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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Röse, Otto: Spaziergänge durch die Pariser Salons, [2]
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Begas, Reinhold: Aphorismen
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Crane, Walter: Kunst und Volkstum, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0416

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Spaziergänge durch die Pariser Salons, von Vtto Rose. — Kunst und Volkstum.

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Prozessionskerze in der Hand, Kirchen- und Klosterszenen,
fromme Brüder, fromme Schwestern, Pfarrer, Bischöfe,
Kardinäle, Heiligenbilder, biblische Geschichte, wohin man
nur blickt! Wir wollten eine kleine Statistik dieser Werke
aufstellen, mußten aber bald auf unser Unternehmen ver-
zichten, da mancher der 36 Gemäldesäle seine 15 bis
16 Bilder der genannten Art enthielt. Das macht eine
stattliche Gesamtsumme, die von den kirchlichen und
mystischen Neigungen unserer malenden Mitmenschen be-
redtes Zeugnis ablegt. Oder sollte das alles nur ober-
flächliche Modesache sein? Wir wagen uns nicht über
diesen Punkt auszusprechen, bemerken aber, daß neben
den Zeichen der Frömmigkeit oder Frömmelei auch der
Bonapartekultus wieder eine Rolle spielt, die für den
Gemütszustand der Franzosen allem Anschein nach be-
deutsam ist. Vielleicht lassen sich hieraus Schlüsse auf
die künftige politische Entwickelung Frankreichs ziehen,
doch das sind Erwägungen, die der Salon-Spaziergänger
in seiner Harmlosigkeit lieber vermeidet.

Nphsrismm vsu Neinhold Wegas.

Die Summe des menschlichen Geistes bleibt dieselbe, nur
seine Aeußerungen ändern sich. Es ist irrtümlich, einen dauern-
den Fortschritt des Geistes anzunehmen. Zn der bildenden
Kunst bat der menschliche Geist seinen Höhepunkt in Phidias
erreicht, in der Musik in Beethoven, in der Poesie in Shakespeare.
Goethe schrieb seine Gedichte beim Talglicht. Heute beleuchten
Siemeussche Brenner banales Zeug.

Der Geist ist nicht erblich und nicht übertragbar, kvie
wäre es sonst möglich, daß in Italien und Griechenland, wo
die Produkte geistreicher Künstler aufgcstapclt sind, heutzutage
eine kleinliche, srivole Kunst geübt wird? Man sieht, wie wenig
Eindruck die Umgebung auf den Unbegabten macht; wenn Das
nicht wäre, so müßten Galcriediener in erster Linie große
Künstler werden.

» r

Die moderne Kunstrichtung gleicht auffallend der Sozial-
demokratie. Beide kennen keine Autoritäten. Leide wollen von
vorn anfangen, als wenn alles Frühere sich nicht natürlich
entwickelt hätte. Beide wollen eine behagliche Existenz, diese
soll aber mit der möglich geringsten Anstrengung erreicht werden.
Beide wollen uns eine neue Weltanschauung aufzwingen. Diese
Krankheiterscheinungen werden in der Vrdnung
der Dinge nur vorübergehend bestehen können.

Der Misanthrop. (2. Aufz., 5. Szene.) von Antoine Morlon. (Fragment.)

Salon des Lbamps Llys6es 1895.

Dunst und VoWtum.

von Walter Lrane.

(Fortsetzung aus Heft 20.)

^iese künstlerische Allegorik hat immer,
selbst auf rein irdische Dinge über-
tragen, einen gar gewaltigen Einfluß auf
das menschliche Gemüt ausgeübt. Wir
können dies feststellen sowohl bei dem reli-
giösen Ritual wie auch bei den Attributen,
welche die antike Kunst den irdischen Herr-
schern zuerteilte, und wenn jetzt unter dem
modernen Streben nach einer naturalisti-
schen Symbolik diese Erscheinung — von
einigen besonders sinnigen und poetischen
Momenten abgesehen — im allgemeinen
wohl von den Staffeleien unserer Maler
verschwunden ist, so führt sie doch noch
ein frisches, fröhliches Leben als Illu-
stration in unfern politischen Revuen. All-
wöchentlich werden politische Erzeugnisse
und politische Persönlichkeiten in einer
Reihe bildlicher Parabeln durchgehechelt,
zu allen möglichen Karikaturen verzerrt,
und zugestutzt müssen sie herhalten, der
Satire oder dem politischen Zweck des
Redakteurs resp. Herausgebers zu dienen.
Daß man sich hierbei stets der in die
Augen springendsten Gebrechen seines un-
freiwilligen Heldens aufs schonungsloseste
bemächtigt, braucht wahrlich wohl nicht erst
gesagt zu werden.

In unserer Zeit sind längst politische
und soziale Fragen an Stelle der religiösen
 
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