Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Springer, Jaro: Die 1895er Jahresausstellung der Münchener Secession, [3]
DOI Artikel:
Lenbach, Franz von: Aphorismen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0468

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Z72

Die (895er Iahresausstellung der Münchener Secession. — Aphorismen von Franz von Lenbach.

wohl Henry Luyten am feinsten ausgestellt. Eines der seltsamsten Bilder der ganzen Ausstellung ist „Das
Schicksal und die Menschheit" von Leempoels. Die Menschheit ist symbolisiert durch Tausende von verschieden-
artigen Händen, die sich zum Himmel, zur Erscheinung eines männlichen (Christus?) Hauptes emporstrecken.
Fast noch unverständlicher, aber durch ihre malerischen Qualitäten sehr anziehend, sind die beiden Arbeiten von
Fernand Khnopff, „Vielleicht" und „Ein blauer Flügel". Leon Frsderic, sonst ein Hauptsymbolist,
läßt uns dieses Mal ganz vernünftige, frische Landschaften sehen.

Besser als je finden wir in diesem Jahre die Schule von Glasgow vertreten, die allein einen
der größten Säle fast ganz füllt. Keiner aus dem illustrer: Kreise der Boys fehlt. Von Guthrie das
herrliche, altmeisterliche Bildnis einer älteren Dame, von Lavery und Alexander Roche Porträts, von
Paterso n superbe Landschaften, Arbeiten von Frew,J. H. Haig, Gauld, Henry, Melville, Mc. Adam,
Harrington Mann, Morton, Stuart Park, Macaulay Stevenson u. a. Whistler hat seine
bekannte „Dame mit der Pelzjacke" hergeschickt, Harrisou zwei schöne, groß empfundene Marinen, John Swan
ein prachtvolles Tierstück, „Afrikanische Leoparden", Frank Brangwyn seinen „Fischfang", ein Bild von
zauberhafter Farbenschönheit, Fritz Thanlow zwei Bilder mit virtuos dargestelltem Wasser.

Die Pariser sind nicht eben reich vertreten, doch ist das wenige, was sie sandten, gut, so Gaston
Latvuches „Apotheose Watteaus", Besnards „Allegorie", die Werke von Collin, Blanche, Stewart,
Gandara, Raffaeli, Billotte, Aublet, Courtois, Carlos Schwabe, Agache u. a.

Die Plastik nimmt, wie immer bei den Ausstellungen der Secession, wenig Raum ein, aber es hat
auch beinahe nichts Unbedeutendes Aufnahme gefunden. Hermann Hahn und Hugo Kaufmann sandten
ihre Modelle zu den prächtigen Figuren, die sie für die Münchener Ludwigsbrücke gemeißelt haben, „Kunst
und Fischerei", Exter eine stürmisch bewegte Gruppe, „Zwei Menschen", die sich in leidenschaftlichem Kusse
umfangen, Floßmann ein paar sehr fein geschnittene Porträtbüsten in Kalkstein. Von Professor Ruemann
(München) ist eine sprechend ähnliche Marmorbüste Professor Pettenkosers, von Erwin Kurz eine vornehm
gehaltene Büste von Frau Wilhelm Jensen, von Adolf Hildebrand ein kleines aber bedeutendes Bronze-
relief des Fürsten Bismarck da. Wunderhübsch ist
Hahns kleine Bronzestatuette der „Eva", die der
bayerische Staat erwarb, sehr gefällig Gasteig ers
Marmorgruppe „Adam und Eva". Heilmaier,
Hermann Lang, Arthur Volkmann schickten
ebenfalls tüchtige Arbeiten ein. Geistreich erfunden
und von einem gewissen magischen Reiz ist der
„Mysteriarch" von Frampton in London. Von
den Parisern haben sich Valgren (durch allerlei
oftjsts ä'^.rt in Bronze), Masseau und Madame
Besnard beteiligt.

jMonSMtt von Kran? von

Bildnis, von D. von Boznanska.

In der Kunst gelten bis zu einem gewissen Grade
dieselben Grundsätze wie in der Wissenschaft. — wollte
einer aus sich heraus die Wissenschaft sörderu, ohne die
vorher von den Vertretern der Wissenschaft klargestellten
Grundgesetze zu kennen oder sich zu eigen zu machen, so
würde er im Dunkeln hcrumirreu, und es wäre höchstens
dem Zufälle zu verdanken, wenn er einmal einen Scbritt
vorwärts käme. Lin Mechaniker z. B. möchte es vielleicht
bis zur Konstruktion einer Kaffeemühle oder eines Schub-
karrens bringen, aber aus Lokomotive, Telegraph und
Mikroskop würden wir heute noch vergebens warten.

« »

Tin jeder Mensch war in einem gewissen Sinne schon
da, wenigstens hat ein Teil seines Ichs schon längst ge-
lebt. — In phidias finde ich mein Ich, das hcitzt meine
Freude am Schönen stammt von ihm, wem: ich auch in
der Ausführung weit hinter ihm zurückbleibe. — Schasst
ein Künstler aus dem Geiste des Phidias, so ist er des-
halb kein Nachahmer, so wenig wie derjenige ein Nach-
ahmer ist, der einen Pfirsichkern nimmt, ihn einsetzt, pflegt
und einen ftnchtbeladcncn Baum daraus zieht. Ls ist wohl
ein Pfirsichbaum, aber niemand wird sagen, er ist die
Imitation eitles Pfirsichkernes. —
 
Annotationen