Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Oettingen, Wolfgang von: Das Düsseldorfer Frühjahr
DOI Artikel:
Der Zukunftstraum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0255

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
200

Das Düsseldorfer Frühjahr. Don W. v. (Dettingen. — Ein Ziiknnststraum. Don A. Stier.

gründe und macht, um psychologische Ergründung, weniger
bemüht, seine Menschen hauptsächlich zu Trägern von
künstlerisch und besonders koloristisch fein erfundenen
Wirkungen; auch Max Stern empfindet leicht impressio-
nistisch. Schneider-Didam dagegen geht stracks auf sein
Objekt los und arbeitet es, um Nebenzwecke unbekümmert,
in natürlicher Farbe aus einem neutralen, meist dunklen
Hintergründe heraus. Er modelliert klar und sorgfältig,
legt viel Gewicht auf den Ausdruck in Gesicht und Haltung,
erzielt dadurch scharfe Charakterisierung und schlagende
Ähnlichkeiten und überwindet also jenen fatalen Stachel-
kranz am Postamente der .Wahrheit" in den Augen vieler
weit eher als andere. Auch Carl Sohn hat ein Bild-
nis, ein Selbstporträt, beigesteuert, das eine schlichte Auf-
fassung kräftig, ungesucht und überzeugend zum Äusdruck
bringt. Eleganter, doch ohne Raffinement, hat Fred
Vezin ein Doppelporträt, das in Halbfiguren ihn selbst
und seine Gemahlin darstellt, in derselben Sphäre der
Natürlichkeit gehalten, während Ferdinand Brütt in
seinen Bildnissen (wie auch in dem großen „Weihnachts-
morgen") der Hervorhebung spielender, weißlicher Lichter
und Töne bedarf und Paula Monje mit schweren,
bräunlichen Schatten zu arbeiten liebt.

Womöglich noch mannigfaltiger als die Bildnismaler,
von denen nur ein Teil genannt werden konnte, zeigen
sich die Historien- und Genremaler, und auch unter ihnen
begrüßen wir neben bekannten Meistern wie Roch oll
einen versprechenden jungen Nachwuchs, der sich eine feste
Schulung mit Selbständigkeit zu nutze gemacht hat. Es
ist wirklich eine Genugthuung, zu beobachten, wie die
guten Vorbilder hier studiert werden, ohne zu platten
Nachahmungen zu verführen. So hat Ernst Christian
Pfannschmidt sein Erstlingswerk ausgestellt, „Christus
predigt in Bethanien", eine große Holztafel mit figuren-
reicher, miniaturartig ausgeführter Komposition, an der
man schon von weitem den Gebhardt-Schüler erkennt.
Aber bei näherer Betrachtung erobert sich der Maler
von Punkt zu Punkt sein Recht, zeigt seine eigene,
originelle Empfindung, seine entwickelte Erzählungskunst
und sein durch großen Fleiß gegründetes technisches
Können. Alfred Sohn-Rethel bringt einige genre-
hafte Gruppen und Einzelfiguren aus Venedig, fein im
Ton und künstlerisch empfunden: man spürt an ihnen
einen Hauch von Verwandtschaft mit Wilhelm Sohn,
der in zwei Skizzen zu einem längst mit Ungeduld er-
warteten Gemälde, die Erteilung des Abendmahles an
eine Sterbende, mit seiner geradezu hinreißenden Schön-
heit der Farbe und seiner wundersam ergreifenden Tiefe
des Gefühls den Beschauer wieder einmal bezaubert. —
Das intime Genrebild erfreut sich in Ferdinand
Fagerlin seines unvergleichlichen Meisters, dessen Ge-
schmack und Feinheit allen ein Vorbild bieten kann, denen
ähnliche Gegenstände nahe liegen. Aber freilich läßt
sich dergleichen nur erreichen, wenn der Künstler seine
Gaben gewissenhaft ausgebildet hat, wenn er genau
weiß, was er will und kann, und wenn er mit seinem
Werke ringt, bis er ihm die möglichste Vollendung ge-
geben hat. Viele sparen sich in bequemer Hingabe an
eine behagliche Routine diese beseligende Pein des echten
Künstlers; sie ermangeln dafür auch des Ruhms, den sie
in beschaulichen Momenten vor sich selbst und stets
in den Augen der Mit- und Nachwelt haben sollten.
Wünschen wir unseren jungen Genremalern, daß jeder

von ihnen so zu seinem Stil und zu seinem eigensten
Gebiet gelange, wie Fagerlin zu dem seinigen gelangt
ist: dann wird das Düsseldorfer Genrebild einen neuen
Siegeszug antreten.

Das Stilleben hat in diesem Jahre besonders durch
die Blumen der Frau Magda Kröner und durch die
robuste Kraft Fritz Westendorps (Fische) eine Förde-
rung erfahren; wenn es so künstlerisch behandelt wird,
schließt es sich jeder „vornehmen" Kunstgattung eben-
bürtig an.

Endlich die Bildhauerkunst! Sie Pflegt die Aus-
stellungen nur sparsam zu beschicken, aber diesmal finden
wir neben einer Büste und einem historischen Relief von
Clemens Buscher das leicht getönte Gipsmodell eines
Grabmonumentes von Karl Janssen. Eine ideale
Frauengestalt legt einen Kranz auf dem prächtigen
Sarkophage nieder, über den sie sich mit wehmütiger
Bewegung beugt. Große Einfachheit der Empfindung,
fern von jeder Affektation wie von Kälte und Her-
kömmlichkeit, verbindet sich hier mit herrlicher Durch-
bildung aller Elemente zu einem Kunstwerk von edler
und künstlerischer Wirkung.

Das wäre denn im allgemeinen die Frühjahrsleistung
der Düsseldorfer Künstler. Möge, was jetzt blüht, im
Sommer Früchte tragen und auf auswärtigen Aus-
stellungen von der hiesigen Arbeit zeugen.

Min NnkunstsLranm.

von Ä. Slier.

Don Tagen sprechen wir, da hoch die Kunst in Ehren
Bei den Gewalt'gen stand, da Ruhm und Glanz und Gold
Die Künstler reich belohnt; — daß solchen Zeiten hold
Allzeit die Muse war, wie tausend Schätze lehren.

Du wünschest, jene Zeit sei uns zurückgcgeben,

Da einst der Mächtigste, in dessen weitem Reich
Die Sonne nicht erlosch, sich bückt, dem Diener gleich,

Um einem Tizian den Pinsel aufzuheben.

Ein stolzer Wunsch, mein Freund! — Doch träum ich andre

Zeiten!

Mir kommt das Heil der Kunst von keinem Fürstenthron
Und Geldesglanz und Ruhm sind nicht der beste Lohn,

Den einem Künstlersein die Himmlischen bereiten.

Mir träumt von einem Einst, da Liebe zu dem Schönen
Bis zum geringen Mann ins Herz des Volkes dringt,

Da es dem Künstlertum der neuen Zeit gelingt
Mit ihrem harten Los die Armen zu versöhnen.

Fühlst du ihr Rahen schon? Nicht üppige Gelage
In Königshallen mehr braucht unsre neue Kunst;

Ihr Pinsel malt nicht mehr um Gold und Fürstengunst
Nur zauberische Pracht glanzvoller Sonnentage.

Nein, schlicht und ernst und groß zeigt sie das Menschenleben
Der strengen Wirklichkeit, und doch — ein Heller Schein
Des Ideals verklärt das ärmste Erdensein,

Es hat die neue Kunst die Weihe ihm gegeben.

Ziwar wird nicht Gold und Ruhm für solche Werke lohnen,
Doch stolz und frei, zugleich ein Priester und Prophet,

Der lies im Innersten des Volkes Herz versteht,

So wird der Künstler dann, geliebt, im Volke wohnen.
 
Annotationen