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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 5/6
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Houben, Heinrich Hubert: Bilderzensur im Vormärz: Fragmente aus einer Geschichte der Zensur
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0092

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BILDERZENSUR IM VORMÄRZ

Die Zeiten wurden aufgeregter, die foziale Frage [chlug ihre beängftigenden Wellen,
und es galt den Äugen wenigftens des harmlos Vorüberwandelnden alles zu entziehen,
was ihn aus feinem zufriedenen Gleidimut bringen konnte. Die Polizei kam mit dem
berühmten „Normalmenfchen“ nieder, auf den pch nun mehr und mehr die Kulturwelt,
oder was fich dafür hält, einzuftellen begann. Julius Hübners Bild „Die Mißheirat“,
wurde 1845 auf der Berliner Kunftausftellung nur nach langen Verhandlungen zu-
gelaffen, weil es offenbar gegen den Ädel aufreizte. Ein anderes „Die Weber“, wurde
ganz verboten, denn von der Not der fchlefifchen Weber durfte öffentlich nichts ver-
lauten. Ein drittes Bild, Kopf und Oberleib eines ruhenden Mädchens von Schiavone,
erregte Anftoß wegen Lüfternheit. In Wien kamen religiöfe Ängfte hinzu. Leffings
„Huffitenpredigt“, die ein dortiger Kunfthändler auszuftellen gewagt hatte, mußte
fchleunigjt wieder aus dem Schaufenfter entfernt werden, und „Alba unterfchreibt das
hundertfte Todesurteil“ von Perger durfte fich dort gar nicht öffentlich zeigen. Es
waren peinliche Erinnerungen, die es wecken konnte.

So gefeilte fich zur Bilderzenfur noch die Bilderpolizei. Die erftere fand auf den
Barrikaden von 1848 ein ruhmlofes Ende. Vom Tode der letjteren aber berichtet
kein Buch, kein Heldenlied, und wenn fie nicht geftorben ift, fo lebt fie noch heute.

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