HEFT 10
LITERATUR
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Java, Jolo, Sumatra und Sumbawa sind die wichtigsten
Ursprungsgebiete; in 61 Exemplaren, die im Bilde vorge-
führt werden, lassen sich die wesentlichsten Formen ziem-
lich genau lokalisieren. Die seltsame Pata, das indische
Handschuhschwert, begegnet uns in der ebenfalls gut illu-
strierten Abhandlung von George Cameron Stone; die
Erinnerung an ähnliche Versuche maurischer Herkunft,
Schutz- und Trutzwaffe organisch zu verbinden, wird vor
diesen Tafeln wach. Der japanischen Waffengeschichte,
einer der Lieblingssparten Dr. Deans, gehört Howard
Mansfields sehr persönlich gehaltene Schilderung seines
Stichblatts von der Hand des großen Meisters Kareiye an.
Dieser Klassiker der japanischen Tsubakünstler lebte im
16. Jahrhunderts, seine Arbeiten stehen an Seltenheit und
künstlerischem Wert denen eines Hokusai oder Hiroshige,
auf ihrem Gebiete, nicht nach. Für Japansammler werden
die chronologischen Tafeln Robert Hamilton Ruckers,
die von 1400—1911 führen, von Wert sein. Was Fred Gil-
bert Blakeslee den Büchern der Bibel über die Waffen
bei den Israeliten entnimmt, darf als eine wirklich kriti-
sche Ergänzung der zahlreichen mehr oder weniger poe-
tisch erweiterten Namen und Bilder begrüßt werden, die
Historiker und Dichter aller Nationen den Taten des krie-
gerischen Hirtenvolkes gewidmet haben.
Auf technische Untersuchung beschränkt sich Thomas
Temple Hoopes, der die zwei Rasten des Abzuges in
ihrem entwicklungsgeschichtlichen Werden von der Arm-
brust des 14. Jahrhunderts bis zu den Stechermechanismen
der jüngsten Gegenwart mit großer Gründlichkeit be-
schreibt und abbildet. Derselbe Forscher hat auch die me-
thodologische Einführung in die Klassifikationsreihen ge-
schrieben, die William Goodwin Renwick für die Zün-
dung der Handfeuerwaffen ausgearbeitet hat. Im Anschluß
an das System Dewey hat sich der kenntnisreiche Samm-
ler die Mühe genommen, auf 37 Tafeln, die also rund 370
Einzelkategorien enthalten, alle vorkommenden Möglich-
keiten des Zündungsmechainismus zu registrieren. Nach
Dregers Vorschlag, dem übrigens Renwicks Klassifikation
zeitlich vorausgegangen war, kommen die Nr. 1721—5 und
1731—5 in Frage. Das Maß von Materialkenntnis, das in
den Tabellen und ihren Erläuterungen aufgespeichert liegt,
ist höchster Bewunderung wert. Wer einmal Gelegenheit
gehabt hat, das Archiv von Abbildungen und Messungen
zu sehen, das dieser Sammler besitzt, wird mit Neid auf
den schönen Fanatismus eines Spezialisten blicken, den die
glücklichsten Umstände zu solchen Ergebnissen geleitet
haben.
Die einzigen beiden Aufsätze, die sich mit Waffen der
alten Welt im engem Sinne befassen, haben, bezeichnen-
derweise, Helme zum Gegenstand. Carl Otto von Kien-
busch führt einen konischen Helm in der Form der per-
sischen Zischägge vor, den ein Nürnberger Meister in
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts mit figürlichen und or-
namentalen Atzungen bedeckt hat. Da das höchst eigenar-
tige Stück aber auch noch die berühmte Marke des Arse-
nals der Irenenkirche trägt, darf man, dem Exegeten fol-
gend, an einen polnischen oder ungarischen Eigentümer
glauben, der sein Leben in einem der Türkenkriege und
diese seine ritterliche Zier in den Händen eines seiner
mohamedanischen Gegner ließ. Handelt es sich hier um
ein hervorragendes Einzelstück, so geht George Angus
Douglass in seiner Abhandlung „The Barbute“, der Ge-
schichte der italienischen Schaller an der Hand der Schrift-
und Bildquellen ebenso wie an derjenigen der Denk-
mäler selbst nach. Da lernen wir, von der Mitte des
14. Jahrhunderts ab, die Haupttypen dieses charaktervollen
Helmes kennen, den mit offnem Gesicht, den T-förmigen
und den sogen, korinthischen, und verfolgen ihre Verbrei-
tung bis ans Ende des 15. Jahrhunderts. Und bedauern, bei
dem künstlerisch vielseitigen Reichtum dieser Waffe, daß
uns gerade hier das Bild selbst versagt bleibt.
Zweiunddreißig Namen zählt die Mitgliederliste der ameri-
kanischen Vereinigung, die sich dem Studium der Waffe wid-
met. So bedrohlich aber der Wettbewerb der immer wach-
senden Schar ernsthafter und opferfähiger Sammler jen-
seits des großen Teiches auch für uns Sammler und Hüter
des alten Besitzes an Wehr und Waffen in Europa ist, so
aufrichtig darf man sich des Eifers freuen, auch in der
wissenschaftlichen Forschung und Deutung der Waffe es
den Fachgenossen der alten Welt gleichzutun. Daß dies
Ziel nicht mehr außerhalb Reichweite liegt, dafür ist die
Bashford Dean-Festschrift jetzt der gewichtigste Zeuge.
Erich Haenel.
Elisabeth Moses. Der Schmuck der Sammlung W. Cle-
mens. Kunst-Gewerbe-Museum der Stadt Köln.
Ein ungemein ertragverheißendes und noch wenig er-
schlossenes Teilgebiet der historischen Kostümkunde ist der
Schmuck im weitesten Sinne gefaßt. Von der einfachen
Schließe bis hinauf zum kostbarsten Zierat an Hals und
Hut lassen sich hier dank der Dauerhaftigkeit des Mate-
rials im Gesamtbereich von Kunst und Kultur die am wei-
testen zurückreichenden Entwicklungsreihen herstellen,
ganz zu schweigen vom vergänglichen Kostüm, von dem
sie auf weite Strecken fast die einzigen aufschlußreichen
Spuren hinterlassen haben. So begrüßen wir denn mit
aufrichtiger Freude die musterhafte und liebevolle Veröf-
fentlichung der kostbaren Schmucksammlung W. Clemens
im Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln, mit der die Ver-
fasserin den Sammler und hochherzigen Stifter ebenso
wie sich selbst Ehre erweist.
Obwohl nur das Kostbarste behandelt wird, beläuft
sich allein die Zahl der mustergültig abgebildeten Stücke
auf 151, von denen zurückreichend bis in die Antike und
frühchristliche Zeit zwei Drittel dem Mittelalter ange-
boren. In Anbetracht der Seltenheit eine stattliche Zahl,
mit der sich u. W. nur Cluny und die ehern. Sammlung
Figdor in Wien messen können. In größeren Sprüngen
geht es dann durch Renaissance, Barock und endet im
Empire. Der vom Sammler angestrebten Vollständigkeit
der mannigfaltigsten Techniken werden die mustergültigen
technischen Erläuterungen gerecht. Vor allem versteht
Verf. die, wie uns scheint, fast überall zeitlich und lokal
richtig bestimmten Arbeiten in treffender Formanalyse
dem Gesamtstil der Zeit einzuordnen; und, ohne im
Kleinen sich zu verlieren, wird mit offenem Blick ge-
zeigt, wie sich auch im minutiösesten Objekt das Kunst-
wollen der Zeit spiegelt.
Vom kostümlichen Standpunkt beanspruchen nament-
lich die unmittelbar am Kleide getragenen mittelalter-
lichen Zierate, Agraffen unsern Anteil, von dem eine
Reihe köstlicher Beispiele in Bronze und Schmelztechnik
aus romanischer und gotischer Zeit, auch eine große Aus-
wahl entzückender Pilgerabzeichen und Nadeln in Blei
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Java, Jolo, Sumatra und Sumbawa sind die wichtigsten
Ursprungsgebiete; in 61 Exemplaren, die im Bilde vorge-
führt werden, lassen sich die wesentlichsten Formen ziem-
lich genau lokalisieren. Die seltsame Pata, das indische
Handschuhschwert, begegnet uns in der ebenfalls gut illu-
strierten Abhandlung von George Cameron Stone; die
Erinnerung an ähnliche Versuche maurischer Herkunft,
Schutz- und Trutzwaffe organisch zu verbinden, wird vor
diesen Tafeln wach. Der japanischen Waffengeschichte,
einer der Lieblingssparten Dr. Deans, gehört Howard
Mansfields sehr persönlich gehaltene Schilderung seines
Stichblatts von der Hand des großen Meisters Kareiye an.
Dieser Klassiker der japanischen Tsubakünstler lebte im
16. Jahrhunderts, seine Arbeiten stehen an Seltenheit und
künstlerischem Wert denen eines Hokusai oder Hiroshige,
auf ihrem Gebiete, nicht nach. Für Japansammler werden
die chronologischen Tafeln Robert Hamilton Ruckers,
die von 1400—1911 führen, von Wert sein. Was Fred Gil-
bert Blakeslee den Büchern der Bibel über die Waffen
bei den Israeliten entnimmt, darf als eine wirklich kriti-
sche Ergänzung der zahlreichen mehr oder weniger poe-
tisch erweiterten Namen und Bilder begrüßt werden, die
Historiker und Dichter aller Nationen den Taten des krie-
gerischen Hirtenvolkes gewidmet haben.
Auf technische Untersuchung beschränkt sich Thomas
Temple Hoopes, der die zwei Rasten des Abzuges in
ihrem entwicklungsgeschichtlichen Werden von der Arm-
brust des 14. Jahrhunderts bis zu den Stechermechanismen
der jüngsten Gegenwart mit großer Gründlichkeit be-
schreibt und abbildet. Derselbe Forscher hat auch die me-
thodologische Einführung in die Klassifikationsreihen ge-
schrieben, die William Goodwin Renwick für die Zün-
dung der Handfeuerwaffen ausgearbeitet hat. Im Anschluß
an das System Dewey hat sich der kenntnisreiche Samm-
ler die Mühe genommen, auf 37 Tafeln, die also rund 370
Einzelkategorien enthalten, alle vorkommenden Möglich-
keiten des Zündungsmechainismus zu registrieren. Nach
Dregers Vorschlag, dem übrigens Renwicks Klassifikation
zeitlich vorausgegangen war, kommen die Nr. 1721—5 und
1731—5 in Frage. Das Maß von Materialkenntnis, das in
den Tabellen und ihren Erläuterungen aufgespeichert liegt,
ist höchster Bewunderung wert. Wer einmal Gelegenheit
gehabt hat, das Archiv von Abbildungen und Messungen
zu sehen, das dieser Sammler besitzt, wird mit Neid auf
den schönen Fanatismus eines Spezialisten blicken, den die
glücklichsten Umstände zu solchen Ergebnissen geleitet
haben.
Die einzigen beiden Aufsätze, die sich mit Waffen der
alten Welt im engem Sinne befassen, haben, bezeichnen-
derweise, Helme zum Gegenstand. Carl Otto von Kien-
busch führt einen konischen Helm in der Form der per-
sischen Zischägge vor, den ein Nürnberger Meister in
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts mit figürlichen und or-
namentalen Atzungen bedeckt hat. Da das höchst eigenar-
tige Stück aber auch noch die berühmte Marke des Arse-
nals der Irenenkirche trägt, darf man, dem Exegeten fol-
gend, an einen polnischen oder ungarischen Eigentümer
glauben, der sein Leben in einem der Türkenkriege und
diese seine ritterliche Zier in den Händen eines seiner
mohamedanischen Gegner ließ. Handelt es sich hier um
ein hervorragendes Einzelstück, so geht George Angus
Douglass in seiner Abhandlung „The Barbute“, der Ge-
schichte der italienischen Schaller an der Hand der Schrift-
und Bildquellen ebenso wie an derjenigen der Denk-
mäler selbst nach. Da lernen wir, von der Mitte des
14. Jahrhunderts ab, die Haupttypen dieses charaktervollen
Helmes kennen, den mit offnem Gesicht, den T-förmigen
und den sogen, korinthischen, und verfolgen ihre Verbrei-
tung bis ans Ende des 15. Jahrhunderts. Und bedauern, bei
dem künstlerisch vielseitigen Reichtum dieser Waffe, daß
uns gerade hier das Bild selbst versagt bleibt.
Zweiunddreißig Namen zählt die Mitgliederliste der ameri-
kanischen Vereinigung, die sich dem Studium der Waffe wid-
met. So bedrohlich aber der Wettbewerb der immer wach-
senden Schar ernsthafter und opferfähiger Sammler jen-
seits des großen Teiches auch für uns Sammler und Hüter
des alten Besitzes an Wehr und Waffen in Europa ist, so
aufrichtig darf man sich des Eifers freuen, auch in der
wissenschaftlichen Forschung und Deutung der Waffe es
den Fachgenossen der alten Welt gleichzutun. Daß dies
Ziel nicht mehr außerhalb Reichweite liegt, dafür ist die
Bashford Dean-Festschrift jetzt der gewichtigste Zeuge.
Erich Haenel.
Elisabeth Moses. Der Schmuck der Sammlung W. Cle-
mens. Kunst-Gewerbe-Museum der Stadt Köln.
Ein ungemein ertragverheißendes und noch wenig er-
schlossenes Teilgebiet der historischen Kostümkunde ist der
Schmuck im weitesten Sinne gefaßt. Von der einfachen
Schließe bis hinauf zum kostbarsten Zierat an Hals und
Hut lassen sich hier dank der Dauerhaftigkeit des Mate-
rials im Gesamtbereich von Kunst und Kultur die am wei-
testen zurückreichenden Entwicklungsreihen herstellen,
ganz zu schweigen vom vergänglichen Kostüm, von dem
sie auf weite Strecken fast die einzigen aufschlußreichen
Spuren hinterlassen haben. So begrüßen wir denn mit
aufrichtiger Freude die musterhafte und liebevolle Veröf-
fentlichung der kostbaren Schmucksammlung W. Clemens
im Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln, mit der die Ver-
fasserin den Sammler und hochherzigen Stifter ebenso
wie sich selbst Ehre erweist.
Obwohl nur das Kostbarste behandelt wird, beläuft
sich allein die Zahl der mustergültig abgebildeten Stücke
auf 151, von denen zurückreichend bis in die Antike und
frühchristliche Zeit zwei Drittel dem Mittelalter ange-
boren. In Anbetracht der Seltenheit eine stattliche Zahl,
mit der sich u. W. nur Cluny und die ehern. Sammlung
Figdor in Wien messen können. In größeren Sprüngen
geht es dann durch Renaissance, Barock und endet im
Empire. Der vom Sammler angestrebten Vollständigkeit
der mannigfaltigsten Techniken werden die mustergültigen
technischen Erläuterungen gerecht. Vor allem versteht
Verf. die, wie uns scheint, fast überall zeitlich und lokal
richtig bestimmten Arbeiten in treffender Formanalyse
dem Gesamtstil der Zeit einzuordnen; und, ohne im
Kleinen sich zu verlieren, wird mit offenem Blick ge-
zeigt, wie sich auch im minutiösesten Objekt das Kunst-
wollen der Zeit spiegelt.
Vom kostümlichen Standpunkt beanspruchen nament-
lich die unmittelbar am Kleide getragenen mittelalter-
lichen Zierate, Agraffen unsern Anteil, von dem eine
Reihe köstlicher Beispiele in Bronze und Schmelztechnik
aus romanischer und gotischer Zeit, auch eine große Aus-
wahl entzückender Pilgerabzeichen und Nadeln in Blei