Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

DOI issue:
Heft 12
DOI article:
Swarzenski, Georg: Eine deutsch-italische Künstlergeschichte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0410

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Abb. 11.

Kopf von Ghibertis erster Bronzetür, Florenz.
(Nach Abguß.)

Akb. 12.

Kopf des Stefaton.

Vom Kreuzigungsaltar in Frankfurt a. M.

Charakter und Wert der beurteilten Kunstwerke schließen?
Jst es hier nicht besonders bedenklich, da die zeitliche
Nähe, in der Ghiberti zu dem Deutschen steht, erfahrungs-
gemäß mehr zu schiefen als zu richtigen Urteilen führt?
Liegt nicht auch in der offenbar großen — für jene Aeit
vielleicht denkbar größten — Verschiedenheit der Kunst-
charaktere dieser Beiden ein entschiedenes Hindernis
für ein objektives Urteil? Man könnte darauf erwidern,
daß Ghiberti von Plastik immerhin mehr verstanden
haben wird, als wir! Aber auch, wenn man gründlich
sein will, wird man in jenen Einwänden eine Herab-
minderung seines Urteils nicht finden. Gerade Ghiberti
ist nicht nur Künstler, sondern zugleich ein feiner Kenner
und Sammler, feine ganze künstlerische Persönlichkeit
ist durch ein selten vielseitiges kunsttechnisches Wissen
und durch einen erlesenen Geschmack — also für den
Kritiker sehr wichtige Qualitätcn ausgezeichnet.
Für die Einschätzung seines Urteilsvermögens über
gotische und nordische Kunst fällt es aber denkbar günstig
ins Gewicht, daß er auch als Künstler mehr als irgend-
ein anderer führender Jtaliener der Aeit mit der älteren
gotischen Tradition verwachsen ist und von nordischer
Kunst viel gesehen haben muß. (Er verdankt ihr weit
mehr, als gerade die deutsche Forschung zugesteht!)
Man muß also ganz entschieden annehmen, daß derselbe
Ghiberti, den wir als einen der ersten Liebhaber griechischer
Antiken kennen, zugleich ein ganz ausnahmsweises Ver-
ständnis für die gotische Kunst des Nordens hatte. Der
Kölner Meister muß aber, obwohl wir ihn nicht kennen,
ein Meister ersten Ranges gewesen sein, seine Werke
müssen das beste sein, was es an deutscher Kunst in

Jtalien damals gab, und die Rechnung mit der künst-
lerischen ScRjektivitat von Ghibertis Urteil kann hierbei
nur insofern eine Einschränkung bedeuten, als man
ohne weiteres zugestehen wird, daß die Kunst jenes
Kölner Meisters ihrem ganzen Charakter nach dem
künstlerischen Wesen GhibertiS besonders sympathiscb
gewesen sein muß.

An diesen Qualitätsansprüchen scheiterten,von anderen
Gründen abgesehen, alle Versuche, Werke des großen
Unbekannten zu entdecken. Alles was an deutscher
Plastik der Aeit in Jtalien bisher bekannt war, steht
viel zu tief, als daß Ghiberti dafür sich hätte begeistern
können und jener Meister dafür-verantwortlich zu machen
wäre.

Die Arbeiten des Meisters, der die Kreuzigung in
Frankfurt geschaffen hat, übertrefsen bei weitem alle
deutschen Bildwerkd der Ieit, die sonst in Jtalien be-
kannt sind. Seine besten, eigenhändigen Werke sind das
beste, was es überhaupt in dieser Art gibt. Jhre ganze
künstlerische Art dürfte dem künstlerischen Charakter und
Geschmack Ghibertis, wie wir ihn aus seinen Werken
kennen, wohl sympathisch gewesen sein.

Jch will nun keine neue Hypothese aufstellen. Aber
Ghibertis Meinung von dem deutschen Meister ergibt
sich nicht nur aus der Art und Weise, wie und wo er
ihn behandelt, sondern auch aus ganz bestimmten Be-
obachtungen und Tatsachen, die er über sein Schaffen
beibringt. Während jeder andere Versuch als unmöglich
sich erwies, zeigt sich bei dem Kreuzigungsmeister, daß
es, selbst bei strengster Prüfung,jedenfalls möglich ist, in
rhm jenen großen Unbekannten Ghibertis zu sehen!

Z88
 
Annotationen