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Antiquitäten-Zeitung — 2.1864

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Berbürgte . | ' t 1 O 1 Verbürgte
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Aage v und Alterthumskunde. uf age *
Herausgegeben unter Mitwirkung bewährter Fachleute von Udo Beckert in Stuttgart, Böblingerſtraße 2.
Y 23 Abonnement: Stuttgart, 20. Juni 1894, n Anzeigen : .
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weiter ein Improviſator oder ein Muſikant die müßige
Menſchheit un ſich her verfahimelt, da iſt Penied ſicher-
lich der Letzte, der daran denkt, daß er Beſſeres zu thun

* 9 SA P ich dächte, die hHelle, glockenreine Stimme des KAnaben

Der B äckerjunge von Neapel. —— — 7 46 Ich 8*

gentheil höre ihn für mein Leben gern fingen und träl-

Eine — lern und freue mich über die Gottesgabe, die
* — * ** in feiner leichibeweglichen Kehle liegt.

S. von Remagen. MT | } „Nun ja, freilich,“ meinte Frau Sybilla

Gachdruck verboten.) etwas jarfajtijh ; „Du bift ja auch in Deiner

— — Jugend, ehe der Mehlſtaub und die Körper-

fülle Dich daran hinderten, ein gewaltiger
Meier Matteo, der allbekannte und in

Sänger und Amatore geweſen, da iſts na-
feined Weiſe berühuite Bäcker aus der Tole— türlich, daß Du des Zungen Gebahren in
doſtraße in Neapel, ſtand vor der Thür ſeines Schutz nimmſt. Aber nun frage ich Dich: was
Haͤuſes und blickte mit gugenſcheinlicher Un— in aͤller Welt ſingt denn der Menico? Sind
geduld in die Ferne. Die Augen durch die das Lieder, die man ſonſt irgendwo ſchon ge-
Hand geſchützt bog er ſich bald nach xrechts, hört hat, und in die man allenfalls, wenn
Sinem ’mal gerade ſo zu Muthe wäre, mit
einſtimmen könnte? Nein, ſage ich, nein, was
der Juuge da ſingt, kenut Nieniand. Kein
Maeſtro auf der ganzen Welt wird Dir ſagen
können, wo er das erlauſcht hat.“

Hm, das iſt wahr,“ ſagte Matteo und
ſchob fich ſein Käppchen zurecht, „der Junge
bringt nie und nimmer eine bekannte Melodie
zu Markte. Ich habe mich auch ſchon im
Stillen darüber gewundert.“

Siehſt Du wohl!” rief Sybila. „Und
darum iſt auch des Zungen ganzer Singſang
dummes Zeug, purer Unſinn, und er thäte
viel beſſer zu ſchweigen.“

Nein, Frau, nein,“ ſagte Matteo, „da
haſt Du Unrecht. Laß ihn nur trällern. Und
wenn er ſich ſeine Melodien ſelbſt macht, um
ſo beſſer! Einer muß ſie doch immer zuerſt
erdenken, und es iſt am Ende gleichviel, ob es
ein Porpora war, ein Scarlattt, ein Sacchini,
oder wer es ſonſt iſt, der ſie erdachte.“

Die Frau lachte. Es kam ihr doch gar
zu ſpaßhaft vor, daß Matteo den Menico mit
jenen großen Meiſtern unter ihren Landsleuten
derglich, die alle Welt durch den Reichthum
und die Schönheit ihrer muſikaliſchen Schöpf-
ungen in Begeiſterung verſetzten.

„Der dumme Iunge!! ſagte ſie noch im
Hineingehen halblaut zu ſich ſelhſt. „Wenn
der nur dermaͤleinſt einen ordentlichen Mais-
kuchen backen lernt, kann er ſchon ganz zufrie-
den ſein mit ſeinem Looſe.“

Endlich kam der Donienico. Athemlos
keuchte er einher, ſich mühſam den Weg bah-
nend durch das Gewühl auf der Straße Das
leere Backbrett trug er auf dem Kopfe :„die
rechte Hand hielt e& feſt guf demjelben . b⸗
rend die Linke auf dem Deckel eines *i

einander von Fußgängern, Reitern, Sänften
und Karoſſen, welche dieſe Hauptſtraße Neapels
faſt unausgeſetzt beleden, Dasjenige oder Den-
jenigen um etliche Sekunden früher zu erſpähen,
deſſen Ausbleiben ihn nachgerade zu beun-
ruhigen begann.

Noch immer nicht!“ brummte er vor ſich
hin. „Das zweite Einſchiebſel iſt längſt aus
dem Ofen! Die Kunden werden zanken, aber
was macht ſich der Schlingel ant Ende daraus,
wenn ich eine Einbuße erleide?“

„Ja wohl, ja wohl!“ beſtätigte Frau
Sybilla, Matteo'z Ehehälfte, welche jetzt eben-
falls vor das Haus getreten war und mit.
zornig funkelnden Augen nach dem Saum-
feligen die Straße entlang ſchaute. Kommiſt
Du endlich dahinter, was für ein Nichtsnutz
der Junge iſt? Es iſt eine Sünde und Schan-
de, wie nachläſſig der Sauſewind geworden
iſt. Aber ſo geht’3 unmöglich länger! Wenn
er nicht pünktlicher, zuverläfſiger und flinker
wird, kaun aus dem Menico im Leben nichts
werden, und je eher wir ihn ſeinem Vater
wieder ausliefern und ihm ſagen: „Da, mach'
Du etwas aus Deinem Jungen! Ein tüch-
tiger Bäcker wird er nun und nimmermehr!“
je beſſer für ihn und für uns!“

Nun, nun, Mutter! ſagte Meiſter Mat-
teo, ſo ſchnell wollen wir doch nicht über den
Menico aburtheilen! Mit Kindern muß man
Geduld haben! Wir haben ja auch als kleine
Menſchen die Geduld unſerer Eltern und An-
gehörigen nöthig gehabt, — das dürfen wir
nicht bergeſſen. Und der Menico iſt wahr-
lich nicht einer der Schlimmſten; ja er geht
mir ſchon ſehr gut zur Hand beim Backen,
und den Verkauf beſörgt er beſſer und um-
ſichtiger als alle ſeine Vorgänger. Und vor Ledertäſchchens ruhte, das er an einem D
allen Dingen iſt er grundehrlich, Mutter — z : 2 Gürtel um den Leib geſchnallt Irug ıf
das müſſen wir nur recht feſt im Auge be— welchem der Erlös für die verkaufte ,
halten.“ Der Bäckerjunge von Neapel. (Text neben.)

Aber ein Herumtreiber iſt er,“ brummte
die Frau. „Sin Träumer, ein Zeitvergeuder. Vor keiner
Bude mit Puleinelli kommt er glatt vorüber: dawird
ſtehen geblieben und gegafft. Und wenn zehn Schritte

hätte, als hier Poſto zu faſſen. Und dann ſein abſcheu— ——
licher Singſang“ ng wieder
„Aoicheulich ?“ unterbrach ſie Maiteo. „Ei, Sybilla, | lange aufgehalten? Aber nun komnt, komm’! D
 
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