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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schultze-Naumburg, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [1]
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Die Brosze Berliner Kunstausstellung

von Paul Schulhe-llaumburg.

n einer nach so merkantilen Gesichtspunkten angelegten,
um nicht zu sagen, künstlerisch so belanglosen Aus-
stellung, wie der in Frage stehenden, thun mir immer die
vereinzelten wirklichen Kunstwerke leid. Denn es ist durch-
aus nicht wahr, daß sie sich von der erdrückenden Masse
der Marktware und der andern kläglichen Leistungen doppelt
günstig abheben, sondern sie gehen fast unbemerkt in ihr
unter, besonders, da man sie weder örtlich zusammenzu-
halten, noch stets durch den Platz
auszuzeichnen gewußt hat — der
hinterbleibende Eindruck ist der
der trostlosen Langweile, und wenn
diese Langweile auch den Kunst-
bericht ansteckt, so wäre das kein
Wunder.

Es ist ja ganz menschen-
freundlich , solche Ausstellungen
als große Verkaufshallen zu
definieren, in denen jeder, der
es versteht, sein Publikum zu
finden, auch seinen Vorteil finden
muß. Aber hochfliegend kann man
dann das der Veranstaltung zu
Grunde liegende Streben nicht
grad nennen. Und wie kann man
von Laien eine Kunstpflege ver-
langen, wenn die Fachleute selbst
so wenig künstlerischen Ernst von
den auszunehmenden Werken zur
Bedingung machen.

Der Gesamteindruck, den die
diesjährige Berliner Ausstellung
macht, unterscheidet sich also nicht
grad wesentlich von dem ihrer Vor-
gängerinnen. Und doch hätte sich
aus dem Material derselben bei
guter Auswahl eine zwar kleine,
aber doch ausgezeichnete Ausstellung arrangieren lassen,
die Berlin zur Ehre gereicht hätte. Daß das Prinzip
der Eliteausstellung nicht allein in München reali-
sierbar ist, davon kann man sich heut an gar vielen
Orten Deutschlands überzeugen — warum nicht auch in
Berlin? Wenn man dies Jahr von Dresden kommt,
so macht die Berliner Ausstellung einen geradezu de-
primierenden Eindruck. Die Notwendigkeit, sich durch
Hunderte und aberhunderte von gleichgültigen Machwerken
hindurchwürgen zu müssen, nimmt einem jede Stimmung
zum Genießen, und hat man dann einmal etwas gefunden,
was der Mühe wert ist, sich hinein zu vertiefen, dann
möchte man sich Scheuklappen umbinden, um durch den
Anblick der Umgebung nicht aus der Stimmung gerissen
zu werden.

Mich über die Legion dieser schlechten, uninteressanten
oder belanglosen Bilder des längeren zu verbreiten, darnach
fühle ich kein Verlangen. Ich will meine Leser nicht
ärgern mit Betrachtungen über all die Hunderte von
Porträts, die ihre Besteller gewiß entzücken, weil sie ähn-

lich oder gar geschmeichelt sind. Für meinen Kunst-
bericht sind sie belanglos. Auch nicht mit Betrachtungen
über die Proben einer offiziellen Kunst, die eine oft ganz
schöne Begabung zu Grunde gerichtet zeigen. Auch nicht
über die paar Dutzend von „modern" sein sollenden An-
strengungen, die ihre Entstehung nur der Nachahmungs-
sucht verdanken: schwache Reflexe eines oft guten Vorbildes.

Bei diesen letzteren sehe ich immer zwei große Gruppen:

eine solche von Leuten, die es über-
haupt nicht ernst nehmen, die ein-
fach das Publikum und die Kollegen
dazu düpieren wollen, indem sie
irgend eine Fexerei treiben, um sich
auf denselben interessanten Wegen
zu zeigen, wie der große F' oder A.
Das ist eine ganz fatale Gesellschaft.

Und dann eine zweite, die wirk-
lich in ehrlicher Begeisterung schafft,
aber deren Begabung nicht stark
genug ist, um etwas Lebensfähiges
zu erzeugen. Es sind mehr unbe-
wußte Imitatoren und das ent-
schuldigt sie wenigstens moralisch.
Sie bringen dann meistens Ar-
beiten hervor, die eine zu starke
Differenz zwischen dem Anspruch
an Bedeutung, den der Vorwurf
in sich trägt und der Lösung des-
selben lassen. Es sind dann manch-
mal ganz geschmackvolle Dekora-
tionen zweiten Ranges, die nur
nicht den prätendierten Anspruch
als Kunstwerk einnehmen, da der
ästhetische Genuß, den sie gewähren,
gering ist.

Also von all denen wollen wir
vorläufig nicht reden, sondern nur
von den Leistungen, die eine gewisse Harmonie zwischen
Können und Wollen zeigen und deren ihnen inne-
wohnende schöpferische Kraft über ein gewisses Niveau
hinausgeht. Ich will dies Niveau durchaus nicht so hoch
ziehen, daß ich nur von Werken rede, die in Wahrheit und
Tiefe der Empfindung vollkommen der Ausdruck unserer Zeit
sind, und die an Schönheit und Harmonie der Bildwirkung
dem gleichkommen, was wir im Prinzip bei den großen
Alten sehen — denn dann käme wohl nicht viel zu-
sammen —; nur an all dem, was die Devise trägt:
„zu wenig schlecht zum Refüsieren, zu wenig gut, um Ge-
nuß daran zu haben", möchte ich vorübergehen. Daß
die Ausstellung dabei noch eine ungeheuer große Zahl
von Machwerken beherbergt, die man nur mit einem Blick
streift, um den Gedanken durch den Kopf ziehen zu lassen:
„wie ist es möglich, daß so etwas aufgehängt wird" — das
sei nur noch nebenbei gesagt.

Aber konzentrieren wir zuerst einmal unsere Elite-
Ausstellung.

Unter all dem, was Berlin dazu beisteuert, steht

Plakat für die Berliner Aunstausstellung ^8A7.

Die Kunst für Alle XII, 18. 15. Juni 1897.

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