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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 5
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Tafel, Hermann: Otto Reiniger
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0167

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Abb. I. Otto Reinigert Gelber Feuerbach. Aus dem Jahre I8-Z. (Museum der bildenden Künste, Sluttgart.)

Otto Reiniger.

/^»'s war zu Beginn deS Sominers von 1889. Wir saßen da in der Münchner Wilhelm Diez-Schule herum,
» denn es war gerade Modellpause, und wir pslogen eine Unterhaltung von jener urbanen Art, wie sie eben
in der Diez-Schule gebräuchlich war und an der gewöhnlich auch die Modelle, insbesondere die weiblichen,
regen Anteil nahmen. Da plötzlich stürmten unsere zwei '„Primadonnen", die beiden inzwischen recht bekannt
gewordenen: Max Slevogt und Heinrich Lefler herein, mit Hurra-Hoch von uns begrüßt. Denn wir wußten,
diese beiden brachten Neues; kamen sie doch von der soeben eröffneten Ersten Jahresausstellung, die vom histori-
schen Standpunkt aus als erste wogende Welle zu der inzwischen gigantisch angewachsenen Ausftellungssintflut
gelten kann. Und sie fanden aufmerksame Zuhörer in dem kleinen Kreise; immer und immer wieder jedoch
kamen sie auf eine Landschaft zurück, die das Schönfte und Merkwürdigfte der ganzen Ausftellung sei. „Du
solltest ihn doch kennen!" wandte sich Slevogt an mich — „er ist ja von Stuttgart und heißt Reiniger." Himmel,
das schlug ein! War es denn möglich, mein alter Freund Reiniger, dem sie ja das Jahr zuvor noch eine italienische
Landschaft zurückgewiesen hatten und nun dieser Ersolg, der sich im Verlaufe der Ausstellung zu einer Goldenen
Medaille verdichtete! Und die Medaillen waren damals noch nicht so brombeerenbillig, wie sie es später geworden
sind. Eine halbe Stunde später ftand auch ich vor der Landschast. Ein müder Märzabend im Feuerbachtal, dem
so manches der schönften Werke Reinigers entstammt. Dürre Erlenstämme ftrecken ihr Gezweig in die Lust und
umsäumen das herabrauschende, silbern schimmernde Bächlein. Mit schwachem Scheine durchbricht die Sonne den
bleiern grauen Himmel und wirst einige matte Lichtstreifen aus das Wiesenland. Ein Mann und ein Weib tun
noch die letzte Feldarbeit. Es ist heute nicht leicht, den Eindruck dieses Werkes inmitten der andern Bilder zu
schildern. Einzelne sprachen von Nüchternheit, sie meinten vielleicht die seinen naturgrauen, etwas an den damals
so verehrten Baftien Lepage anklingenden Töne, aber sie trafen nur den starken intensiven Wirklichkeitssinn Reinigers
damit. Man ließ den Blick von dieser Landschaft aus die andern ringsum schweisen und etwas Jllustratives,
Gemachtes, wenn auch noch so slott Gemachtes, erklang wohl aus faft allen. Die seinsten Geister der Münchner
Künstlerschaft sühlten gar wohl das Walten und Wehen einer reinen und unverbrauchten Naturkraft in diesem an
keinerlei Schule und Richtung erinnernden Werke, daö bei aller Objektivität der Anschauung so stark persönlich
war. Hier erklang zum ersten Male jene wunderbare Kraft organischen Gestaltens, wie sie in den nächstfolgenden
Jahren daS Schaffen Reinigers ersüllen sollte. Auch ich sehe in dieser belebenden organischen Krast das Größte
an Reiniger; allein ich sah an diesem Erstlingswerk etwas anderes noch, was andere nicht sehen konnten. Reiniger,
der mit einer faft überreichen Phantasie und mit einem erstaunlichen Kompositionstalent auch in figürlicher Hin-
sicht Ausgerüstete, der sich ost zu den Iuspätgekommenen rechnete und als die seiner künstlerischen Persönlichkeit
am meisten zusagcnde Periode die deö heroischen landschaftlichen Jdealstils von Karl Rottmann und Genossen

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