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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Zum zehnten Todestage Hans Makarts: ein Gedenkblatt zum 3. Oktober 1894
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Hähnel, Ernst Julius: Aphorismen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0034

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g>um zehnten Todestage ftans Makarts, — Aphorismen von Trust Julius ftähnel.

Glied der besten Gesellschaft geworden, in
welche er von rechtswegen hineingehört.
Man darf die damalige Herrlichkeit des
Maler-Minnehofes in der Wiener Guß-
hausstraße nicht verketzern wollen, wenn
auch der Maler der „sieben Todsünden"
der Fürst dieses Hofes gewesen. Die be-
reitwillige Fama liebte es, für den Fern-
stehenden diese Feste und Symposien nach
ihrer Art aufzuputzen. Die farbenvisionäre
Stimmung und das sinnliche Lebenskolorit
der Makarlschen Bilder ward nur zu häufig
in das Leben selbst des Künstlers hinein-
getragen. Allerdings schuf Makart in einem
Bannkreise, der manchen gefährlich dünken
durfte, allerdings liebten es selbst blutstolze
Frauen, diesem Kreise nahe zu kommen,
und mochte manche Frau, von den schweren
Aromen dieser mit allen Keimen der ge-
selligen Freude gesättigten Lust betäubt,
die Besinnung verloren haben, ein edlerer
Schimmer, eine unwiderstehliche Lebenspoesie lag doch auf dem Künstlerleben und -Treiben der Gußhausstraße.
Schon die Freigebigkeit, womit der Meister sein Genie, sein Herz, sein Gold unter die Menschen streute, hatte
etwas wunderbar Einnehmendes. Man mußte ihm gut sein, da er selbst keinem gram, sondern jedem hilfreich
und gefällig war. Was verdankte ihm nicht die Genossenschaft allein!

Makart besaß in hohem Grade, was Nietzsche vom Genie vor allem verlangt: die Leichtigkeit der
Produktion, die Willigkeit der Phantasie. Fast wie traumhaft war bisweilen sein Schaffen, und was er gab,
trug immer den Stempel des Unbekümmerten, Mühelosen, Unmittelbaren. Er war Professor, aber kein gerade
lehrlustiger. Was seine Schüler von ihm lernen konnten, vermochte vorm akademischen Standpunkte nicht zu
bestehen. Und doch ist sein Einfluß in der ganzen jungen und jüngeren Wiener Künstlergeneration lebendig
geblieben. Die Akademie liebte ihn nicht, sie hatte ihn ja für „talentlos" erklärt und diesen Irrtum trug sie
ihm nach. Daher wurden seine Fehler ins Ungeheuerliche vergrößert . . . Weil er oft genug gegen die korrekte
zeichnerische Form verstieß, übersah man bei ihm die eminente Fähigkeit zum Entwürfe und dessen malerischer
Belebung. Er war kein vertiefter Künstler, welcher den seelischen Ausdruck beherrschte, aber, wie kein zweiter,
ein Meister der malerischen Pracht, ein Durstiger, ein Verzückter des Schönen, dem es ein Bedürfnis war,
der Menschen Herz und Sinne durch volle, unbehinderte Bethäligung seines prachtvisionären Genies zu entzücken. Die
deutsche Kunst hat auf allen Gebieten größere Künstler, aber keinen größeren Maler — nicht nur Koloristen —
hervorgebracht, als Hans Makart. Es kann das nicht oft genug wiederholt werden, wenn wie heute Anlaß
dazu vorliegt.

In diesem Sinne muß die meteorhafte Erscheinung Makarts im Gedächtnisse behalten werden.
Und wir freuen uns, daß diese Erkenntnis, nachdem die Unterschätzung, welche auf den früheren Makartrausch
gefolgt, überwunden, in immer weitere Kreise dringt. Keinen neuen Rubens verloren wir in Makart, aber
die glänzende Verkörperung eines Malergenies, ein „Avatar" desselben, aus einer Zeit, wo Kunst „Geschichte"
war, obwohl man damals noch keine zünftige Kunstgeschichte trieb. Die Makartpalette wird ein Wiener Wahr-
zeichen bleiben.

Plafondgrmälde. von ft ans Makart.

Aphorismen von Lrnst Julius Whnel.

Das Talent oder der Genius eines Künstlers gleicht
einer Glocke; sein Fleiß muß dem Angebornen entsprechen,
wie der Klöppel der Glocke, wenn er ein vollendeter Künstler
werden will.

In den Augen der Mitwelt tritt jedes Genie als ein
verrückter auf.

wenn in einem Kunstwerke der Funken göttlich ist, so
muß er zünden und in der Begeisterung des Beschauers zur
Hellen Flamme emporlodern. Das Göttliche in der Kunst
dringt zum Göttlichen.

Die Plastik gewinnt in demselben Maße, wenn sie sich
der Architektur nähert, wie die Malerei, wenn sie sich der
Plastik nähert.
 
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