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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Schumann, Paul: Robert Diez, [2]
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Beetschen, Alfred: Ernst Stückelberg: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0192

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von Hanl Schumann. — Lrnsl Stückelberg. Skizze von Alfred Beetschen.

auf der akademischen Kunstausstellung in Dresden 1894 zu sehen waren: frische, sorgfältig durchgebildete Arbeiten, die
jede den Stempel einer Persönlichkeit oder wenigstens einer werdenden Persönlichkeit trugen, nicht aber das gemeinsame
Gepräge einer Schule, in der der Meister unbedingt den Ton angiebt und der Schüler nur mit dem Auge des Lehrers
sieht. Auch die übrigen Künste sind Diez nicht fremd. Man wird selten einen Bildhauer finden, der ein so freies
Urteil über Malerei hat, wie er; ja er hat dieselbe Einsicht und dasselbe Verständnis in Dingen der Malerei wie
ein tüchtiger Maler. Er ist auch selbst musikalisch, und gute Musik gehört zu seinen unentbehrlichen Lebens-
bedürfnissen. Als Mensch ist er hochangesehen; obwohl er aus seiner persönlichen Überzeugung nie ein Hehl
macht und keineswegs jene charakterlose Allerweltsfreundlichkeit besitzt, die man als Liebenswürdigkeit zu be-
zeichnen sich gemüßigt findet, hat er doch keinen persönlichen Feind. Seine vornehme Gesinnung, seine echte Be-
scheidenheit, die allem Prunken und jedem Sichfeiernlassen abhold ist, sein großes Wohlwollen und seine strenge
Gerechtigkeit erwarben ihm die allgemeine Hochachtung und Verehrung.

Um die Stellung Robert Diez' in der modernen Kunstbewegung festzustellen, genügt wohl keines der
Schlagworte, mit denen man im allgemeinen bestimmte Kunstrichtungen kennzeichnet. Diez ist kein Künstler,
der nach einer bestimmten Schablone schafft, er geht an jede Aufgabe frisch heran und löst sie geistvoll, gemäß
den ihr innewohnenden eigenen Bedingungen. Seine Kunst hat etwas Verwandtes jenem durchgeistigten
Naturalismus, der in Paris so herrliche Kunstwerke hervorgebracht — Diez ist ja auch schon oft in Paris
gewesen, während er Rom nur kurze Zeit gesehen hat — aber mit seiner naturfreudigen Phantasiekunst wurzelt
er in echt deutschem Boden. Sie ist durch und durch gesund, nicht im entferntesten angekränkelt von der
Krankheit des endenden Jahrhunderts, die schönste Frucht, die aus dem erneuten tiefen Naturstudium empor-
wachsen konnte. Möge sie anregend weiter wirken auf Deutschlands Kunstschaffen und möge dem Meister
selbst noch vergönnt sein, zahlreiche Werke ähnlicher Art zu schaffen.

Ernst StückiWerg.

Skizze von Alfred Beetfchen (Basel).

^Nne altehr-
würdige
Basilikenstadt
am Rhein darf
sich rühmen, die
zwei größten
SchweizerMaler
zu ihren Söhnen
zählen zu dürfen.
Arnold Böcklin
und Ernst
Stückelberg,
beide nennen sie
Basel ihre Vater-
stadt, auf welche
ein Heller Strahl
zurückfällt von
dem glänzenden
Ruhme, den sich
die zwei eigen-
artigen Künstlergestalten durch ihre bedeutsamen Schöpf-
ungen errungen.

Wie es Musiker giebt, die wie Schumann und
Niels Gade eigentliche Tondichter sind, so dürfen Böcklin
und Stückelberg, die beide in Anerkennung ihrer Ver-
dienste um die vaterländische Kunst mit dem Doktortitel
ausgezeichnet wurden, als die Maler-Poeten pur excel-
leoce gelten. Die Muse eines Gottfried Keller und
Konrad Ferdinand Meyer hat nicht selten an der Staffelet
des großen Künstlerpaares gestanden, wenn ein neues
dichterisches Sujet auf der Leinwand lebendige Gestalt
anzunehmeu begann. Ist Böcklin vorwiegend der Schöpfer

heroischer Landschaften und der geniale Erfinder barocker
Phantasiegebilde ans dem Jenseits von Gut und Böse,
so lassen Stückelbergs Kompositionen hauptsächlich den
Historienmaler in den Vordergrund treten.

„Das Erdbeben in Basel", „Der Sprung des letzten
Hohenrätiers", „Das helvetische Siegesopfer", „Das Gast-
mahl auf Manegg", „Zur Zeit, da Königin Bertha
spann" etc., vor allem aber die vier großartigen Fresko-
bilder zu Schillers „Tell" in der durch Künstlerhand
geweihten Kapelle bei der Tellsplatte am Vierwaldstätter-
see, zeigen uns den Basler Ernst Stückelberg in seiner
ursprünglichen kraftstrotzenden Eigenart.

Von den hunderttausend Fremden, die alljährlich
ihre Sommerfrische in „Helvetien, der grünen Schweiz"
nehmen, wie Dranmor sein Vaterland besingt, zieht sich
der Gewalthaufe au das romantische Gestade des Vier-
waldstättersees, auf den klassischen Boden der Urschweiz.
Wie sich jeder, der einmal dort gewesen, das Rütli
mit eigenen Augen angesehen und der „hohlen Gasse"
einen Besuch abgestattct, so wird es kaum einer über
sich bringen, die Tellskapelle an der Axenstraße mit den
Stückelbergschen Fresken unbesichtigt zu lassen.

Gesunde und frische Schweizerluft weht dem Be-
schauer aus dieser meisterhaften Verherrlichung der vier
Hauptszenen der Tellsage entgegen. Im Sommer 1878
begann Stückelberg die umfassenden Studien zu seinem
großen Lebenswerk an die Hand zu nehmen. 36 Studien-
köpfe aus Bürglen im Kanton Uri, der Heimatgemeinde
Wilhelm Teils, in Tempera gemalt, waren das Resultat
seines ersten Aufenthalts im Urnerland. Das folgende
Jahr zeitigte 45 weitere Studienköpfe, von denen wir zwei
charakteristische Proben bringen (S. 152 u. 153). 1880 war
 
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