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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 4
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[Besprechungen und Notizen]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0160

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laufen ist; oder man denkt an die Wette, der wir den „Aer-
brochenen Krug" verdanken sollen. Jedenfalls, wem diese Griselda
gefällt, die eigentlich Graf Ulrich heißen müßte, der laffe sich die
Komödie von Heimann nicht cntgehen: es ilt da eine Neuigkeit
am Werden, eine Art von Manneskrankheit, die wir noch wenig
kannten. Jm Crnst.

Die Griselda selber ist lcider ein wenig die Gärtnerin auf
dem italienischen Bild im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin,
sehr rustikal bekleidet, aber ein bißchen in der Glorie. Gerhart
Hauptmann ist kein Kraftmensch, und in dcr Renaiffance würde
ihn selbst der Jakob Burckhardt nicht gcbrauchen können; aber
weiblich ist er gewiß nicht, so erstaunt geht er mit seinen Fraucn
um. Er ist ein moderner Mann, wie er cin moderner Mensch
ist; seine Kaiser-Karl-Lcgcnde war ein verfrühtes Greisen-Bekennt-
nis, das ihm darum mißlang. Aber hicr ist ein Mann, wie er ihn
sich wohl ersehnen mag, ein leidender Mann, aber kein sentimen-
taler. Jch kann dir wirklich nicht helfen, licbes Publikum, es ist
ein selten schönes Stück und eine sehr eigcne Dichtung, trohdem
es manchmal ein bißchen shakespearisch auf den Treppen bollert.

S.

eue Reiseführer.

Die Sternchen im Baedeker haben schon manchen Reisenden
gcärgert, der nicht mit gemeinem Maß gemeffen sein wollte, und
wenn er trotz dem Protest der Jntelligenz den roten Führer weiter
bei sich behielt, geschah es, werl eben kein anderer da war. -
Nun leitet B. Behrs Verlag in Berlin mit einem Führer durch
die Ncichshauptstadt ein neues Unternehmen ein, das „mit bewußter
Subjektivität neben die .... bewußt objektiven Führer tritt". Der
vorliegende Band Berlin gibt ein Programm, das zweifellos
verlockcnd erscheint, trotz dem wenig schönen Sammeltitel: „Jch
weiß Bescheid in —Die neuen Fllhrer sollen den Reiscnden,
die in engere Beziehung zum xsnius lo«i zu treten beabsichtigen,
eine gediegenere Einführung sein als die üblichen Reiseführer. Cs
ist daher wohl jeder Seite moderner Großstadtkultur gedacht; ncben
besondcren Abschnitten über Architektur, Kunst, Musik und Literatur
stehn solche über Technik, Derwaltung, Sport, Börse usf., ja
neben „Hof und Gesellschaft" sind selbst die „lustigen Nächte"
und „dunklen Ccken und Winkel" nicht unberücksichtigt geblieben.
Der Herausgeber beabsichtigt durch diese Mannigfaltigkeit der
Gesichtspunkte allen Jntereffen gerecht zu werden, um so mehr
als jcder Abschnitt seinen besonderen mehr oder weniger kompetenten
Autor hat, der wahrscheinlich, wie es ja auch in der Absicht des
Unternehmens liegt, „bewußt subjektiv" ist.

Bci einiger Überlcgung wird die Freude an dieser Loslösung
vom Baedekerschema doch durch die Skepsis verdrängt. Jst dieser
„persönliche" Neisefllhrer für selbständig denkende Neisende nicht
noch viel lästiger als der unpersönliche Bacdeker? Vor allem,
wenn die Führung, wie z. B. durch Berlins Bautcn, so schars
kritisch ist, daß zwischen den Acilen von vornherein jede abweichcnde
Meinung als ungehörig zurückgewiesen wird? Jst es für den
gebildetcn Reisenden, der sich führen laffen will, nicht viel an-
genehmer, von einem mechanisch funktonierenden Führer ohne
„individuelles Urteil" bedient zu werden, als von einem, der ihm
nicht nur vielleicht widerspricht, sondern ihm ganz cinfach das
»orenthält, was seiner Ansicht nach nicht der Beachtung wert ist?
Und für diese Reisenden ist der Führer doch besonders gedacht.

Ich glaube, so schön der Gedanke erscheint, in dieser Aus-
führung ist er nicht sruchtbar. Es ist sicher sehr erfreulich für
den lernbcgierigen aber eiligen Reisenden, von kundiger Hand die
kllrzesten Wege zur Kenntnis des sremden Bodens geführt zu werden
und so alle Umwege und alles Unnötige zu vermeiden. Aber
zu einer eiligen Orientierung reicht die Schematisierung und
Organisation dicses Führers nicht aus. Cr will immerhin
vorher in einigen ruhigen Stunden gelesen sein. Und währcnd
der „individuelle" Teil sehr ausführlich ist, kommt der rein sach-
liche ziemlich schlecht weg, so daß ich das Gefühl habe, als müffe
man sich nebenbei doch noch eines sachlichen Führers bediencn.
So wie der Band Berlin vorliegt, ist er kcin Buch für Durch-
reisende. Wer sich aber näher mit dem fremden Boden bekannt
machen will, dem genügen auch die zum Teil feuilletonistischen
Plaudereien nicht, sondern er wird sich nach gründlicherer Lektüre
umsehn. So verdienen zum Beispiel Seemanns „Berühmte
Kunststätten", von denen jetzt 45 Bände erschienen sind, an dieser
Stelle gewiß der Crwähnung. Sie führen, von vielen guten Ab-
bildungen unterstützt, — die wenigen schlechten Abbildungen in

„)ch weiß Beschcid" wirken vollkommen überflüssig — leicht und
angenehm in die alte und ncue lokale Kunst ein. —

So verführerisch also im Anfang das Programm dieses
Städteführers crscheint, der, modern wie er zu sein beansprucht,
doch wieder nur ein Prinzip neu belebt, das zur Aeit der Post-
kutsche wohl gemäß war und Vorfahre der mit allem praktischen
Nafsinement organisicrten zeitgemäßen Neiseführer ist (ich erinnere
nur an die „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" und
an den Rheinischen Antiquarius des guten Christoph von Stram-
berg), so kann man am Cnde doch nicht umhin, liebevoll an den
fllr die Unrast unsrer Zeit unentbehrlichen Baedcker zu denken.
Denn was man auch gcgen die Sternchen und gegen die Auf-
zählung von Reichspostgebäuden und ähnlichem Gelichter als
Sehenswürdigkeiten sagen kann, seine praktischen Vorzüge und seinc
Zuverlässigkeit sind unübertrefflich. Der Versuch einer allgemein
gültigen kritischen Führung ist freilich interessant genug, um ab-
zuwartcn, ob er sich zur erfolgreichen Nutzbarkeit auswachsen wird.

N. S.

Dom zu Aachen?

Als die der Neuentdeckung des deutschen Mittelalters zu-
gewandten Bestrebungen der Romantiker in Aachen in den ersten
Iahrzehnten nach dem Abzug der Franzosen das Jnteresse für
die mittelalterliche Dergangenheil der Stadt weckten, da hat die
zuerst noch recht unsicher auftretende Lokalforschung sich auch bald
des Münsterstoffes bemächtigt und zwei historische Beschreibungen
des Münsters gezeitigt, die cine von Nolten 1818, die andere
von Q.uix 1825. Aber erst der berühmte Kenner und Dorkämpfer
der Gotik Franz Bock kam gegen Ende der sechziger Jahre zu
wissenschaftlich bedeutsamen Ergebniffen in bezug auf die gvtischen
Anbauten der karolingischcn Pfalzkapelle und würde auch in
hohem Alter noch eine Beschreibung des ganzen Bauwerks ver-
sucht haben, wenn ihn nicht der Tod seinen Vorarbciten entrissen
hätte. So blieb die Untersuchung der karolingischen Urkirche
vornehmlich dem rüstigen Forschungseifer des Aachener Profeffors
Buchkremer überlaffen, der die Arbeit Nhoens mit größerem Ge-
sichtskreis und eindringenderem Derständnis fortgesetzt und seine
Rcsultate in mehreren größeren Aufsätzen, welche die Ieitschrift
des Aachener Geschichtsvereins brachte, niedergelegt hat. Aber
seine Resultate bsieben nicht ohne Widerspruch, und besonders
als der bekannte, der Restauration des Münsters dienende Karls-
verein nachdrücklicher an die Aufgabe herantrat, die seit der Cnt-
fernung der barocken Stuckornamente jahrzehntelang kahl und
nüchtern starrenden Wandflächen mit cincm der ursprünglichen
Form möglichst cntsprechenden Schmuck zu bekleiden, entstand
eine umfangreiche Streitliteratur, in der Cinheimische und Fremde,
Berufenc und Unberufene ihre Stimme erhobcn und aus der, so
bestimmt auch einzelne Behauptungcn aufgestellt wurden, doch
als das sicherste Crgebnis nur das eine hervorging, daß wir über
die Baugeschichte des ehrwürdigen Münsters, je höher sie in die
Jahrhunderte hinaufreicht, um so mehr im unklaren gelaffen sind.
Cs könnte nun die Frage aufgeworfen werden, ob zu ciner Zeit,
wo große Geldmittcl zur Derfügung gestellt worden sind, um
durch Ausschachtungsarbeiten im Jnnern der Kirche eine Klärung
mancher Streitpunkte zu erzielen und überhaupt das Dunkel
dcr frühesten Zeit möglichst zu lichten, es angebracht war, ein
zusammenfaffendes geschichtlich-beschreibendes Monumentalwerk,
wie es das Werk Faymonvilles trotz seines bescheidenen Titels
ist, herauszugebcn. Faymonville hat diese Frage nicht gestellt,
im Gegenteil seiner Vcrwunderung Ausdruck gegeben, daß ein
solches Werk über dic historisch bedeutendste Kirche diesseits der
Alpen noch nicht geschrieben sei. Der Grund der Verzögerung
mag in den vorhin geschilderten Umständen oder m der Höhc
der Herstellungskosten liegen, für die selbst Bock eine gewiffe
Deckung in vorausgesandten Subskriptionslisten suchte. Wir müffen
dem Derfaffer dankbar sein, daß er viele Iahre einzig und allein
dicscm Unternehmen scine sachmännische Kraft geliehen und die
hohen Kosten nichl gescheut hat, um durch die Aachener Verlags-
und Druckerei-Gesellschaft ein Werk herstellen zu laffen, das in
seiner ganzen Ausstattung und besonders in seinem reichcn Jllu-
strationsschmuck des bebandelten Gegenstandes durchaus würdig
ist. Die Anlage des in I ö Kapiteln gegliederten Ganzen entspricht

° vr. Karl Faymonville: „Der Dom zu Aachen und seine
liturgische Ausstattung vom ?. bis zum 20. Jahrhundert". Kunst-
geschichtliche Studie mit 188 Abbildungen und 5 Tafeln. München,
Verlag von F. Bruckmann A.-G., 190-,

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