Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Schmidt, Paul Ferdinand: Der Zeichner Wilhelm Kalb
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wilhelm Kalb. Fiillrn bei der Muttcr.

daß aber sein eigensteS Wesen sich restloS nur in seinen Zeichnungen erschließt, die völlig abgcschloffene
Gebilde sür sich darftellen. Und dabei sind seine Zeichnungen gar nicht linear, sondern ganz weich
und malerisch, eine Träumerei voll musikalischer Reize und Tonwerte. Ihr besonderer Reiz liegt
nicht in dem Vorbercitenden einer KompositionSstudie, welche Massen und RhythmuS der Linien im
Hinblick auf künftige bildmäßige Verwendung ordnet; und wenn sie skizzenhaft scheinen, so liegt der
pspchische Grund für ihr NichtauSgeführtsein keineSwegS in der Sorglosigkeit, später einmal alles
nachholen und Flüchtigkeiten verbessern zu können, sondern in der Anschauung des Malers, der dem
Harten und Beftimmten ausweicht und die entschiedenen Konturen vermeidet. Wer die Dämmerung
liebt wic Kalb und die ungewissen und schwermütig-süßen Stimmungen, die auS ihrem Zwielicht
aufsteigen, der wird mit Notwendigkeit zu einer ganz weichen und andeutenden Behandlungsweise
kommen. So tragen scine Zeichnungen ihre Bestimmung in sich selbft: Zeugnis abzulegen von der
Ergriffenheit ihres UrheberS vor der Natur. Und ihre Abgeschloffenheit müßte darum einc so an-
deutende, ganz malerischc sein, weil ihr Gegenstand den lauten Ton und die Begrenzung deö Linearen
nicht verträgt. Auch ift das nicht ein Widerspruch: gerade der ImpressioniSmus hat uns gelehrt,
daß in Zeichnungen keineswegs nur plastische und harte, sondern auch ganz maleriscbe und tonige
Grundwerte fteckrn können; daß malerisch ein Begriff ist, den man sogar auf die Skulptur anwenden
kann, und daß eS nicht die Technik, sondern die Empfindung und Auffassung ist, die den Charakter
eineS KunstwerkeS beftimmen.

Eine Empstndung ift es vor allem, die in allen Blättcrn Wilhelm Kalbs wiederkehrt und ihr
WertvollsteS ausmacht; die sie herauShebt vor vielen andern, wenn es auch einer Gewöhnung des
Auges an seine Nuancen und eineö eigenen Mitschwingens der Seele bedarf, um den Grundwert
dieser Blätter zu fühlen und ihr EigensteS sofort als aristokratische Absonderung herauSzufinden.
Denn man kann ihnen nicht mit äußerlichen Mitteln nahekommen, da ihre Bedeutung so rein im
Seelischen wurzelt; Seelisches aber durch das Medium der Materie hindurch wahrzunehmen, dazu

I>2
 
Annotationen