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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 11
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Schäfer, Wilhelm: Die Deutsche Botschaft in Petersburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0379

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Abb. 18.

kostbare Stücke aus den Porzellanmanusakturen von
Berlin, Meißen und Nymphenburg.

Nicht minder weht in dem dritten der großen Ge-
sellschaftsräume der Geist der deutschen Kunst. An seiner
Hauptwand prangt ein von Arthur Kampf gemaltes
lebensgroßes Bild der Königin Luise im Park von
Paretz. Für diesen Raum diente der graziöse Empire-
stil des Schlosses Paretz zum Vorbild. Besonders für
die mit wertvollen Handstickereien verzierten Möbel aus
dunklem Rotholz. Auch der kreisförmig offene Kamin
in blaßrotem Marmory die Wandbespannung und der
Fußteppich halten sich in freier Nachbildung an die
einfachen und edlen Vorlagen jener Aeit. An den
Wänden hängen Stahlstiche alter Städte: Regensburg,
München, Hamburg, Bremen, Berlin, Frankfurt und
der Feste Königstein etwa gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts. Der Kronleuchter in diesem Raume, der histo-
risch wirken kann, ohne doch im geringsten eine be-
fangene Nachbildung zu sein, ist ein entzückendes Kunst-
werk, eine fein organisierte Wolke von Kristallen und von
durchsichtigen Glasblasen, die wir fast zu grob elektrische
Birnen nennen. — Die Hand des geübten Technikers
vcrrät sich auch an dem hier folgenden Speisesaal,
der aus den mattleuchtenden Feldern der Decke sein
Licht erhält. Dicser längliche, mit der Schmalseite auf
den Platz hinausschauende Raum mit seinenr riesigen
ovalen Tische und den zahlreichen Stühlen, die in einem
modern angewendeten Renaissancestil gehalten sind, zeigt
die Farben Weiß und Lichtblau. Die halbrunde Nische
in der Mitte der Seitenwand enthält einen -Zierbrunnen
mit einer Bronzefigur von Renker.

Der sogenannte Teeraum bildet den geraden
Durchgang zwischen diesem Speisesaal und dem Thron-
saal. Dieses in heller Olivenesche durchgeführte -Zimmer
ist kostbar und fast behaglich zugleich. Eö beherbergt
einen Schatz an berühmten Berliner Handzeichnun-
gen. Diese sind hinter Glasscheiben in die Felder der
Täfelung eingelassen. Die Nationalgalerie stellte für
diesen Raum aus ihren Mappen ein halbes Dutzend

Bronzegelander im Treppenhaus.

Handzeichnungen und Aquarelle von Menzel zur Ver-
fügung; die übrigen Felder enthalten je eine Gruppe
Studien von der Hand des Chodowiecki, Schadow und
Krüger, letztere meist Bilder von Kosaken und anderen
militärischen Typen aus den Freiheitskriegen. Nichts
lenkt ab von der Betrachtung dieser feinen Kunstwerke,
die den einzigen Schmuck des kleinen Raumes bilden;
das Holz der Decke und der Wände ist in seiner natür-
lichen Maserung verwendet, die Möbel erscheinen schlicht
und unauffällig. Als überraschenden Abschluß der einzig-
artigen Sammlung hier entdecken wir, den Menzelschen
gegenüber, einige Blätter von Liebermann: eine slotte
Porträtskizze des Fürsten Bülow und die feine, in
wenigen Strichen hingeworfene Ieichnung der Tochter
des Künstlers.

Konnte man im besten Sinn selbständiger und zu-
gleich moderner sein als bei der Einrichtung dieser Deut-
schen Botschaft? Wer diese mit erlesenem Geschmack ge-
stalteten Gemächer durchschritt und hindurchblickte durch
die scheinbar unbegrenzte Flucht der Staatsräume,
die in ihrer feinen Farbigkeit die ganze Längsachse des
Gebäudes zu Raum und sreier Bewegung erheben, dem
stieg ein Gefühl der Freude auf über diese Leistungen
unserer Kunstgewerbe, die doch kaum seit einem Jahr-
zehnt von überlebten ausländischen Einflüssen frei ge-
worden sind und ihr Aufblühen nicht zum geringsten
Teile Männern wie Behrens zu danken haben. Die der
öffcntlichen Betrachtung entzogenen Wohnräume des
Botschafters, das mit Kunstschätzen der Pourtalisschcn
Sanimlung gefüllte Arbcitszimmer, der kleine halbrunde
Speisesaal, die Diele, das Stiegenhaus mit deni Auf-
zug, die Kanzlei mit ihrem nüchternen und doch schönen
Vorraum sind nicht minder Meisterwerke der Raum-
verteilung und der Einrichtung. llberflüssig zu be-
merkcn, daß auch die nebensächlichen Einzelheiten dieses
Baues modern und mustergültig sind. Jedes Türschloß,
jede Fliese, jeder Beleuchtungskörper verrät an allem
Technischen geschulte Hand; Aentralheizung, elektrische
Schaltanlagen, Garderoben, Durchgänge und Nutz-

Z5?
 
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