BILDERZENSUR IM VORMÄRZ
Noch eine zweite Form ungefetjlicher Zenfur hatte pich in Preußen eingeniftet. Sie
war hößfchen Urfprungs, wie die Mehrzahl ihrer Gefpielinnen, und ging nur die Bild-
hauer an. Sie war auch weniger eine Bilder- als eine Pferdezen|ur. Sie beftimmte
nämlich, daß nur gekrönte Häupter in Denkmälern aufs Pferd gefetjt werden dürften.
Daher gehen die altpreußifdien Helden der Befreiungskriege, Scharnhorft, Gneifenau,
felbft Blücher, in Berlin Unter den Linden ufw. alle zu Fuß. An diefer Beftimmung
ift 1817 die Ausführung eines Blücherdenkmals, das der große dänifche Bildhauer
Thorwaldfen für Breslau fchaffen follte, gefcheitert. Er wollte den Marfchall Vorwärts
finngemäß beritten machen, was man ihm aber aus obigen Grunde nicht erlaubte.
Dadurch verlor er die Luft an dem Ganzen, was um fo mehr zu bedauern ift, als er
diefes Denkmal hauptfächlich des Ruhmes wegen fchaffen wollte und damit gewiß eines
feiner Meifterwerke geliefert hätte.
Übrigens unterftanden auch die Infdiriften auf öffentlichen Denkmälern ebenfo wie
auf Grabfteinen durch Minifterialverfügung vom 13. Auguft 1824 einer befonderen
Zenfur. Und zwar hatten diefe die Ortsprediger auszuüben, zur Vermeidung fehler-
hafter und unfchicklicher Infchriften. Eine Zenfur der erfteren, rein korrigierenden Art
möchte man heute wohl manchmal wünfchen; von jedem Spaziergang durch die reklame-
überfüllten Straßen einer Großftadt kann man einen ganzen Sack echt Wuftmannfcher
„Sprachdummheiten“ mit nach Haufe bringen.
Die Gefetjgeber Öfterreichs gingen von jeher in Zenfurfadien gründlicher vor als die
Norddeutfchlands, die meift im Kielwaffer der Staatsmänner Wiens einherplätfcherten,
noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Gegen unfittliche Bilder und ihre Verbreiter
beftanden im Reiche Maria Therefias drakonifche Gefetje, die erft durch Kaifer Jofephs
Reformen gemildert wurden. Kupferftiche, die nichts als ein Porträt oder „einen
andern an fich ganz gleichgültigen Gegenftand“ darftellten und keine andere Auffchrift
als den Namen oder die Zueignung enthielten, waren zenfurfrei. Die verfchärfte
Zenfurordnung von 1795, die der unter Jofeph eingeführten Preßfreiheit ein energifches
Ende machte, unterteilte Kupferftiche ohne Ausnahme, wenn pe zum öffentlichen Ver-
kauf beftimmt waren, derfelben Zenfur wie Bücher; vor dem Stich mußte das Original
der Zeichnung vorgelegt werden. Diefe Vorfchrift blieb im wefentlichen beftehen; man
milderte fie fpäter nur dahin, daß der Verleger auf eigene Gefahr einen Probedruck
des Kupferftichs, der Lithographie ufw. herftellen und diefen der Zenfur vorlegen
durfte; doch wehe ihm, wenn er mehr als diefen einen, für die Zenfur beftimmten
Abdruck machte! Ein befonderer Erlaß der Polizeihofftelle vom 27. Juni 1831 dehnte
diefen Zenfurzwang auch auf das ganze Kunftgewerbe aus, foweit es irgendein Er-
zeugnis mit einer Abbildung fchmücken wollte. Über das, was zuläffig und unzuläffig
war, gab es — wie immer bei der Zenfur — keine fefte Definition; das richtete pch
nach den Zeitverhältniffen und den jeweils geltenden befonderen Inftruktionen. Und
daß diefe in öfterreich ganz merkwürdig komplizierte Eigenheiten hatten, ift aus der
Literaturgefchichte genügend bekannt. Auch Kunft und Kunftgewerbe hatten unter den
fonderbaren Geiftesblähungen der öfterreichifdien Zenfurbeamten manches zu leiden.
Einen köftlichen Fall diefer Art erzählt der Wiener Schriftfteller Ludwig Auguft Frankl.
Eines Tages brachte ein Kupferftecher eine Platte mit zwanzig bis dreißig Modellzeich-
nungen zur Zenfur; darunter befand fich auch der Entwurf eines Damenuhrkäftchens
mit einer darauf angebrachten Napoleonftatue. Nun hatte es eine Zeit gegeben, wo
Napoleon in öfterreich ein Noli me tangere war, und kein Schrißfteller und Dichter
feine Exiftenz überhaupt andeuten durfte. Befonders nachdem er der Schwiegerfohn
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Noch eine zweite Form ungefetjlicher Zenfur hatte pich in Preußen eingeniftet. Sie
war hößfchen Urfprungs, wie die Mehrzahl ihrer Gefpielinnen, und ging nur die Bild-
hauer an. Sie war auch weniger eine Bilder- als eine Pferdezen|ur. Sie beftimmte
nämlich, daß nur gekrönte Häupter in Denkmälern aufs Pferd gefetjt werden dürften.
Daher gehen die altpreußifdien Helden der Befreiungskriege, Scharnhorft, Gneifenau,
felbft Blücher, in Berlin Unter den Linden ufw. alle zu Fuß. An diefer Beftimmung
ift 1817 die Ausführung eines Blücherdenkmals, das der große dänifche Bildhauer
Thorwaldfen für Breslau fchaffen follte, gefcheitert. Er wollte den Marfchall Vorwärts
finngemäß beritten machen, was man ihm aber aus obigen Grunde nicht erlaubte.
Dadurch verlor er die Luft an dem Ganzen, was um fo mehr zu bedauern ift, als er
diefes Denkmal hauptfächlich des Ruhmes wegen fchaffen wollte und damit gewiß eines
feiner Meifterwerke geliefert hätte.
Übrigens unterftanden auch die Infdiriften auf öffentlichen Denkmälern ebenfo wie
auf Grabfteinen durch Minifterialverfügung vom 13. Auguft 1824 einer befonderen
Zenfur. Und zwar hatten diefe die Ortsprediger auszuüben, zur Vermeidung fehler-
hafter und unfchicklicher Infchriften. Eine Zenfur der erfteren, rein korrigierenden Art
möchte man heute wohl manchmal wünfchen; von jedem Spaziergang durch die reklame-
überfüllten Straßen einer Großftadt kann man einen ganzen Sack echt Wuftmannfcher
„Sprachdummheiten“ mit nach Haufe bringen.
Die Gefetjgeber Öfterreichs gingen von jeher in Zenfurfadien gründlicher vor als die
Norddeutfchlands, die meift im Kielwaffer der Staatsmänner Wiens einherplätfcherten,
noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Gegen unfittliche Bilder und ihre Verbreiter
beftanden im Reiche Maria Therefias drakonifche Gefetje, die erft durch Kaifer Jofephs
Reformen gemildert wurden. Kupferftiche, die nichts als ein Porträt oder „einen
andern an fich ganz gleichgültigen Gegenftand“ darftellten und keine andere Auffchrift
als den Namen oder die Zueignung enthielten, waren zenfurfrei. Die verfchärfte
Zenfurordnung von 1795, die der unter Jofeph eingeführten Preßfreiheit ein energifches
Ende machte, unterteilte Kupferftiche ohne Ausnahme, wenn pe zum öffentlichen Ver-
kauf beftimmt waren, derfelben Zenfur wie Bücher; vor dem Stich mußte das Original
der Zeichnung vorgelegt werden. Diefe Vorfchrift blieb im wefentlichen beftehen; man
milderte fie fpäter nur dahin, daß der Verleger auf eigene Gefahr einen Probedruck
des Kupferftichs, der Lithographie ufw. herftellen und diefen der Zenfur vorlegen
durfte; doch wehe ihm, wenn er mehr als diefen einen, für die Zenfur beftimmten
Abdruck machte! Ein befonderer Erlaß der Polizeihofftelle vom 27. Juni 1831 dehnte
diefen Zenfurzwang auch auf das ganze Kunftgewerbe aus, foweit es irgendein Er-
zeugnis mit einer Abbildung fchmücken wollte. Über das, was zuläffig und unzuläffig
war, gab es — wie immer bei der Zenfur — keine fefte Definition; das richtete pch
nach den Zeitverhältniffen und den jeweils geltenden befonderen Inftruktionen. Und
daß diefe in öfterreich ganz merkwürdig komplizierte Eigenheiten hatten, ift aus der
Literaturgefchichte genügend bekannt. Auch Kunft und Kunftgewerbe hatten unter den
fonderbaren Geiftesblähungen der öfterreichifdien Zenfurbeamten manches zu leiden.
Einen köftlichen Fall diefer Art erzählt der Wiener Schriftfteller Ludwig Auguft Frankl.
Eines Tages brachte ein Kupferftecher eine Platte mit zwanzig bis dreißig Modellzeich-
nungen zur Zenfur; darunter befand fich auch der Entwurf eines Damenuhrkäftchens
mit einer darauf angebrachten Napoleonftatue. Nun hatte es eine Zeit gegeben, wo
Napoleon in öfterreich ein Noli me tangere war, und kein Schrißfteller und Dichter
feine Exiftenz überhaupt andeuten durfte. Befonders nachdem er der Schwiegerfohn
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