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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
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Seydlitz, Reinhard von: Fälscherlust: gaunerologische Kunststudie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0290

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228 Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Lecejston. Von Paul Schulhe-Dcaumbnrg. — Fälscherlust.

Die Secession ist nichts Werdendes mehr, dessen Entwicklung abzuwarten bliebe. In ihrer heutigen
Form tritt sie uns als etwas in sich Gefestigtes entgegen, das seine Mission erfüllen wird. Sie hat bewiesen,
daß sie stark genug ist, um selbst den verzweifeltsten Versuchen, sie zu erdrücken, zu widerstehen; ja, wie es
häufig gegangen — ein Blick in die Geschichte lehrt es uns — diese Versuche haben sie erst recht erstarken
gemacht und mit zu ihrem Siege verholfen. Und historisch ist es auch zu verstehen, wie ihr Entstehen im
Zwange der Notwendigkeit begründet lag, wie ihr Sieg. So geht es im großen wie im kleinen. Julian
Apostata einte gegen seinen Willen die christliche Kirche, welche unter den Verfolgungen neu erstarkte.

Heut haben wir das Schauspiel, aus den Anfeindungen eine neue ^.rs triurapllatrix hervor-
gehen zu sehen.

Fälscherlust.

Gaunerologischr Kunststudie.

von R. von Seydlitz.

o wie — nach Schubert — das Wandern des Müllers
Lust ist, so ist ohne Zweifel das Fälschen des
Gauners Lust.

Lust? Jst's nicht auch manchmal die hochgeehrte
Göttin Necessitas, der liebe Hunger und ähnliche Dä-
monen?

Vielleicht.

Und „Gauner"! Sind's nicht manchmal kreuzbrave
Leute, die aus reiner Jmitatiouslust ein Kunstwerk so
raffiniert „nachempfinden", daß kein Gott und kein Teufel,
oder, was entschieden mehr sagen will, kein Hauser, die
Fälschung merken kann?

Vergänglichkeit, von lvalter Geffcken.

Zrübjabr-Ausstellung ^895 der Münchener Secession.

Vielleicht!

Und wo fängt überhaupt die „Fälschung" an, die
dem Strafgesetz interessant ist, und wo hört die heitere
unschuldige Imitation auf, die der harmloseste Gemüts-
mensch sich in seiner stillen Klause gestatten darf?

Ganz einfach — Fälschung ist das Ding im Mo-
ment, wo ich es ernsthaft als echt ausgebe und ihm den
Wert des echten beimesse.

Aber warum? Kann ich nicht, um einen guten
Freund, Sammler und Kenner, hineinzulegen, ihm das
Ding mit ehrbarer Miene als echt bezeichnen?

Das ist eine von Fall zu Fall zu entscheidende
Sache: es ist bewußte Täuschung und als solche nur so
lange straffrei, als ich die Täuschung nicht zu gewinn-
süchtigen Zwecken benütze oder den andern zu seinem
Schaden auf falsche Fährte locken will. — Denn da
steckt's: Schaden, resp. Gewinn! Wo die zwei Dinge
nicht beabsichtigt sind, vielmehr wo der Urheber der
Fälschung sich innerhalb der Grenzen des Spaßes hält
und — wohlgemerkt I — auch dafür Sorge trägt, daß
kein Unberufener, ohne ihn zu fragen, dritte mit der
Fälschung hineinlegt — da ist das ganze Imitieren ein
harmloses Vergnügen, bei dem der Einsichtige nur be-
dauern wird, daß so viel Geld, Zeit, Arbeit und großes
Talent auf wertlose Ziele verschwendet worden sind.

Nehmen wir den Fall, ein vielseitig talentierter
Mann habe in seinem ganzen Leben, das von Not,
Sorge, Arbeitszwang u. dgl. frei war, nichts andres
gethan als eine erstaunliche Sammlung alter Meister
zusammengef—unden, habe ganze Säle seines „Museums"
mit imitierten Fayencen, Palissy-Tellern, Jamnitzer
Salzfässern und meinetwegen assyrischen Thonwaren von
der Echtheit der berüchtigten Berliner Moabit-Geschirre
hergestellt — und dieser F—inder von Kostbarkeiten
stirbt nun und vermacht seine „Sammlung" als echt
einem Museum; was ist das?

Fälschung, Betrügerei, selbst hier im Falle, da er
selbst kein pekuniäres Bene davon hat.

Kriterium: er hat versucht, dem Ganzen den Wert
des Echten zu geben.

Andrer Fall: Derselbe vermacht die Sammlung
unter Betonung der Thatsache, daß alles von ihm oder
unter seiner Leitung gefälscht ist. Er wünscht aber, daß
alles erhalten bleibe, um erstens zu zeigen, wie man's
machen kann, aber nicht soll; und zweitens, um Hierlands
vielleicht in Museen fehlende alte Meister dem Begriffe
 
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