulter: „Steh
auf! Komm mit! Itzt sollst du den Antichristen sehen!"
und wies ihm das seltsame Schauspiel. Der heilige
Franz auf seinem Eselein hatte indessen zu singen auf-
gehört und sich daran gemacht, die Vögel mit ein
paar Krusten Brot zu füttern, die er auö der Kutte zog,
und die ihm selbcr viel nötiger gewesen wären als den
Tauben. Aber nichts auf der Welt kam der Wonne
gleich, die ihm aufs Gesicht trat, wenn er schcnken
durfte oder trösten konnte. Ein paar Krüppel humpeltcn
nun heran und flehten den Heiligen wimmernd an, mit
ihnen inö Siechenhauö zu gehen, wo die Aussätzigen
und Bresthaften seiner warteten.
„Lebet wohl, meine Brüder und Schwestern," sprach
nun Franziskus zu dem Volk, daö ihn auf dem Markte
umdrängte. „Gegen Abend will ich wiederkehrcn und
euch vom lieben Gott und von unserm Herrn Jesus
predigen." DicS sagte er aber nicht anders, wie cine
Mutter ihren Kindern verspricht, vor dem Einschlafen
ein paar Märchen zu erzählen. „Als ich auszog,
Gott zu finden," fuhr er fort, „da wollte eö mir
zuerst nicht gelingen, melne Augen ohne Ekel auf cinem
Aussätzlgen ruhen zu lassen. Nun kann ich sie mi't der
Hand streicheln, ohne daß es mich graut, und vor
allen meinen Brüdern sind sie mir die nächsten ge-
worden, denn sie bedürfen meiner am meisten. Gott
hat sie geschaffen gleich uns, darum müssen sie wohl
sein." Sprachö und ritt aus dem Eselein, dessen Zügel
zu führen Männer und Frauen sich stritten, den Krüppeln
nach zum Siechenhaus. Alles Volk aber wälzte sich
schweigend hinterher.
Iu den beiden Böhmen, die staunend und sprachlos
dem Zug wie einem Wundertier nachschauten, hatte sich
unversehens ihr Gastwirt hinzugesellt. „Waö, den kennt
ihr nicht?" hub er an, „den heiligen Franziskum aus
der Stadt Assisi? Denkt euch, er heißt eigentlich Ber-
nardone, und sein Vater lebt noch dort und ist ein
reicher Tuchhändler. Und dieser Franziskus hat einst-
malö in Saus und Braus gelebt, und wo ein Fest war
in Assisi, war Francesco dabei und saß, ein Narren-
zcpter in der Hand, obenan. Aber eineö Tages hat er
dieseö verlassen, die Feste, die Frauen und die Freuden,
und hat alles, was er nicht schon verschenkt hatte,
feierlich seinem Vater zurückgegeben, selbst das Hemd
vom Leibe, also daß er nackend war vor allem Volk,
und der Bischof ihn in seinen Mantel hüllen mußte.
,Fünfhunderttausend Lire könnte er jederzeit wieder
haben, wenn er zum Vater heimkehrte/ hat mir sein
Bruder erzählt, der jüngst mit Tuchballen nach Rom
reiste. Aber er hungert und bettelt lieber und schläft
auf den Kirchentreppen. Fünfhunderttausend Lire im
Stiche zu lassen, denkt nur! Darum nenne ich ihn
stets heimlich einen ,pa22oft einen Narren, wie die
andern ihn laut einen Heiligen heißcn. Aber im Grunde
mögen xarrw und sauto gar nicht so verschieden von
einander sein!"
Unsere beiden Böhmen schienen wohl ein Gleiches
zu denken, sie betrachteten ihre stillen Bäuche, dachten
an ihre kleine, aber hübsche Pfründe daheim an der
Moldau und schüttelten verwundert die frommen Köpfe.
Das also war der Spielmann Gottes, von dem man
schon in deutschen Landen sprach, der die Armut über
alle Dinge heilig pries, der einem Bischof, der Stellen
in seinem Sprengel verkauste, den Stab zerbrochen
hatte, und der nicht mehr und nicht weniger als der
niederste von allen Brüdern sein wollte, die er um sich
versammelt hatte, und die gleich ihm ihr Hab und
Gut zuvor den Armen geben mußten! Wollte er mit
Jubilieren den Himmel auf Erden verdienen, statt mit
Fasten und Beten?
Ganz in Verwirrung gebracht folgten die beiden
biedern Böhmen ihrem Gastwirt, der sie am Armel
zupfte, in die Herberge, wo ein neu angekommener
Kanonikus aus Padua emsig vertiest über einer fetten
Ente nebst Bratäpfeln und Kartoffeln saß. „Störet
euch an jenen Bettelbruder nicht, meine böhmischen
Brüder!" hub er an, sie zu beruhigen, indem er vier
geröstete Maronen mit einem Iug Chianti hinunter-
spülte. „Essen und Trinken hält Leib und Seele zu-
sammen, und unser Herr Christus am Kreuze sprach
noch: ,Mich dürstet/ Fasten ist gut, aber Essen ist
beffer. Kommt! Trinket mit mir auf alle Länder,
darinnen Wein wächset!"
Den beiden frommen Priestern aus Prag wurde
jedoch nicht behaglich bei diesem Schlemmcrmahl. Wie
ganz anders hatten die Augen deö Heiligen vom Weine
Gottes geleuchtet, als die roten Auglein dieses vom
irdischen Most zwinkerten. So machten sie sich denn
beide, nachdem sie zum Schein ein paar Gläser mit-
getrunken hatten, vom Schenktisch fort und traten auf
die Straße zurück. Der Mond war inzwischen auf-
gegangen und warf Licht und Schatten um den Dom.
Als die beiden nun in ihre kleine Nische gehen wollten,
um vor dem Schlafen noch drei kurze Vaterunser zu
beten, sahen sie auf einmal das Eselein des heiligen
FranziskuS unter dem Kruzifix ftehen und ein Bündlein
Heu, das vor ihm auf der Straße lag, verspeisen.
Erschrocken blieben sie stehen, denn gleich daneben ge-
wahrten sie den Heiligen selbst im Schatten, wie er
ein paar Blumen in der Hand hielt, an denen er roch.
Es war aber eine schöne Zungfrau in Terni, die
später die Lieblingstochter der heiligen Klara, der
Freundin des Franziskus, wurde. Die dauerte es, daß
der Heilige auf bloßen Steinen schlafen sollte. Drum
hatte sie in den Winkel am Dom, wo jener zu ruhen
pflegte, schöne rote Rosen hingestreut, damit er auf
flatterten, ihn liebkosend umflogen oder sich ihm, der
sich ihrer nicht wehrte, auf Haupt, Schultern und Arme
setzten. Und auf einmal, als hätte man erst diese Huldi-
gung der Tiere abwarten wollen, fiel alles Volk, das auf
dem Platze beisammen war, auf die Kniee und rief:
„Santo Francesco!" und drängte sich an den Heiligen
heran, um seine Hände oder wenigstens seine Kutte
kussen zu können. Der aber ließ sich weder durch die
Tauben noch durch die Menschen beirren, die ihn um-
flogen und umknieten, sondern fuhr fort, laut über den
Platz hin mit zitternder Stimme zu singen und zu
jubeln, bis ihm die hellen Tränen über die bleichen
Wangen liefen.
Unser Böhme, der dieseS ungewöhnliche Bild nicht
allein kapieren konnte, lief zu seinem Gefährten zurück,
der sich noch immer in seiner finstern Ecke um Gott
plagte und zerbetete, griff ihn an die Schulter: „Steh
auf! Komm mit! Itzt sollst du den Antichristen sehen!"
und wies ihm das seltsame Schauspiel. Der heilige
Franz auf seinem Eselein hatte indessen zu singen auf-
gehört und sich daran gemacht, die Vögel mit ein
paar Krusten Brot zu füttern, die er auö der Kutte zog,
und die ihm selbcr viel nötiger gewesen wären als den
Tauben. Aber nichts auf der Welt kam der Wonne
gleich, die ihm aufs Gesicht trat, wenn er schcnken
durfte oder trösten konnte. Ein paar Krüppel humpeltcn
nun heran und flehten den Heiligen wimmernd an, mit
ihnen inö Siechenhauö zu gehen, wo die Aussätzigen
und Bresthaften seiner warteten.
„Lebet wohl, meine Brüder und Schwestern," sprach
nun Franziskus zu dem Volk, daö ihn auf dem Markte
umdrängte. „Gegen Abend will ich wiederkehrcn und
euch vom lieben Gott und von unserm Herrn Jesus
predigen." DicS sagte er aber nicht anders, wie cine
Mutter ihren Kindern verspricht, vor dem Einschlafen
ein paar Märchen zu erzählen. „Als ich auszog,
Gott zu finden," fuhr er fort, „da wollte eö mir
zuerst nicht gelingen, melne Augen ohne Ekel auf cinem
Aussätzlgen ruhen zu lassen. Nun kann ich sie mi't der
Hand streicheln, ohne daß es mich graut, und vor
allen meinen Brüdern sind sie mir die nächsten ge-
worden, denn sie bedürfen meiner am meisten. Gott
hat sie geschaffen gleich uns, darum müssen sie wohl
sein." Sprachö und ritt aus dem Eselein, dessen Zügel
zu führen Männer und Frauen sich stritten, den Krüppeln
nach zum Siechenhaus. Alles Volk aber wälzte sich
schweigend hinterher.
Iu den beiden Böhmen, die staunend und sprachlos
dem Zug wie einem Wundertier nachschauten, hatte sich
unversehens ihr Gastwirt hinzugesellt. „Waö, den kennt
ihr nicht?" hub er an, „den heiligen Franziskum aus
der Stadt Assisi? Denkt euch, er heißt eigentlich Ber-
nardone, und sein Vater lebt noch dort und ist ein
reicher Tuchhändler. Und dieser Franziskus hat einst-
malö in Saus und Braus gelebt, und wo ein Fest war
in Assisi, war Francesco dabei und saß, ein Narren-
zcpter in der Hand, obenan. Aber eineö Tages hat er
dieseö verlassen, die Feste, die Frauen und die Freuden,
und hat alles, was er nicht schon verschenkt hatte,
feierlich seinem Vater zurückgegeben, selbst das Hemd
vom Leibe, also daß er nackend war vor allem Volk,
und der Bischof ihn in seinen Mantel hüllen mußte.
,Fünfhunderttausend Lire könnte er jederzeit wieder
haben, wenn er zum Vater heimkehrte/ hat mir sein
Bruder erzählt, der jüngst mit Tuchballen nach Rom
reiste. Aber er hungert und bettelt lieber und schläft
auf den Kirchentreppen. Fünfhunderttausend Lire im
Stiche zu lassen, denkt nur! Darum nenne ich ihn
stets heimlich einen ,pa22oft einen Narren, wie die
andern ihn laut einen Heiligen heißcn. Aber im Grunde
mögen xarrw und sauto gar nicht so verschieden von
einander sein!"
Unsere beiden Böhmen schienen wohl ein Gleiches
zu denken, sie betrachteten ihre stillen Bäuche, dachten
an ihre kleine, aber hübsche Pfründe daheim an der
Moldau und schüttelten verwundert die frommen Köpfe.
Das also war der Spielmann Gottes, von dem man
schon in deutschen Landen sprach, der die Armut über
alle Dinge heilig pries, der einem Bischof, der Stellen
in seinem Sprengel verkauste, den Stab zerbrochen
hatte, und der nicht mehr und nicht weniger als der
niederste von allen Brüdern sein wollte, die er um sich
versammelt hatte, und die gleich ihm ihr Hab und
Gut zuvor den Armen geben mußten! Wollte er mit
Jubilieren den Himmel auf Erden verdienen, statt mit
Fasten und Beten?
Ganz in Verwirrung gebracht folgten die beiden
biedern Böhmen ihrem Gastwirt, der sie am Armel
zupfte, in die Herberge, wo ein neu angekommener
Kanonikus aus Padua emsig vertiest über einer fetten
Ente nebst Bratäpfeln und Kartoffeln saß. „Störet
euch an jenen Bettelbruder nicht, meine böhmischen
Brüder!" hub er an, sie zu beruhigen, indem er vier
geröstete Maronen mit einem Iug Chianti hinunter-
spülte. „Essen und Trinken hält Leib und Seele zu-
sammen, und unser Herr Christus am Kreuze sprach
noch: ,Mich dürstet/ Fasten ist gut, aber Essen ist
beffer. Kommt! Trinket mit mir auf alle Länder,
darinnen Wein wächset!"
Den beiden frommen Priestern aus Prag wurde
jedoch nicht behaglich bei diesem Schlemmcrmahl. Wie
ganz anders hatten die Augen deö Heiligen vom Weine
Gottes geleuchtet, als die roten Auglein dieses vom
irdischen Most zwinkerten. So machten sie sich denn
beide, nachdem sie zum Schein ein paar Gläser mit-
getrunken hatten, vom Schenktisch fort und traten auf
die Straße zurück. Der Mond war inzwischen auf-
gegangen und warf Licht und Schatten um den Dom.
Als die beiden nun in ihre kleine Nische gehen wollten,
um vor dem Schlafen noch drei kurze Vaterunser zu
beten, sahen sie auf einmal das Eselein des heiligen
FranziskuS unter dem Kruzifix ftehen und ein Bündlein
Heu, das vor ihm auf der Straße lag, verspeisen.
Erschrocken blieben sie stehen, denn gleich daneben ge-
wahrten sie den Heiligen selbst im Schatten, wie er
ein paar Blumen in der Hand hielt, an denen er roch.
Es war aber eine schöne Zungfrau in Terni, die
später die Lieblingstochter der heiligen Klara, der
Freundin des Franziskus, wurde. Die dauerte es, daß
der Heilige auf bloßen Steinen schlafen sollte. Drum
hatte sie in den Winkel am Dom, wo jener zu ruhen
pflegte, schöne rote Rosen hingestreut, damit er auf