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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 5 (Februar 1930)
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Brües, Otto: Presse und Schrifttum
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Herrigel, Hermann: Bemerkung: Auftrag und private Sphäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0383

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Derleger eineni irgendwie gearteten Druck nachgeben. Aber daö Wort „Kultnr"
fi'el freilich so oft, daß eS fchon dadurch arg entwertet schien. Der Leser will über
Sport, Radio und Film berichket wissen, das hat alles seinen Si'nn und seine Rich-
tigkeit; aber immer hat einmal ein Blatt zuerft nachgegeben und immer sind dann
die andern gefolgt und immer ift eine Zeitung, ftatt Notwendiges mit Maß zu kun,
der Konjunktur zuerft nachgelaufen. Eine der Lehren des politi'schen Zusammen-
bruchs war es, daß die von außen her gestutzten Autoritäten sich als morsch erwiesen.
Daher gibt es einige Zeitungsleute oon Einsicht und Sprechergewicht, die erklären
der Leser wolle nicht belehrt, sondern unterhalten sein; dws Dolk zu erziehen ver-
suchen, hieße, sich zu einer angemaßten Autori'tät aufzuwerfen. Nun, wenn man
das nicht will, bevormunde man den Leser nicht, sondern unterrichte ihn zunächst
sachlich; das ist an sich schon eine schwierige Aufgabe.

Sofern dieser Standpunkt, man solle den Leser nicht erziehen, nicht dazu dient, die
eigne Schwäche zu bemänteln, hat er einiges fur sich; aber für einen nicht geringen
Teil der Leser ist seine Zeitung immer noch „Aukorität". Wie lange noch? Die
Geltung etwa der politischen Parteien in ihrem heutigen Aufbau ist unterhöhlt;
wenn nicht die Vorstöße der nachrückenden Altersstuse Abhilse schassen, stchen wir
erneut vor dem Abgrund. Ähnlich wie die Parteien verhalten sich die Zeitungen —
man wagt nicht, den Lesern die ungeschminkte Meinung der Gegner vorzusetzen.
Man trisft auS dem Schriftkum die grobe Auswahl nach dem parteipoli'tischen Be-
kenntnis. Man gibt einer Geschmacksverdcrbnis, an der man selbst Mitschuld hat,
mit kluggesetzten Worten dennoch nach. Sollte dann ni'cht einmal der Tag herauf-
ziehen, an dem, wi'e setzt die Parteidämmerung, die Zeitungsdämmerung anhebt?
Heuke schon beginnt z. B. ein Teil des Theaterpublikums sich sei'ne Meinung auch
gegen die zünftige Kritik zu bilden; nicht allein, was im Blatt und im Blättchen
fteht, vermag über den Erfolg zu entscheiden; wa<s einer dem andern im Gespräch
berichtet, gibt den Ausschlag. Jst es nicht auch mit der Werkung politischer Er-
eignisse schon längst so? Für die Bläschen an der Dberfläche des GeschehenS,
di'e l'n den Zeitungen gezählt und mit viel Scharfsinn beschrieben werden, hat das
Bolk kein Verständnis, ohne daß mans deshalb gleichgültig schimpfen dürfte. Im
Buchhandel „gehen" die Werke aufgeplusterten ErfolgS, in den Lei'hhallen daneben
auch noch manch andere Gattung von Büchern. Die Anzeichen solcher Zeitungs-
inüdigkeit mehren sich; man kann eines TageS einer Bestrebung gegenüberstehen,
die auf dem Wege der Selbsthilse die alte verschlammte ZeitungSart durch eine neue
zu ersetzen ftrebt und also auch die Bcziehung zwischen Schrifttum und Presse anderS
wertet, als es jetzk geschieht. Ob dann die fetten Überschristen, größer als der Tert,
noch verfangen? Ob dann, statt der Pflicht, zu berichten, die Wollust, zu schwätzen
und damit die Sensation noch gelten wird? Für den Augenblick siehts freilich so
aus, als ob der Leser Siebenschläfer sich noch einlullen ließe. Ob er immer schlafen
wird? Wacht er auf, so kann die Deziehung zwischen Schrifttum und Presse wieder
gesunden und, was heute zufällig nebeneinander herläust, sich dnrchdringen und
einander bedingen.

Bemerkung

Auftrag und private Sphäre
Don Hermann Herrigel

^^er Richter ist bekanntlich kcin Beamter. Er ist unabhängig und in der AuS-
^^übung seines Amts an keine Di'enstvorschrift außer dem Gesetz gebunden. Er
hat nach seiner Kenntni'S des Rechtes und nach bestem Wissen und Gewissen Recht
zu sprechen. Aber seine Kenntnis des Rechtes ist beschränkt, sie ist bei dem einen
Richter größer als bei dem andern; anch sei'ne Urteilsfähigkeit, seine praktische Lebens-

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