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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 5/6
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Houben, Heinrich Hubert: Bilderzensur im Vormärz: Fragmente aus einer Geschichte der Zensur
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0091

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BILDERZENSUR IM VORMÄRZ

des öfterreichifchen Kaifers geworden war! Diefe Zärtlichkeit für den Schwiegerfohn
drückte pich noch in den Zenfurmaßregeln der dreißiger Jahre aus, und demnach wurde
dem obigen Künftler der Drude der durchaus unverfänglichen Platte unterfagt. Der
Kupferftecher war natürlich über den ihm dadurch erwachfenen Verluft in Verzweiflung.
Da legte fich denn die Gutmütigkeit des öfterreichifchen Beamten, die ftets das meifte
zur Linderung der vormärzlichen Zenfurnot beigetragen hat, ins Mittel. Der Mann
erhielt den Rat, feinem ungehörigen Napoleon einen großen Schnauzbart anzuäjjen
und die Platte nach einigen Wochen wieder vorzulegen; ßie wurde dann einem andern
Zenfor unterbreitet, der von dem Urbild nichts wußte, und „paffierte ohne Anftand“.

Hößfche Rückfichten diefer Art machten fich in öfterreich noch viel ftärker geltend
als in Preußen. In Altöfterreich durfte überhaupt keinem Staatsmanne, keinem Feld-
herrn oder Meifter der Kunft und Wiffenfchaft eine Statue errichtet werden, und es
galt als ein Durchbruch heiligfter Überlieferungen und als eine umftürzlerifche Tat des
Fortfehritts, als die Regierung im Jahre 1842 den Salzburgern erlaubte, dem „Mufi-
kanten“ Mozart ein Denkmal zu fefeen. Ein öfterreichifcher Künftler zeichnete 1836
die Krönung Kaifer Ferdinands, um das Blatt in Steindruck herauszugeben. Dazu
mußte er die Zeichnung der Zenfurbehörde in Prag vorlegen. Diefe hatte auch gegen
die Arbeit im allgemeinen nichts einzuwenden, fie wünfehte nur eine Kleinigkeit ge-
ändert: der Künftler follte erft das Charakteriftifche aus den Geflehtem der zur Krö-
nungsfeier Verfammelten entfernen und alles „recht freundlich“ machen; fo wie die
Sache jefet wär’, dürfe fie nicht ins Publikum.

Genau fo war es dem Maler Amerling ergangen, als er eigens von Rom nach Wien
berufen wurde, um das Porträt des guten Kaifers Franz zu malen, deffen Volkstüm-
lichkeit dem Forfcher immer ein Rätfel bleiben wird, wenn er fie nicht auf das Soll-
konto der öfterreichifchen Intelligenz fchreiben will. Das Porträt war für die Galerie
zu Laxenburg beftimmt. Kaifer und Kaiferin waren von dem Werke Amerlings fehr
befriedigt; nur fchien Iefeterer der Gefichtsausdruck ihres Gemahls zu ftreng, und fie
bat den Künftler, dies etwa durch ein leichtes Lächeln um den Mund zu lindern.
Amerling wollte aber davon nichts wiffen. Sein Bild wurde deshalb der Laxenburger
Galerie nicht einverleibt und auch eine für Friedrich Wilhelm III. beftimmte Kopie von
des Künftlers eigener Hand nicht nach Berlin gefandt. Die Polizeihofftelle ihrerfeits
hielt ftrenge darauf, daß ein Bild des Kaifers oder eines Prinzen, das zur Verbreitung in
Kupferftich, Steindruck oder Holzfchnitt beftimmt war, nur immer in Uniform mit Ordens-
fdimuck gegeben wurde, weil es fich „zur Darftellung in Zivilkleidern nicht eigne".
Noch kleinlichere Marotten liefen bei diefer polizeilichen Bilderzenfur in Wien mit unter.
Für die vom Kaifer Jofeph begründete Porträtgalerie des Burgtheaters follte 1822 ein
Bild Ifflands gemalt werden, kein Original, fondern nur die Kopie eines Berliner
Originals, das den berühmten Schaufpieler mit dem roten Adlerorden darftellte. Diefer
Orden wurde in öfterreich nicht zugeiaffen und auch einem lithographifchen Inftitut in
Wien 1823 ausdrücklich verboten, auf dem Bild Ifflands den Orden anzubringen.

Das Recht am eigenen Bilde zu wahren, war ebenfalls Aufgabe der Zenfurhofftelle.
Porträts lebender Perfonen durften nur dann geftochen oder lithographiert werden,
wenn der Dargeftellte felbft die fchriftlidie Einwilligung zum Abdruck gegeben hatte.
Bei Fürften, berühmten in- und ausländifchen Staatsmännern, Gelehrten, Künftlern ufw.
konnten Ausnahmen von diefer Regel ftattßnden; darüber hatte aber nur die Polizei
zu beftimmen, die alfo unter allen Umftänden die Andrucke erft zu genehmigen hatte.

Die Zunahme der Kunftausftellungen erweiterte dann die Befugniffe der Polizei.

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