Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Vincenti, Carl Ferdinand von: Zum zehnten Todestage Hans Makarts: ein Gedenkblatt zum 3. Oktober 1894
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0030

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
X. Jahrgang. Heft 2.

15. Oktober 1894.

Herausgegeken von Friedrich Vecht -<

„Die Kunst sür Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag gehestet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post tReichspostderzeichnis Nr. 3750, daher. Verzeichnis Nr. 438, k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 1447) 3 M. KO Pf. für das Vierteljahr

(S Hefte); das einzelne Heft 75 Ps.

Lum zehnten KodeFtage tzan§ MaKartF.

Ein Gedenkblakk ;um 3. Oktober 1894.
von L. v. vincenti.


Bans Makart.

L

s ist Frühlingsnacht. In der Gußhansstraße zn Wien
öffnet sich ein Gitterthor im Barockstile nach einem
blühenden Gartengrunde. Eine lange Wagenreihe hält vor
dem Thor; Bnntlampen schweben in den Büschen, durch ein
hohes Bogenfenster bricht Lichtschein, Geigen und Violen
locken gedämpft. Im Vorraum mit köstlichen Teppichen und
Wandgemälden staut sich die Flut der Gäste; berauschende
Frauengestalten gleiten vorüber, Brokatschleppen knistern,
Geschmeide funkelt, fremdartige Gewänder verdämmern, ein
hoher Vorhang weicht und das schönste Malerheim, licht-
durchströmt, thut sich auf.

Wir sind bei Hans Makart zu einem Renaissancefeste.
Nächst der Thür steht er selbst, der kleine, zierliche, bleiche
Mann, mit dem mächtigen Künstlerkopfe in schwarzem Rubens-
wams und köstlichem Spitzenkragen. Still lächelnd empfängt
er die Gäste; Schönheit und Macht, in manchem Paare ver-
körpert, neigt sich dem Meister.

Ein glanzvolles Gewühl ist's: Künstlerblut, Blaublut,
Bühnenblut, Goldblut. Links zwischen den gewundenen Zier-
säulen einer freitragenden Treppenanlage steigen wir hinauf
zum Kunstboudoir des Sammlers Hans. Frauen kramen
neugierig in den Raritäten und Schnurrpfeifereien oder blicken
mit feuchten, glänzenden Augen in das schimmernde Treiben.
Welch ein Festraum, welch malerische Besestanpracht! Wird's
nicht lebendig an den Wänden, in den Rahmen, auf den
Staffeleien? Farbenzauber webt, die Pastosen glühen, die
gemalten Frauenleiber schauern auf . . . Wunder! Sie
steigen sachte aus Rahmen und Getäfel, lüstern nach Freude,
sie schütteln leise ihre goldkrustigen Gürtel und mischen sich
unter die Gäste. Geigen und Violen locken und seufzen .... Selbst die herbe „Artemis" verschmäht heute
eine Polonaise nicht, und „Kleopatra" mit der geheiligten Käfergemme auf der Brust ist Walzerkönigin. Jenes
Weib in heißem Venetianisch-Blond, ist's nicht „Catharina Cornaro"? Wie im Traume bewegt sich neben ihr,
bleich, still, mit halbgeschloffenen Augen, „Julia Capulet". An „Abundantien" fehlt es nicht, „Schneewittchen"
fächert sich, ein dunkles Marquisenköpfchen, das wie eine Blume auf dem Stengel ans schlankem Halse sitzt,
nickt aus der Menge; das blonde Gegenstück in Rokoko, gleichfalls aus der diplomatischen Welt, lacht und

Die Kunst für Alle X.

3
 
Annotationen