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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Berger, Ernst: "Gesso painting"
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0250

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19«

„Gesso painting."

von Lrnst Berger.

er enge Anschluß an die Art des Quattrocento hat
der modernen Kunst des Jnselreiches ein eigen-
tümliches Gepräge aufgedrückt. Zur Schule der „Prä-
raphaeliten", wie sie sich selbst nannten, gehört eine
ganze Reihe hervorragender Talente, deren Kunst, so
individuell sie bei jedem einzelnen erscheinen mag, doch
in dem Altflorentiner Botticelli ihren Ausgangspunkt
erkennen läßt. Holman Hunt, Millais, Watts, Walter
Crane, Burne-Jones, sie alle stehen mehr oder weniger
unter dem Einflüsse der Florentiner Kunst des 14.—13.
Jahrhunderts, und zwar nicht allein in der Art der
Auffassung des künstlerischen Motives, sondern auch in
der technischen Darstellung. In dem Verlangen, möglichst
getreu sich der alten Art anzuschmiegen, griffen sie natür-
lich auch zu den äußeren Mitteln, deren sich ihre Vor-
bilder bedient hatten und imitierten dieselben, genau so,
wie es in Deutschland vor nicht langer Zeit mit den
Niederländern und anderen „nachgedunkelten" Meistern
oft genug der Fall war. Vortreffliche Anregung fanden
sie außer in den vorzüglichen Bildwerken jener Zeit in
dem bekannten „Trattato della pittura" des Cennini,
welcher die technischen Handfertigkeiten der Zeit des
Giotto und seiner Nachfolger mit allen wünschenswerten
Details niederschrieb.

Man wird deshalb nicht erstaunt sein, daß nun-
mehr auch ein längst außer Übung gekommenes Ver-
fahren in den Künstlerwerkstätten jenseits des Kanales
wieder Verbreitung gefunden, welches direkt auf die Kunst-
übung des Quattrocento zurückführt, nämlich die Ver-
bindung von plastisch erhöhter Vergoldung mit der
Malerei; ja, an dem Bilde von Burne-Jones, „Perseus
und die Gräen" der direkten Veranlassung zu diesen Zeilen,
sehen wir solche vergoldete und versilberte Plastik auf die
Figuren des Bildes ausgedehnt. Perseus trägt eine relief-
artig erhöhte silberne Rüstung und die drei weiblichen
Figuren vergoldetes, faltiges Gewand; die Faltenzüge, die
Maschen des Panzers und die Schienen des Rüstzeuges
sind mit dem sog. Repariereisen vertieft; nur die Köpfe
und Hände sind gemalt. Trotz der Geschicklichkeit und
des großen Linienreizes der Darstellung, welche auf einer
rohen Holztafel ohne jeden Hintergrund aufgetragen ist,
kann der Beschauer sich des Gefühles von Bizarrerie
und Absichtlichkeit nicht erwehren. Aus dem merk-
würdigen Zwitterding zwischen Malerei und Vergolder-
arbeit ist aber ersichtlich, bis zu welcher Stufe der Voll-
endung die Art des „Gesso painting" in England bereits
gelangt ist. Unter dieser Bezeichnung ist die Ver-
wendung von Gips- oder Kreidemasse zu mehr oder
weniger starker Reliefbildung mit Zuhilfenahme des
Pinsels zu verstehen, wie sie uns auf den gemalten
Bildern mit erhöhten Gipsornamentcn, Heiligenscheinen w.
in hundertfacher Variation in der Zeit der Früh-
rcnaissance begegnet.

Eine derartige Auszierung des Gemalten mit er-
höhten Ornamenten läßt sich bis auf das Altertum
zurückverfolgen; die Ägypter kannten diese Art und
schmückten oft ihre Mumiensärge mit Figuren und Hiero-
glyphen, wovon man sich im Münchener Antiquarium
an einigen Beispielen überzeugen kann. Aus spät-

römischer Zeit (2. Jahrhundert unsrer Zeitrechnung)
stammen einige Mumienhüllen aus Fayum (im Berliner
Museum) mit erhöhten Tiergestalten und ebenso ge-
fertigtem Goldgeschmeide an Arm, Hals und Händen
der liegend dargestellten Toten, und so ist das gleiche
Verfahren auch auf die Byzantiner gekommen. In dem
Handbuch der Malerei vom Berge Athos handelt der
Abschnitt § 7 ausführlich davon und bei der Vorliebe
an überreicher Ausstattung von Bildwerken, wie sie
damals bei den Künstlern von Byzanz Sitte war, wurde
auch davon reichlich Gebrauch gemacht. Die griechischen
Künstler verbreiteten ihre Kunst und ihr technisches
Können nach dem Bildersturm des Konzils von Nicäa
in der ganzen damaligen zivilisierten Welt und ihnen
hat die Zeit des Quattrocento das meiste in dieser Be-
ziehung zu verdanken. Plastische Verzierungen und Ver-
goldung erhalten sich bei den Italienern lange in Mode;
Vivarini, Jacobello, Pinturiccchio wenden sie häufig an
und Crivelli (ff 1493) kann gar nicht genug davon auf
seine Bilder bringen; die vergoldete Schüssel des hl.
Petrus in der Brera zu Mailand oder der Pokal der
hl. Katharine der Berliner Galerie sind ja bekannt.
Die vornehme, abgeklärte Weise des Botticelli ver-
schmäht aber diese kleinlichen Äußerlichkeiten vollkommen,
bei ihm und seinen Nachfolgern verschwindet die An-
wendung von Gold im Bilde immer mehr; die Land-
schaft mit den tieferen Ausblicken verdrängt die plastische
Auszierung vergoldeter Hintergründe. Mehr auf den
kunstgewerblichen Boden verwiesen, behauptete sich aber
diese Technik bis auf den heutigen Tag. Zur Aus-
schmückung der Umrahmungen, Verzierung von Holz-
geräten, Truhen und anderer Gebrauchsgegenstände findet
und fand diese Gipserarbeit immer reiche Anwendung.
So ist es nun gekommen, daß infolge des eingehenden
Studiums der Kunst der Frührenaissance in England
auch die „Malerei mit Gips" von englischen Künstlern
wieder eingeführt wurde. Haben doch gerade Burne-
Jones und Walter Crane an dem Aufschwung des
Kunstgewerbes großen Anteil und verschmähen es hervor-
ragende Künstler nicht, Zeichnungen für diese Art der
Dekorationen auf Bilderrahmen und für Friese an-
zufertigen und auch selbst auszuführen.

Da es ganz sicherlich nicht lange dauern wird, daß
diese Technik auch bei uns Eingang findet, so möchte
ich auf einen fachmännischen Artikel von Walter Crane
in der englischen Kunstzeitschrift „The Studio", Mai
1893, Hinweisen, aus welchem überdies zu ersehen ist,
wie freimütig englische Künstler mit Stift und Feder
ihre reichen technischen Erfahrungen veröffentlichen. Nicht
minder interessant ist der Artikel von Matthew Webb
über dasselbe Thema der August-Nummer jener Zeit-
schrift; wer sich für „Gesso painting", zu deutsch mit
Reliefmalerei nur unvollkommen übersetzt, interessiert,
versäume nicht, die beiden erwähnten Artikel durch-
zusehen; manches Einschlägige wird auch in den alten
Quellenschriften über Maltechnik zu finden sein.

Zur Ausführung von „Gesso Work" auf grundierter
oder blanker Holztafel bedient man sich verschiedener
Mischungen von Gips, Kreide mit Leim und etwas Öl-
 
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