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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Crane, Walter: Kunst und Volkstum, [4]
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Preis-Ausschreiben - Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0439

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Kunst und Volkstum. Von Walter Lrane. — Personal- und Ateliernachrichten.

Elsenbahnwaggon, von da wieder heraus auf die Pferde-
bahn, in die Geschäftslokale — ja selbst zwischen die
Seiten und Spalten unserer Journale und Bücher, die
wir des Lesens halber in die Hand nehmen, hat sie sich
eingeschmuggelt. Nun, wir wollen hoffen, daß- die Reklame
nicht die höchste Stufe der Mauerdekoration darstellt, und
daß nochmals nach uns eine Generation kommt, welche
es verschmäht, Arbeit und Können darauf zu verschwenden,
jedes nur irgend verfügbare Gebäude mit schreienden
Annoncen und sensationellen Augenblendern, deren Her-
stellungskosten natürlich die angepriesene Schundware
tragen muß, zu verkleistern — eine Generation, welche
vielmehr darauf bedacht ist, die Monotonie unserer Haus-
fronten durch etwas gefälligere Linienführung und mun-
tere Farben zu beleben, und zwar dies um der Sache
selbst willen.

— Ich habe mich absichtlich etwas länger bei der
Charakterisierung unserer in einem Übergangsstadium
befindlichen Gesellschaft verweilt. Heute umfängt uns
noch der fröstelnde Hauch des Sichunbehaglichfühlens;
Geduld, der Frühling wird bald kommen. Aus ver-
schrumpften Knospen springen ja allzeit die maifrischen
Blätter. Neue Ideen, neue Gewalten brodeln und gähren,
diesem Erdball ein ganz anderes Gepräge zu geben.

Wir wollen weder traumverloren zurückblicken auf
die Vergangenheit, noch ängstlich spähen in die nebelnde
Zukunft, aber im Interesse dieser Zukunft wollen wir
schon heute alles dazu beitragen, unserer Hoffnung auf
eine wahre, ideale Demokratie eine gewisse Basis zu
schaffen — auf eine Demokratie, die nichts weiß von
gesonderten Wirtschaftsinteressen, sondern die eine wirk-
liche Sozialdemokratie ist. Eine Sozialdemokratie, deren
höchste Aufgabe darin bestehen wird, vor allem das
Menschenleben in seiner Gesamtheit zu glätten und
lebenswert zu gestalten; dann darauf zu achten, daß zu-
nächst einmal die Wurzeln des Baumes getränkt werden,
ehe man nach Blüten und Früchten auslugt; endlich,
das Banner der Lebensfreude zu entrollen und die
heutigen grellen Kontraste zwischen äußerstem Elend einer-
seits und wahnwitzigster Verschwendung andererseits zu
verwischen — mit andern Worten, ein neues, schlichtes, aber
durchaus nicht ascetisches Lebensideal aufzustellen. Ein
Lebensideal, welches Sorge tragen wird sowohl für
Gelegenheit zur Arbeit als auch zur Ruhe und Aus-
bildung der eigenen Neigungen, welches ein Arbeits-
system organisieren wird, das die Gesamtproduktion auf
alle Schultern völlig gleichmäßig verteilt, und welches
schließlich nimmermehr zulassen wird, daß eine Gesell-
schaftsklasse schwelgt und praßt auf Kosten einer andern.

Ja, laßt es unsere Lebensaufgabe sein, die Klassen-
unterschiede aus der Welt zu räumen, laßt uns an ihren
Platz das einzig wahre und allein menschenwürdige
Gesellschaftsprinzip der absoluten Gleichheit stellen —
uns genüge, wenn der Mann den Forderungen der
Mannheit, das Weib, denen der Weiblichkeit gerecht
wird, und wenn wir uns nur einmal so recht vergegen-
wärtigen, was diese beiden Begriffe — Mannheit und
Weiblichkeit — alles in den verschiedensten Lebenslagen
zu bedeuten haben, so müssen wir auch zu dem Schluffe
kommen, daß größere Ehrentitel Menschen überhaupt
nicht zuerteilt werden können. Der Entwickelung der
mannigfachen Talente und Charaktere wollen wir völlig
freien Spielraum lassen, diese werden sich schon ganz

allein zur Geltung bringen. Als einziger Zwang bestehe
treue Pflichterfüllung gegen die Gesamtheit im Maßstab
der individuellen Fähigkeiten, und dafür genieße man
all das Schöne, was ein harmonisches, menschenwürdiges
Dasein zu bieten vermag, indem man gleichzeitig seine
Ehre darein setze, persönlich möglichst Glänzendes zu
leisten im Dienste der weiteren Ausgestaltung der wahren
Interessen der Menschheit.

Jeder, welcher ein Herz hat für Menschenfreiheit,
für Gerechtigkeit, und der alle seine Handlungen, soweit
ihm dies möglich, nach dem Prinzip der Gleichheit und
Brüderlichkeit, die ja schließlich nichts anderes bedeuten
als werkthätige Nächstenliebe, richtet — jeder, der so
handelt, nicht als ein sich selbst verleugnender Ascet,
sondern weil er auch wirklich die größte Glückseligkeit
darin findet — der, sage ich, hilft unser Ideal ver-
wirklichen, der trägt seinen Baustein mit bei zu dem
gewaltigen Gebäude menschlichen Schaffens und mensch-
lichen Fortschritts, dessen Schutzgeist die Menschheit führte
von den fernsten Zeiten an hin durch all' die Ver-
folgungen, Verleumdungen, Zwangsgesetze, Tyrannen,
durch Aberglauben und Dummheit, durch gute und übele
Nachrede, heraus aus dem Dunkel der Urperiode —
dieser Genius, der noch heute unermüdlich uns die Fackel
der Hoffnung voranträgt, bis daß endlich die Hoffnung
wird zur Erfüllung, zur Erfüllung in der verstaatlichten
Menschlichkeit.

Schaffen wir Künstler in diesem Sinne, so brauchen
wir auch nicht besorgt sein um das Schicksal unserer
Kunst, haben wir nur immer auf das Leben rings um
uns acht, so wird die Kunst schon auf sich selber acht
geben, sie wird der natürliche, lebendige Ausdruck solch
eines Lebens werden, sein gegenwärtiger Freund und
Tröster, seine endliche Verklärung und höchstes Ziel.

(Ucbersetzt von Gtto lvittich.)

— München. Professor Franz Stuck ist als Nach-
folger W. v, Lindenschmits zum Professor an die Akademie der
bildenden Künste berufen worden. i-tss;

— Wien. Im Atelier von Prof. v. Zumbusch ist so-

eben das für die Porta Westphalica bestimmte Denkmal Kaiser
Wilhelms l. vollendet, und dasselbe wird nunmehr dem Gusse
übergeben. Ebenso geht die für die Universität in Wien be-
stimmte überlebensgroße Marmorbüste des Prof. Billroth der
Vollendung entgegen. l-tssi;

— Lugano. In Ligornetto (Tessin) verstarb am 23. Juli
der Maler Spartaco Bela. Derselbe hinterließ die berühmte
Gemälde- und Mustersammlung seines Vaters, des Bildhauers
Vela, der Eidgenossenschaft. Üs«;

— Görlitz. Johannes Pfuhls Roon-Denkmal
ist am 25. Juni enthüllt worden. l-woq

— Wien. Die Wahl des Bildhauers Professor K. Kund-
mann zum Rektor und die des Landschaftsmalers Professor
Eduard Ritter v. Lichtenfels zum Prorektor der Akademie
der bildenden Künste für die Dauer der Studienjahre 1895/96
und 1896/97 wurde vom Unterrichtsministerum bestätigt.

L. Ii. Darmstadt. Nach langem Leiden starb am
12. Juli hier der Maler Heinz Heim im Alter von erst
35 Jahren. In dem so früh Dahingeschiedenen verliert die
deutsche Kunst einen ihrer hervorragendsten jüngeren Meister,
von dem noch Großes zu erwarten stand. Durch seine meister-
haften Zeichnungen hat sich Heim eiben weit über Deutschland
hinausgehenden Namen gemacht und sich Ehrungen und hohe
Auszeichnungen erworben (Goldene Medaillen und Diplome in
München, Dresden, London, Barcelona, Chicago). Den Lesern
 
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