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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 5/6
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Bombe, Walter: Die Neuordnung der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0099

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DIE NEUORDNUNG

DER DÜSSELDORFER KUNSTGEWERBESCHULE

Der ungeahnte Auffchwung, den dasKunftleben
Düffeldorfs in den lebten Jahren genommen hat
und der pch in der vorjährigen großen Kunft-
ausßellung offenbarte, follauch im künftlerifchen
Unterrichtswefen eine tief einfchneidende Ver-
änderung herbeiführen. Es handelt fich um die
Kunftgewerbefchule, jene Pflanzftätte künftle-
rifcher Ausbildung, die, zwifchen Gewerbefach-
fchule und Kunftakademie ftehend, feit langem
Gegenftand mancher Bedenken war. Diefe rich-
teten pch zunächft gegen den Architekturunter-
ridit, der die Studierenden nicht in genügendem
Maße mit praktifchen Arbeiten des Faches in
Berührung brachte und vor allem gegen den
Betrieb der kunftgewerblichen Ausbildung. Das
moderne Kunftgewerbe beruht mehr denn je auf
einer gründlichen technifchen Grundlage, es for-
dert Materialkenntnis, Koftenberechnung und
handwerkliches Können. Das künftlerifche Neu-
fchaffen und Entwerfen wird immer nur die
Aufgabe verhältnismäßig Weniger und befon-
ders Begabter fein, die ihre Ausbildung an der
Kunftakademie vervollftändigen können, während
für die meiften die Schule für Handwerk und
Induftrie die erforderliche Ausbildung gewähr-
leiftet. Sie wurde denn auch bisher von dem
gefund empfindenden Handwerkerftand bevor-
zugt, während die Kunftgewerbefchule der Tum-
melplatz hochftrebender, ihrer Entfchließungen
noch nicht ßcherer Menfchen war, die ßch nach-
her nicht mehr in den praktifchen Betrieb zurück-
fanden.

Das Beftehen der beiden Lehranftalten mit
gleichartigen Lehrzielen wirkte notgedrungen
eher verwirrend als fördernd und belaftete den
Haushaltungsetat der Stadt Düffeldorf unnötig.
Es wurde daher in der Stadtverordnetenpßung
vom 19. Februar mit überwiegender Zuftimmung
befchloffen, der Kunftgewerbefchule den bisher
gewährten Zufchuß zu entziehen und fie fo auf-
zuteilen, daß die Kunftakademie die Architek-
turklaffe, die gewerbliche Fachfchule die rein
kunftgewerblichen Fächer übernähme. Die Pflege
derBaukunft im Zufammenhang mit den Schwe-
fterkünften Malerei, Skulptur und Raumkunft
wird gewiß befruchtend auf die Entwicklung
des gefamten baukünftlerifchen Schaffens des
heranwachfenden Künftlergefchlechtes wirken.
Von befonderem Intereffe ift für weitefte Kreife
natürlich die Ausbildung des Handwerker-Nach-
wuchfes in der des Ausbaues fähigen Fachfchule
für Handwerk und Gewerbe. Neben Tages-
klaffen follen hier Abend- und Sonntagskurfe
eingerichtet werden, die auch den weniger Be-
mittelten ein Vorwärtskommen gewährleiften.

Je nach der Länge und dem Erfolg des Schul-
befuches werden die Teilnehmer ein Gehilfen-
und fpäter Meifterexamen ablegen können, das
fie dauernd dem Handwerk einverleibt. Den
darüber hinaus Strebenden fteht die Aufnahme
in noch zu fchaffende kunftgewerbliche Klaffen
der Kunftakademie offen.

Infolge der gewaltigen Verlufte gefchulter
Kräffe wird die Erweibsmöglichkeit fgftematifch
ausgebildeter Handwerker nach dem Kriege eine
äußerft günftige fein. Geht doch außerdem unfer
ganzes Streben dahin, in den breiteften Schich-
ten des Volkes eine neue, von Gefchmacks- und
Nüßlichkeitsprinzipien getragene Wohnungs-,
Hausgeräts- und Kleiderkultur heimifch zu
machen, wozu taufende und abertaufende ge-
fchulte Hände erforderlich find. Gewiß werden
die großen Richtlinien künftlerifcher Entwicklung
unferes Kunftgewerbes immer nur von wenigen
Auserwählten erfchloffen werden, aber ße be-
dürfen eines großen Heeres verftändnisvoller
Kunftgewerbler und Handwerker, wie ße nur eine
Fachfchule großziehen kann. In der neu zu or-
ganifierenden gewerblichen Düffeldorfer Fach-
fchule werden deshalb neben der zeichnerifchen
Ausbildung vor allem die praktifchen Seiten des
Kunftgewerbes berückpchtigt werden wie Mate-
rial- und Arbeitskunde, Koftenberechnung, Buch-
führung und Gefchäftskunde. Die Äbendkurfe,
meift von Leuten befucht, die Tags über prak-
tifch im Berufe tätig ßnd, follen zu Fachkurfen
mit abfchiießender Meifterprüfung ausgebaut
werden, unter befonderer Berückfichtigung des
Mafchinenbau-, Metall- und Baugewerkfaches.

In ideeller wie in wirtfchaftlicher Beziehung
würde die Aufteilung der Kunftgewerbefchule
einen großen Vorteil für die Stadt bedeuten. Das
Lehrerperfonal könnte ohne Schwierigkeiten auf
die beiden Anftalten Akademie und Fachfchule
verteilt werden, die Räumlichkeiten und Unter-
haltungskoften würden ßch bedeutend vermin-
dern, der geplante Neubau einer Kunftgewerbe-
fchule ßch erübrigen und die Handwerkerfchule
mit ihren Sammlungen und Arbeitsateliers endlich
einen feften Wohnpß bekommen. Außerdem wird
fortan, durch Vereinigung der bisher beftehenden
„Fachfchule für Handwerk und Induftrie“ mit der
„gewerblichen Fortbildungsfchule“, die Konkur-
renz diefer beiden faft gleichartigen Inftitute auf-
gehoben werden und große Vorteile auf wirt-
fchaftlichem, unterriditlichem und erzieherifchem
Gebiete zeitigen. Der neuen Fachfchule wird ßch
außerdem eine Zeichen- und Handfertigkeitsfchule
für Knaben und Mädchen angliedern, welche dem
jeßt fo oft betonten Programm „freie Bahn dem

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