DER KUNSTMARKT
ZWEI TOTE
In Berlin ist in der ersten Augusthälfte
der bekannte Sammler Geheimrat Eduard
Arnhold im Alter vom 76 Jahren gestor-
ben. In Paris starb einige Tage später in
seinem prächtigen Palais an der rue de la
Rochefoucauld im gesegneten Alter von
8g Jahren der König der kontinentalen
Kunsthändler Charles Sedelmeyer.
Arnhold, ein Kunstfreund von wahrhaft
vornehmer Prägung, der als Großkaufmann
und Finanzier den Aufstieg der Wilhelmi-
nischen Epoche begleitete, hinterläßt in sei-
nem Heim im Berliner Tiergartenviertel
eine Gemäldesammlung, die mit Recht
nach und nach Weltruf erlangte und dank
der großzügigen Liberalität des Besitzers
jeder Zeit den Kunstfreunden offen stand.
Diese Sammlung ist im wesentlichen ein
Spiegelbild jener großen Epoche neuzeit-
licher Malerei in Deutschland und Frank-
reich, die mit dem Impressionismus — we-
nige Ausnahmen abgerechnet — ihren ei-
gentlichen Abschluß fand. Die Qualität der
Objekte bestimmte die Bedeutung des Gan-
zen; denn was hier vereinigt war, ist
durchaus würdig, den Besitzstand jedes
großen europäischen Museums erstklassig
zu bereichern. Nicht die Masse, sondern
einzig das einzelne Objekt bestimmt den
Rang dieses Museums im Kleinen, das sei-
ner Anlage nach durchaus den Sammelten-
denzen der Nationalgalerie unter der Aera
Tschudis folgte. So gibt es hier von den
Deutschen unvergleichliche Meisterwerke
der Marees, Leibi, Böcklin, Thoma, Lie-
bermann und Corinth. Von den Franzo-
sen die vollwertigsten Proben der Kunst
von Manet, Monet, Renoir, Degas, Sisley
und Cezanne. Der war auf der einen Seite
der letzte Schlußpunkt im Sinne der fran-
zösischen Malerei, wie etwa für die germa-
nische Kunst als äußerster Vorstoß über den
Impressionismus hinaus Van Gogh. — Im
Großen war der Bestand dieser einzigar-
tigen Galerie bereits vor dem Krieg voll-
endet und es fragt sich jetzt angesichts des
Todes ihres Besitzers, was wohl einmal
ihr Schicksal werden wird. Die Hoffnung
besteht jedenfalls, daß sie als Ganzes viel-
leicht doch in absehbarer Zeit in die Na-
tionalgalerie übergeht, die zuerst berufen
wäre, das Vermächtnis dieses vorbildlichen
Kunstfreundes für die Nachwelt lebendig
zu erhalten. Mit Eduard Arnhold aber
ist wieder einer jener ganz großen Samm-
lertypen aus dem Berliner Kunstleben ge-
schieden, die heute fast schon einer sagen-
haften Epoche angehören und die zum Teil
längst ihren Platz den neuen ,,Mäzenen“
räumen mußten, die etwa wie einen Castig-
lione in Wien eine kurzfristige Konjunk-
tur zu Glück und Reichtum emportrug.
Auch Sedelmeyers Tod zieht den
Schlußstrich unter eine Epoche, die so
— wie er sie erlebt hat — nie wiederkeh-
ren wird. Diesem gebürtigen Wiener, der
schließlich ein erster Pariser Grandseigneur
geworden war und in seinem ehemals her-
zoglichen Haus mit vornehmer Reserviert-
heit über seinen Millionenschätzen wach-
te, verdanken direkt und indirekt wohl 3/4
aller bedeutenden älteren amerikanischen
Privatsammlungen ihre Entstehung. Aus
dem kleinen Kunsthändler, den der Zufall
nach Paris verschlug, wurde dank einer sel-
tenen Kennerschaft und einem treffsicheren
Instinkt für künstlerische Qualität nach und
nach ein Machthaber auf dem Kunstmarkt,
der — ohne Übertreibung gesprochen —
Bilderschicksale in seiner Hand hielt und
bestimmte. Es gibt von ihm selbst redigiert
aus etwa 15 Jahren zwischen 1900 bis zum
Kriegsausbruch eine Reihe von Bänden, in
denen er Jahr für Jahr in Bild und Text alle
diejenigen Werke zusammenfaßte, die da-
mals durch ihn verkauft worden waren Und
wer heute auf diese Dokumente hin den
Besitzstand der großen europäischen und
mehr noch der amerikanischen Sammlungen
einer Prüfung unterzieht, wird erstaunt sein
über die Summe von Meisterwerken, die
allein durch die Hand dieses Händlers ge-
gangen sind. Seinem Nachruhm zur Ehre
muß es heute gesagt werden, daß er selbst
zum größten Teil der Entdecker dieser Bil-
der war, die dann von den sogenannten
Autoritäten publiziert wurden und mit den
bekannten Zertifikaten der Kenner verse-
hen, ihren Weg über den Ozean antraten.
Ich habe einen dieser Fälle einmal im Ori-
ginal miterlebt, als Sedelmeyer einen frü-
hen Rembrandt entdeckt und kurzer Hand
erworben hatte, der vier Wochen vorher
so ungefähr dem gesamten Pariser Kunst-
handel vergebens angeboten worden war,
bis er in der rue de la Rochefoucauld lan-
dete. Grade als ich oben in der geheimnis-
vollen Tresorkammer vor dem Bilde saß
und selbst zur begeisterten Freude des Al-
ten den Namen Rembrandt genannt hatte,
brachte die Post das erste Zertifikat zu der
von ihm nach Berlin gesandten Photogra-
phie mit der originalen Bestätigung dieser
großartigen Entdeckung. So ist es ähnlich
vielleicht mit Hunderten von Bildern ge-
gangen, die heute Weltruf genießen! Das
Erstaunliche bei diesem Händler war die
876
ZWEI TOTE
In Berlin ist in der ersten Augusthälfte
der bekannte Sammler Geheimrat Eduard
Arnhold im Alter vom 76 Jahren gestor-
ben. In Paris starb einige Tage später in
seinem prächtigen Palais an der rue de la
Rochefoucauld im gesegneten Alter von
8g Jahren der König der kontinentalen
Kunsthändler Charles Sedelmeyer.
Arnhold, ein Kunstfreund von wahrhaft
vornehmer Prägung, der als Großkaufmann
und Finanzier den Aufstieg der Wilhelmi-
nischen Epoche begleitete, hinterläßt in sei-
nem Heim im Berliner Tiergartenviertel
eine Gemäldesammlung, die mit Recht
nach und nach Weltruf erlangte und dank
der großzügigen Liberalität des Besitzers
jeder Zeit den Kunstfreunden offen stand.
Diese Sammlung ist im wesentlichen ein
Spiegelbild jener großen Epoche neuzeit-
licher Malerei in Deutschland und Frank-
reich, die mit dem Impressionismus — we-
nige Ausnahmen abgerechnet — ihren ei-
gentlichen Abschluß fand. Die Qualität der
Objekte bestimmte die Bedeutung des Gan-
zen; denn was hier vereinigt war, ist
durchaus würdig, den Besitzstand jedes
großen europäischen Museums erstklassig
zu bereichern. Nicht die Masse, sondern
einzig das einzelne Objekt bestimmt den
Rang dieses Museums im Kleinen, das sei-
ner Anlage nach durchaus den Sammelten-
denzen der Nationalgalerie unter der Aera
Tschudis folgte. So gibt es hier von den
Deutschen unvergleichliche Meisterwerke
der Marees, Leibi, Böcklin, Thoma, Lie-
bermann und Corinth. Von den Franzo-
sen die vollwertigsten Proben der Kunst
von Manet, Monet, Renoir, Degas, Sisley
und Cezanne. Der war auf der einen Seite
der letzte Schlußpunkt im Sinne der fran-
zösischen Malerei, wie etwa für die germa-
nische Kunst als äußerster Vorstoß über den
Impressionismus hinaus Van Gogh. — Im
Großen war der Bestand dieser einzigar-
tigen Galerie bereits vor dem Krieg voll-
endet und es fragt sich jetzt angesichts des
Todes ihres Besitzers, was wohl einmal
ihr Schicksal werden wird. Die Hoffnung
besteht jedenfalls, daß sie als Ganzes viel-
leicht doch in absehbarer Zeit in die Na-
tionalgalerie übergeht, die zuerst berufen
wäre, das Vermächtnis dieses vorbildlichen
Kunstfreundes für die Nachwelt lebendig
zu erhalten. Mit Eduard Arnhold aber
ist wieder einer jener ganz großen Samm-
lertypen aus dem Berliner Kunstleben ge-
schieden, die heute fast schon einer sagen-
haften Epoche angehören und die zum Teil
längst ihren Platz den neuen ,,Mäzenen“
räumen mußten, die etwa wie einen Castig-
lione in Wien eine kurzfristige Konjunk-
tur zu Glück und Reichtum emportrug.
Auch Sedelmeyers Tod zieht den
Schlußstrich unter eine Epoche, die so
— wie er sie erlebt hat — nie wiederkeh-
ren wird. Diesem gebürtigen Wiener, der
schließlich ein erster Pariser Grandseigneur
geworden war und in seinem ehemals her-
zoglichen Haus mit vornehmer Reserviert-
heit über seinen Millionenschätzen wach-
te, verdanken direkt und indirekt wohl 3/4
aller bedeutenden älteren amerikanischen
Privatsammlungen ihre Entstehung. Aus
dem kleinen Kunsthändler, den der Zufall
nach Paris verschlug, wurde dank einer sel-
tenen Kennerschaft und einem treffsicheren
Instinkt für künstlerische Qualität nach und
nach ein Machthaber auf dem Kunstmarkt,
der — ohne Übertreibung gesprochen —
Bilderschicksale in seiner Hand hielt und
bestimmte. Es gibt von ihm selbst redigiert
aus etwa 15 Jahren zwischen 1900 bis zum
Kriegsausbruch eine Reihe von Bänden, in
denen er Jahr für Jahr in Bild und Text alle
diejenigen Werke zusammenfaßte, die da-
mals durch ihn verkauft worden waren Und
wer heute auf diese Dokumente hin den
Besitzstand der großen europäischen und
mehr noch der amerikanischen Sammlungen
einer Prüfung unterzieht, wird erstaunt sein
über die Summe von Meisterwerken, die
allein durch die Hand dieses Händlers ge-
gangen sind. Seinem Nachruhm zur Ehre
muß es heute gesagt werden, daß er selbst
zum größten Teil der Entdecker dieser Bil-
der war, die dann von den sogenannten
Autoritäten publiziert wurden und mit den
bekannten Zertifikaten der Kenner verse-
hen, ihren Weg über den Ozean antraten.
Ich habe einen dieser Fälle einmal im Ori-
ginal miterlebt, als Sedelmeyer einen frü-
hen Rembrandt entdeckt und kurzer Hand
erworben hatte, der vier Wochen vorher
so ungefähr dem gesamten Pariser Kunst-
handel vergebens angeboten worden war,
bis er in der rue de la Rochefoucauld lan-
dete. Grade als ich oben in der geheimnis-
vollen Tresorkammer vor dem Bilde saß
und selbst zur begeisterten Freude des Al-
ten den Namen Rembrandt genannt hatte,
brachte die Post das erste Zertifikat zu der
von ihm nach Berlin gesandten Photogra-
phie mit der originalen Bestätigung dieser
großartigen Entdeckung. So ist es ähnlich
vielleicht mit Hunderten von Bildern ge-
gangen, die heute Weltruf genießen! Das
Erstaunliche bei diesem Händler war die
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