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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 2
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[Besprechungen und Notizen]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0086

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schönen Berge auf und über allem dre schön geballten dicken
Himmelswolken. Wem also dieses eine Kapitel über Cckermann
gefällt, der kaufe sich ruhig das Buch, das Ganze wird ihn dann
nicht enttäuschen. S.

ine Staalörechnung?

Natürlich gibt es so etwas wie den Helden dicses Schelmen-
stückes bei uns nicht; aber viclleicht finden einige Leser doch Ge-
fallen an dieser krauscn Art, bissig zu sein und diese Bistigkeit
selbst zu belächeln. Denen sei hiermit gesagt, daß der „Narren-
spiegel", aus dcm die „Staatsrcchnung" stammt, »on einem
Berner geschrieben ist, den seine Landsleute scherzhaft den Philo-
sophen von Bümplitz nennen. Ohne eigentlich litcrarisch zu scin,
sind die lustigen, auch wohl ernsten Stücke dieses Buches eine
amüsante und nachdenkliche Lektüre zugleich. Sie geben Schweize-
rischcs, aber auch cinen Traktat gegen den Goethezitaterich, selbst
eine Verspottung der Detektivromane fehlt nicht; und das ist
viclleicht am drolligsten, daß es Loosli damit gegangen ist wie
Hauff, als er mit seinem „Mann im Mond" Clauren verspotten
wollte und ihn nur mit einem Stück dcr gleichen Art übertraf:
diese Geschichte von der Geisterphotographie ist wirklich ein
spannendcs Kunststück, bei dem man bedauert, daß dcr Autor
sonst in barocken Randgloffen stecken bleibt; man möchte meinen,
es stäke mehr in ihm. S.

oya-Ausstellung in Frankfurt a. M.

Cs gibt Mcnschen, die, von krankhafter Leidenschaft ge-
trieben, ihr Leben lang nach höchsten Aielen hasten, während ihre
Mße im Genuß des Alltags stecken bleiben; Genies, deren Flügel
freiheitdurstig gegen die cngen Maschen dcs Talents schlägt und
doch, ungeberdig, unverständig und unbeständig, sie nicht zu weiten
noch zu durchbrechen vermag. Sie stellen einen T"pus dar, der
in Verfallzeiten von Völkern oder Geschlcchtern sich mehrt, wenn
unglückliche Konstellationen die gesunde Fortpflanzung und Ent-
wicklung unterdrückcn. Jean Paul Friedrich Richter fand das
Wort „Grenzgenie" für sie, das nicht Spott, sondern ehrfürchtiges
Mitleid ausspricht. „Cin jeder halte sie heilig," sagte cr, „der
Höhere und der Niedere." Denn sie sind Mensch und Gott zu-
gleich; menschlichcr als Menschen, göttlicher als Götter. Sie
machen Wangen in Mitleid rot und Lffnen spröde Lippen zu
Stauncn und Bewunderung. Aber nic vermögen sie die reinc
lachende Frcude auszulösen, die große Kunst erweckt. Jmmer
bleibt ein bangcs Rätsel ungelöst, das sie sphinphaft dem Lau-
schenden oder Schauendcn entgcgenhaltcn. Und kein bedrückt
Fragender, der vvr sie tritl, nimmt eine beglückende Antwort mit.

So ist Francisco de Goya. Als Mensch haltlos von Ge-
nuß zu Genuß stürmend, als Künstler leidenschaftlich und genial,
ohne diese Leidenschaft und diese Genialität durch ein starkes
Talent zähmen zu können, schafft er Werk auf Werk, «on denen
fast jedcs einzelne verlangt, mit großem Maß gemeffen zu wcrden,
ohne daß es dies Maß erreichte. Cr fühlt das selbst, besitzt aber nicht
genügend Tatkraft und Ausdauer, die Kluft zwischen Genius und
Talcnt zu verringern oder gar auszugleichen, sondern bcginnt immer
von ncuem, ohne zu vollenden. So bleibt sein Leben ohne End-
ziel, ohnc Befriedigung; er wird verbittert gegen sich selbst, cnt-
lädt aber — wie Menschenschwäche tut — seinc Crbitterung gegen
den Nächsten; und ehe sein Leib verfällt, ergreift eine tllckische
Fäulnis seinen krankhaften Geist, dcr mit fiebriger Kunst in
grotesken, phantastischen und abstoßendcn Radierungen sich entlädt.

Wir hören, nachdem er vor wenigcn Jahren „entdeckt" wurde,
Goya jetzt den „Stammvater der modernen Malerei", des Jm-
pressionismus nämlich, genannt. Es wäre ein schlcchter Dienst,
den man jener reformatorischen Bcwegung in der zeitgenössischen
Kunst erwiese, wollte man sie durch diese Kombination aus die
Cpzentrizitäten eines kranken Genius zurückführen. Dcnn Goya,
dem seine Zeit durchaus nicht Anerkennung und Chren vcrsagte,
und deffen vielseitiges Anpaffungsvermögen ihn Hofmalcr sogar
und Akademiedircktor werden ließ, zeigt in der bestrickenden Im-
pulsivität sciner Werkc nur ein Stil gcwordenes Nichtkönnen.
Und nicht was er wirklich konnte, sondern die Grenzen seines
Könnens haben ihm den posthumen Ruhm eines Stammvaters
des Ampressionismus cingetragen. Die Verwandtschaft, vielmehr
die Ahnlichkeit seiner Kunst mit dem modernen Impressionismus

" Verlag Unionsdruckerei, Bern.

scheint wenig mehr als äußerlich. Fünfzig Iahre lang nach
seinem Tode ging die Kunst Wege, von denen keiner auf ihn
zurückführt. Und das Problem der Lichtmalerei, auf dem dcr
^mpressionismus sich ausbaut, cntstand aus den neuen Fordcrungen
eincr neuen Zeit, nicht aber aus kunsthistorischer Grabschnüffelei.

Goya ist nicht als Glied einer Kette, sondern als „pathologische
Cinzclerscheinung" von überraschendcr Ausdrucksfähigkeit anzusehn.
Jn günstigen Stunden schwang er sich zur Größe des Augen-
blicks auf, seine Gesamterscheinung aber bleibt ein Fragment
aus disharmonierenden Einzelheiten.

Der Frankfurter Kunstverein hat eine Goya-Ausstellung ver-
anstaltet, die seine Stärken und Schwächen gut erkennen läßt,
im Hinblick auf das landlüufige Bild des Spaniers aber Manchen
enttäuschen wird. R- S.

me Erbschaft in Straßburg.

In eincm Saal der Straßburgcr Galerie, die in den oberen
Stockwerken des alten RohawSchlosses nicht übel untergebrücht
ist, sieht marr die Marmorbüsten zweier Männer einander gegen-
über ftehen, an denen vor der bildhauerischen Arbeit die feine
Cnergie der Köpfe auffällt. Cs sind Wilhelm Bode und dcr
Altbürgermeister Back, denen Straßburg diese Galerie in ihrem
alten Bestand verdankt. Dem klaren praktischen Sinn und dem
kenntnisreichen Geschmack der beiden Männer vereint ist es gelungen,
den Straßburgcrn einc nicht unbedeutende Sammlung alter Bilder
noch dann zusammenzubringen, als es nach der Gespanntheit
des Kunstmarktes schon unmöglich schien, ohne Niescnsummcn
etwas Bedeutendes zu erwerben.

Nun hat die Arbeit der beiden Männer noch eine besondere
Anerkennung gefundcn durch eine Schenkung, die der verstorbene
Verlagsbuchhändler Karl Trübner dem Museum machtc und die
nun nach dem Tode seiner Gattin in Kraft tritt. Cr vererbte
dcr Galerie nicht nur zwölf alte Bilder, darunter besonders ein
Botticelli gerühmt wird, sondern auch noch einen Fonds von
250 000 Mark, deffen Iinsen zum Ankauf alter Meister zu ver-
wenden sind. Mit der besonderen Bestimmung, daß auch hierfür
kcinerlei städtische Kunstkommissionen sondern allein Bode oder
der Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums nach ihm die Cnt-
scheidung zu treffen hat. Damit ist das persönliche Regiment in
dieser Galerie fürs erste gesichert und ihren Gründern ein Der-
trauensvotum von sehr praktischer Wirksamkeit ausgestellt. S.

ltherr-Ausftellung in Elberfeld.

Die Arbeiten, die Alfred Altherr im Rahmen einer „Bürger-
lichen Wohnungs-Ausstellung" in Clberfeld zeigt, erwecken eine
Freude, daß trotz dem schwächlichen Niveau eines tatenfroh bc-
gonnenen „Kunstgewerbes", deffen „stärkste" Seite zurzeit eine
antiquarische Biedermeierei ist, doch noch Aukunft in uns stcckt.
Cs wäre unsinnig, wollte man diese Hoffnung auf Kommendes
von gegenwärtiger Vollkommenheit abhängig machen. Die Tat-
sache, daß ein überaus feinfühliger Künstler zugleich ein praktischer
Könner ist, mag selbstverständlich erscheinen, überrascht aber dennoch,
wenn man die gesammelten Crsahrungen der letzten Cntwickelungs-
jahre unscrer Innenarchitektur aneinanderreiht und vergleicht. Be-
sonders crfreut die Wahrnehmung, daß cs nicht unbedingt nötig
ist, formlich und schmucklich askctisch zu sein. Man vcrsucht,
uns das einzureden; versucht, uns zu überzeugen, daß Schönheit
und Aweckmäßigkeit nur in der schlichten Konstruktionsform steckten,
und daß jeder Schmuck von Ubel sei. Aber das ist nicht wahr;
nur ist unsere Zeit als Gcsamtbild noch nicht reif genug, die
Schönheit, die in der reinen Awcckform unbedingt enthaltcn ist,
cbenso selbstverständlich zu bewahren, wenn es ans „Schmücken"
geht. Das Bedürfnis, zu schmücken, ist durchaus mcnschlich.
Weshalb wollen wir unmenschlich sein? Besonders, wenn wir
uns einer Tat gegenübersehn, die mit lebendiger Kraft durch
trockene Thcorien bricht?

Über die Altherrschen Arbeiten soll hier nicht das letzte Wort
gesprochen sein. R. S.

eigener Sache.

Seit dem I. Ianuar d. I. ist Herr Robcrt Schwerdtfeger
in die Rcdaktion eingetreten. Ich stelle ihn als Erzähler^in dieser
Nummer vor; er wird scine kleinercn Beiträge R. S. unter-
zeichnen. W. Schäfer.

Herausgcber: Wilhelm Schäfcr, Verlag der Nheinlande G. m. b. H. Druck A. Bagel, Düffeldorf. Papier: I. W. Aanders, B.-Gladbach.
Alle für die Redaktion bestimmten Scndungen sind an den Herausgeber W. Schäfer, Dallendar, erbeten.

Für unverlangte Manuskripte und Rezensionsepemplare wird keine Verpflichtung übernommen.
 
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