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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 10
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Schäfer, Wilhelm: Von der Schweizerischen Landesausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0346

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Von der Schweizenschen Landesausstellung.

Krankheitsherde des Ungeschmacks aufweisen lassen, wie
sonst; und eigentlich nur die fürchterlichen Hotelbauten
der Kurorte und Alpenhochtaler zeigen die Entartung
der Baukunst, die in der ganzen europäischen Welt zum
Krankheitszeichen der modernen Kultur geworden ist.
Hunderte von kleinen Schweizerorten haben sich ihre
vorbildliche Bauerscheinung bis in unsere Aeit bewahrt
und sind über das dreißigjahrige Kriegselend der Reiß-
brett-Architektur ohne sonderlichen Schaden gekommen,
weil eine solide Tradition bürgerlicher Bauweise dem
modernen Iink- und Iement-Firlefanz standhielt.

Natürlich laßt sich diese bürgerliche Bauweise nicht
ohne weiteres auf große
Hallen übertragen; ja,
man könnte darlcgen,
daß sie eher hinderlich
ware zu ihrer internatio-
nalen Modernität: aber
wenn man im Jnnern
, vielfach eine ausgezeich-
nete Holzkonstruktion
statt der eisernen sieht,
könnte man sich denken,
daß der sachliche Geist
dieser Ausstellung auch
außerlich stärker gewor-
den wäre, wenn nicht
der Hoteldekorationsstil
überhand genommen
hätte. Wer die Ausstel-
lung von ihrem west-
lichen Kopfende, der
Länggasse aus betritt
und somit zunächst in
den Baukompler kommt,
den der Jngold ge-
schaffen hat (siehe die
beigegebenen Abbildun-
gen), wird freilich mit
einem günstigeren Ein-
druck auffangen, als wer
denHaupteingang ander
Neubrückerstraße wählt,
wo sich ihm in recht
formloser Gruppierung
die großen Restaurants
aufdrängen. Eigentlich
sind es zwei Ausstel-
lungsfelder, die hier ihre Nischen im alkoholfreien Restaurant.
verschiedenen Längs-

achsen unglücklich vereinigen und jede baukünstlerische
Organisation vermissen lassen. Da nun einmal die alte
Allee der Neubrückerstraße das Feld in zwei Teile zer-
schnitt, hätte man von ihr aus eine klare Orientierung
nach rechts und links versuchen müssen, statt sie nun
wie ein unvermeidliches Übel unbenutzt daliegen zulassen.

Leider ist die Lockung des Terrains beim Haupt-
portal nach rechts stärker als nach links, sodaß der Be-
sucher zunächst in die Baugruppe gerät, die einerseits
in dem Restaurant Studerstein, anderseits in der Kuppel
über der Nahrungs- und Genußmittel-Halle unschöne
Blickpunkte hat und in dem falschen Landschloß der ver-

einigten Schokoladen-Fabrikanten das aufdringlichste
Bauwerk der ganzen Ausstellung zeigt. Einmal in
diesen Plan geraten, sodaß ihm nur der Ausweg zwischen
Maggi- und Schokoladen-Pavillon oder Schokolade und
Kinema bleibt, braucht der Besucher dann nur noch an
das zerlegbare Kunstgebäude zu geraten, um alles
architektonische Autrauen zu verlieren, das sich erst bei
den Ställen hinter dem Sportplatz wiederfindet, um in
das heimatliche Wesen des „Dörfli" hineinzuspazieren.

Fühlt sich somit der fremde Besucher in der äußeren
Architektur von jenem Geist aufdringlicher Jnter-
nationalität empfangen, den er aus den schweizerischen

Kurortenkennt,sobraucht
er nur einige der Hallen
flüchtig zu durchwan-
dern, um alles Vorurteil
bald zu verlieren. Da
draußen, das ist noch
Fremdenindustrie, als
deren Opfer er sich un-
behaglich fühlt, hier drin-
nen aber ist das schweize-
rische Volk mit seiner
demokratischen Tüchtig-
keit: und wenn er Sinn
für Solidität, für Sach-
lichkeit, für Ordnung,
für gewerblichen Stolz
hat, wird er bald seinen
Hut abnehmen. Wir
Deutsche sind in unserer
Jndustrie, in unserm
Handel an andere Mas-
sen und Maße gewöhnt
als dieses Ländchen, das
mit seiner Bodenfläche
und Bevölkerung etwa
einer preußischen Pro-
vinz gleichkommt; auch
haben wir in Ieiten der
Notwendigkeit bewiesen,
zu welchem Aufschwung
wir fähig sind: diese Aus-
stellung aber als sachliche
Organisation vermöchten
wir nicht zu übertreffen.
Wir vermögen schwer
— die Werkbund-Aus-
(Arch. Jngold.) stellung in Köln hat es
wieder einmal bewiesen

— den Ernst und die Tüchtigkeit im Ganzen so durch-
zuhalten, wie es hier geschah. Gewiß, auch hier gibt es
Ausnahmen, und ich nannte schon die Schokoladen-
fabrikanten als beschämendes Beispiel: aber eben, daß
hier Ausnahme ist, was sonst leicht zur Regel wird,
das macht den grundsätzlichen Unterschied aus.

Jch will nicht von der großen Maschinenhalle sprechen

— die gewiß hauptsächlich deshalb so überraschend wirkt,
weil die Wenigsten der Schweiz eine so durchgebildete
Jndustrie zugetraut hätten — eher schon von der kleine-
ren Halle der landwirtschaftlichen Maschinen und Ge-
räte, die durch ihre saubere Präzision das erfreuende Aiel
 
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