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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 6
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Sutter, Otto Ernst: Gartentagebuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0235

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Gartentagebuch.

2. April.

Um das Hüttlein läuft jetzt ein leichtes Lattenspalier,
an dem ich Kürbiffe ziehen und Feuerbohnen spinncn
lassen will. Die Beete haben sich schön abgesetzt, und
ich warte täglich auf die Krokusse und das Blühen des
Seidelbasts.

4. April.

Beim Gießen sah ich, daß die ersten Krokuöblättchen
den Boden aufstießen und ihre blassen Spitzen wie
Fühler hervorstrcckten. Welche Krast in solch einem kleinen
Pslänzlein verborgen ist. Treibt sein Schößlein durch
die Erde zum Licht und schürft keck die Decke auf.
Senkt seine Würzlein in die Tiese und schlürft und
trinkt die köstlichste Nahrung. Kaum ist der erste Sonnen-
strahl auf die zitternden Keimblätter gesallen, saugen
sie die kosende Wärme und werden grün. Recken und
winden sich und sind über einen sonnigen Mittag stark
geworden. Und nun lachen sie die Sonne an und
können nicht genug Licht und Wärme in sich hineintun.
Wie so ein Pflänzlein aufsprießt und sastig wird, Knösp-
lein treibt und eine leuchtende Blüte erschließt, Tag für
Tag zu beobachtcn und an seinem Gedeihen dann und
wann durch ein Tränklein mitzuhelfen, ist ein unsagbar
schöneö Glück.

10. April.

Zehn hochstämmige Rosenbäume umsäumen jetzt den
mittleren Weg des Gartens. Jn einem alten „Rosen-
buch" (das keinen Verfasser nennt) habe ich mir Rat
geholt und zwei Arten gewählt, Teerosen und eine Art
rotblütiger Herbstrosen.

20. April.

Drei Tage nur hat der Seidelbast geblüht, und schon
hängen kleine Beeren an den weißschimmernden Zweig-
lein. In tiefcm Gelb und mattem Lila stehen die Kro-
kusse in dichten Büschen beieinander, als wären die Töne
nach feiner Wahl zusammengestimmt.

Ein paar vorwitzige Gräslein mußte ich heute jäten,
und fast hätte es mir leid getan, die zarten Schöße
auszurupfen. Als ich den Grund von ihren Wurzel-
ftöcken schüttelte, betrachtete ich sie in geheimem Staunen.
Ein seidenfädiges Schöpflein ist ein jedes, und seine
Haare sind wunderbar durchsichtig und gebrechlich. Und
doch vermögen sie im Erdreich zu bohren. Um das
Hüttchen und am Gartenzaun habe ich heute die Feuer-
bohnen gesteckt, mit den Kürbissen hat es biö Ende
Mai Zeit.

2. Mai.

Schon stechen die Bohnenkeime hervor und tragen
wie schirmende Hauben die braunen Fruchthüllen. Und
Beet auf Beet will ich jetzt bepflanzen. Bei einem
Gärtner, einem freundlichen Nachbar, hab ich mir Setz-
linge für den Sommerflor ausgesucht, ziegelrote Gera-
nien und Goldlack, vielfarbige Nelken und großblütige
Gänseblumen, Levkojen und kleine Lippenblütler, Ge-
orginen, Astern und violette Centaurien. Ein Geißblatt,
daö ich vom Wald hereingetragen und in eincr Ecke
eingegraben habe, ift gut angewachsen und windet seine
Ranken am Zaun empor.

18. Mai.

Heute habe ich die Kürbiskerne in die Erde gelegt
und, da sie just in diesem Jahr die letzten Samen sein
werden, ein fromm Sprüchlein dareingesprochen. Nun
mag es an ein Blühen gehen. Der Boden ist schon
sommerlich durstig und saugt gierig den sprühenden
Regen meiner Kanne. Auch die Blätter verlangen nach
dem tropfenden Naß, ihre Oberfläche zu waschen, und
glänzen im milden Licht des Abends. So klein mein
Garten ist, immer gibt es etwaö zu schneiden, aufzu-
binden und zu richten in den wenigen Stunden, die ich
draußen sein kann. Und die Hauöwurz auf dem Däch-
lein hält gut acht . . .

29. Juni.

Meine Haut ist verbrannt, die Hände sind schwielig
und die Glieder deö Abendö schwer und müde. Jch
lese eine Stunde und lege mich bald zur Ruhe, um am
frühen Morgen vor der Arbeit eine Stunde im Garten
sein zu können. Welche Wunder schafft die Nacht an
Strauch und Kraut, tränkt und badet Stengel und
Blätter und macht die Erde blank und andächtig.

Die Kürbisse treiben saftige Ranken und schlingen
sich am Spalier durch die Feuerbohnen, in deren Laub
die ersten roten Funken glühen. Langsam überschüttet
der Sommer die Erde mit Bluft und Flor.

ZO. Juni.

Mir ist die Stube voller Duft, die erste Rose hat
sich erschloffen. Am Sommerhimmel flimmerten lang
schon die Sterne, als ich heimkehrte.

Mitte Juli.

Jch wciß nicht mehr Tag noch Zeit, ein Blütenmeer
wogt draußen, und um und um zittert die Schönheit.
Die Aste und Zweige der Rosen beugen sich in Pracht
herab zu den Schwestern, die sehnsüchtig ihre Köpfchen
nach der Sonne wenden. Ein Summen und emsiges
Fliegen, ein Flügeleinschlagen und Honigtragen. Garten,
liebes Blütenland ....

IO. August.

Eine blaue Säule rauchte in den frischen Morgen,
von einem Häuflein verkohlter Brctter auffteigend, und
ein stechender Ruch schwälte in der Luft. Eine böse Hand
hat mir in das Hüttlein Feuer gelegt. Die Blumen, die
ihm zunächst ftanden, sind dürr und welk geworden,
das Spalier mit den Kürbissen und Feuerbohnen ist
verbrannt . . . und ein Rosenstämmlein sticht verkohlt
in die Luft . . . Was konnteft du helfen, arme Haus-
wurz, wenn Bosheit in der Nacht mein Glück zerstören
wollte? Konntest nicht wehren. Der Wolken Blitze hieltcst
du treulich ab und bewahrtest die Schutzbefohlenen vor
Hagel und Stürmen, aber cin bübisch Werk konntest du
nicht verhüten ....

25. August.

Eine neue Hütte steht gezimmert, und auf ihrem
roten Dach nistet eine neue Hauswurz. Und der Garten
ist eine einzige schöne Blume ....

2O. September.

Der Seidelbast hat brennendrote Beeren und die
Bohnen hängen voller Schoten. Jch bat die Frau deö
nachbarlichen Gärtnerö, sie zu pslücken. Eine goldene
 
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