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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Rée, Paul Johannes: Was ist Kunst?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0326

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X. Jahrgang, tzeft 17

i. Juni 1895.

> Herallpgegeven von Friedrich Wecht

„Die Kunst für Alle" erscheint in halbmonatlichen Heften von 2 Bogen reich illustrierten Textes und 4 Bilderbeilagen in Umschlag geheftet. Bezugspreis im
Buchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis Nr. 3883, daher. Verzeichnis Nr. 441, k. u. k. österr. Zeitungsliste Nr. 1851) 3 M. 60 Pf. für das Vierteljahr

(6 Hefte); das einzelne Heft 75 Pf.

WaF ist Kunst-

Non De. Paul Johannes Ree (Nürnberg).

(Fortsetzung)

natürlich fällt die Thätigkeit des Kenners in vielen
Punkten mit der des Kunsthistorikers zusammen,
aber schließlich gehen doch beide getrennte Wege. Der
einzelne Kunstgegenstand, der für jenen Selbstzweck ist,
ist diesem nur Mittel zu einem höheren Zweck. Es
giebt bedeutende Kenner ohne einen besonders ent-
wickelten historischen Sinn, und ebenso könnte man her-
vorragende Kunstgelehrte nennen, deren Spezialkenntnisse
zur Kennerschaft nicht ausreichen. Nur so weit muß
der Kunsthistoriker Kenner sein als von nöten ist, um
das ihm vom Kenner überlieferte Material zu beur-
teilen. — Hat dieser an der Hand der Kunstwerke
unsere Aufmerksamkeit auf eine Fülle von Einzelheiten
gelenkt und unsere Sinne empfänglich gemacht für die
Eigentümlichkeiten der einem fortwährenden Wechsel
unterliegenden Formensprache der Kunst, so geht der
Kunsthistoriker den Ursachen nach, die diesem Wechsel
der Formen zu Grunde liegen, so stellt er sich die
Frage, wie die Mannigfaltigkeit zu deuten sei, und
sucht den geistigen Zusammenhang zu finden, der
zwischen diesen Einzelheiten besteht.

Ist der Kenner mehr oder minder Chronist, so
erscheint der Kunsthistoriker als Biograph der Kunst.
In dem nach dem Prinzip der Chronologie kon-
struierten Bilde, das ihm der Kenner zeigt, entdeckt er,
daß die Zeit nicht willkürlich die Dinge aneinander-
reihte, sondern vielmehr das eine aus dem anderen
hervorgehen ließ. Deutlich nimmt er wahr, wie auf
mühsamen Wegen die Höhen erklommen werden, auf
denen die Kunst sich am reinsten und schönsten ent-
faltete, und wie dann der Weg wieder hinabführt in
dieMiederungen, wo die zarte Blume Kunst nur schlecht gedeiht. Halten sich der Kunstfreund und der Kunst-
liebhaber mit Vorliebe auf jenen sonnenbeglänzten Höhen auf, so wird der Kunsthistoriker stets mit besonderem
Eifer jenen Auf- und Abstieg verfolgen, denn, nicht um Kunst zu genießen, geht er aus, sondern um zu
beobachten und festzustellen, wie diese mit den ihr widerstrebenden Elementen ringt, um einmal siegreich durch-
zudringen, das anderemal zurückgedrängt zu werden, um hier das geheimste Fühlen und Denken des Volkes

Zivei Wüttrr. Szene aus der Sintflut.

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Die Kunst für Alle X.

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