Stadt, wie es ſcheint, eine tüchtige Meyge vertragen
können — habe mich im Süden, in Welſchland und
Hispanien, an große Mäßigkeit gewöhnt. Die Con-
fekte und Backwerke, wie die ſchönen Südfrüchte, aber
mahnten mich, ich geſtehe, es war thöricht, an den
armen Herrn von Orbitz — und an ſo manches bittere
Leid, das ein ſüßes Augenpaar anrichtete. Dies, nicht
die Erinnerung nur, auch das bittere Leid ſelber, be-
nahm mir allen Appetit auf — Süßigkeiten..“
Ihre Augen flammten, doch bezwang ſie ſich. „Ihr
habt in der That, wie ich übrigens ſchon öfter fand,
eine merkwürdige Geſchicklichkeit im Ausweichen in je-
der Hinſicht.
großen körperlichen wie geiſtigen Gewandheit. Euer
Tanz — bitte, ſagt mir, wo, auf welcher Hochſchule
babt Ihr ihn gelernt? In Prag oder Padua, in Paris
oder Bologna?“
Die Frage ſetzte ihn nicht in Verlegenheit. „Auf
verſchiedenen, Dame!“ entgegnete er lächelnd., doch mit
der reſpektvollen Haltung, die ein Glied des Bürger-
ſtandes dem adeligen Fräulein gegenüber damals nie-
mals, oder doch nicht leicht, aus den Augen ſetzte.
„Vornämlich auf der hohen Schule ſchöner Frauen —
den liiblichſten Meiſterinnen der edlen Kunſt.“
Sie hatte die Lippen auf einander gepreßt, öffnete
ſie aber zu einem neuen Angriff. „Nur einmal ließ
Euch Eure Gewandheit im Stich, ſah ich Euch verlegen,
wie ein Schulbube vor dem Backelmeiſter. Eben jetzt,
als die junge Kerbelin Euch ſtehen ließ. Eure Verdutzt-
heit war geradezu komiſch.“ ö
„Es war nicht allein Verdutztheit. Auch die Er-
ſchütterung, welche die Einſicht der Wahrheit ſtets her-
vorruft.“ ö
„Und dieſe erſchütternde Einſicht — wenn man
fragen darf?“
„Das Mädchen ſei zu hold und rein, alſo zu ſchade ö
zu — einem bloßen Spiel.“
Engelbrechta lachte auf, doch nicht ſpöttiſch, ſondern
erfreut, ja triumphirend. „Es war alſo ein bloßes
Spiel! — Ich dachte mir das gleich geſtern.“
ö „Es war nicht Spiel“, ſagte er ſo ernſt und ruhig,
faſt überlegen, wie bisher. „Aber es hätte fortgeſetzt
ein ſolches werden müſſen. Und ein verderbliches, ein
ſündliches Spiel.“
Ungewiß ſchwieg ſie und blickte ihn fragend an.
„Da ich nicht daran denken darf, in Ehren um ſie
zu freien —“ ö
„Und warum das nicht? Sie iſt unbeſcholten, ehr-
Ga O fdle tet n W. Herr Magiſter Rächer!“
e legte auf die letzten Worte einen gan
Nachdruc. tzte ganz beſonderen
Er zuckte leicht die Achſeln und rang die Verlegen ;
heit nieder, die in ihm auſſteigen wollte. „Ich bin eben
ſo arm, wie das Mädchen.“
„Was Euch indeß nicht hindert, die Augen zu An-
dern zu erheben, die nicht arm ſind, alſo „ wie man
meinen ſollte, weit über Euern Stand. „Sie ſprach es
heiter, neckend. Ihre Stimmung ſchien völlig ver-
ändert zu haben. 0 ö ſih 08 ver
Das iſt freilich kein Wunder bei Eurer
zur Aufführung gelangte.
23
Thymo unterdrückte kaum ein Lächeln. „Hoffentlich
ſetzt Ihr bei mir nicht eigennützige Abſich ten voraus,
Dame?“ ö
Die hellen Augen blitzten ihn ſchalkhaft an, das
Lächeln, welches ſie ſo liebenswürdig machte, ſpielte
um die vollen Lippen. „Nein, ich habe Vertrauen zu
Euch, mehr Vertrauen als Ihr zu mir. Aber auch
Vertrauen zu mir ſelber. Ich hoffe um meinetwillen
geliebt zu werden.“ ö Ä..
„Nun, treibt Ihr wieder ein Spiel mit mir, Engel-
brechta!“ Erregt wandte er ſich ab.
Schmeichelnd ergriff ſie ſeine weiße Hand. „Wer
von uns Beiden verdient den Vorwurf? Wer hüllt
ſich in ein Gehtimniß, ſo groß und dunkel, wie dieſer
ſchwarze Mantel?“ Neckend erhob ſie den Zipfel ſeines
langen Mantels.
(Fortſetzung folgt.)
Vermiſchtes.
(Bühnenjubiläen.) R. Gottſchall machte kürz-
lich darauf aufmerkfam, daß Franz Dingelſtedt und B.
von Hülſen dem nächſt ihr 25jährigss Jubiläum als
Bühnenleiter feierten. Paul Lindau erinnert nun in
der Gegenwart darau, daß zu dieſen beiden noch ein
drittes Bühnenjubiläum komme und zwar das des be-
kannten Luſtſpieldichters E. A. Görner. Am 15. Febr.
werden nämlich 50 Jahre verfloſſen ſein, ſeit Görners
erſtes Luſtſpiel „Gärtner und Gärtnerin“ in Freiburg
Nach einer gerechten Wür-
digung der Verdienſte Görner's um die deutſche Schau-
bühne, bemerkt Paul Lindau: „Der jitzt 70jährige
Mann hat keine Schätze angeſammelt; er hat für ſeine
Fomilie nichts erſparen können, er hat nach einem
langen, mühevollen und erfolgreichen Leben nicht ein-
mal das tröſtliche Bewußtſein, daß wenn er die Augen
ſchließt, für ſeine Familie genügend geſorgt iſt. Der
15. Februar dieſes Jahres würde den Bühnenvorſtän-
den die Gelegenheit bieten, einen Theil der Schuld,
die ihre Vorgänger an Görner begangen haben, wieder
abzutragen. Wenn ein Komite, das aus einigen der
maßgebenden Bühnenleiter, Regiſſeure, Schauſpieler u.
dramatiſchen Dichter beſtehen könnte, die Vorſtände der
deutſchen Theater dazu aufforderte, das fünfzigjährige
Jubiläum E. A. Görners durch ein Benefiz für den
verdienſtvollen Bühnenveteranen zu feiern, ſo würde
der Verſuch in der ehrenvollſten Weiſe eine Sünde der
Vergangenheit wieder gut zu machen, gewiß erfolgreich
ſein. Möchte dieſe Anregung auf fruchtbaren Boden
fallen!“ Das wünſchen auch wir.
In Würzburg werden vier Knaben im Alter
von 12 Jahren vermißt, die nach Aus ſage ihrer Ka-
meraden mit Waffen wohl verſehen in den heiligen
Krieg gegen den Halbmond gezogen ſind. Einer aber
hat mit dem Sultan bereits ſeinen Separatfrieden ge-
ſchloſſen und iſt heimgekehrt; es war ihm zu kalt.
können — habe mich im Süden, in Welſchland und
Hispanien, an große Mäßigkeit gewöhnt. Die Con-
fekte und Backwerke, wie die ſchönen Südfrüchte, aber
mahnten mich, ich geſtehe, es war thöricht, an den
armen Herrn von Orbitz — und an ſo manches bittere
Leid, das ein ſüßes Augenpaar anrichtete. Dies, nicht
die Erinnerung nur, auch das bittere Leid ſelber, be-
nahm mir allen Appetit auf — Süßigkeiten..“
Ihre Augen flammten, doch bezwang ſie ſich. „Ihr
habt in der That, wie ich übrigens ſchon öfter fand,
eine merkwürdige Geſchicklichkeit im Ausweichen in je-
der Hinſicht.
großen körperlichen wie geiſtigen Gewandheit. Euer
Tanz — bitte, ſagt mir, wo, auf welcher Hochſchule
babt Ihr ihn gelernt? In Prag oder Padua, in Paris
oder Bologna?“
Die Frage ſetzte ihn nicht in Verlegenheit. „Auf
verſchiedenen, Dame!“ entgegnete er lächelnd., doch mit
der reſpektvollen Haltung, die ein Glied des Bürger-
ſtandes dem adeligen Fräulein gegenüber damals nie-
mals, oder doch nicht leicht, aus den Augen ſetzte.
„Vornämlich auf der hohen Schule ſchöner Frauen —
den liiblichſten Meiſterinnen der edlen Kunſt.“
Sie hatte die Lippen auf einander gepreßt, öffnete
ſie aber zu einem neuen Angriff. „Nur einmal ließ
Euch Eure Gewandheit im Stich, ſah ich Euch verlegen,
wie ein Schulbube vor dem Backelmeiſter. Eben jetzt,
als die junge Kerbelin Euch ſtehen ließ. Eure Verdutzt-
heit war geradezu komiſch.“ ö
„Es war nicht allein Verdutztheit. Auch die Er-
ſchütterung, welche die Einſicht der Wahrheit ſtets her-
vorruft.“ ö
„Und dieſe erſchütternde Einſicht — wenn man
fragen darf?“
„Das Mädchen ſei zu hold und rein, alſo zu ſchade ö
zu — einem bloßen Spiel.“
Engelbrechta lachte auf, doch nicht ſpöttiſch, ſondern
erfreut, ja triumphirend. „Es war alſo ein bloßes
Spiel! — Ich dachte mir das gleich geſtern.“
ö „Es war nicht Spiel“, ſagte er ſo ernſt und ruhig,
faſt überlegen, wie bisher. „Aber es hätte fortgeſetzt
ein ſolches werden müſſen. Und ein verderbliches, ein
ſündliches Spiel.“
Ungewiß ſchwieg ſie und blickte ihn fragend an.
„Da ich nicht daran denken darf, in Ehren um ſie
zu freien —“ ö
„Und warum das nicht? Sie iſt unbeſcholten, ehr-
Ga O fdle tet n W. Herr Magiſter Rächer!“
e legte auf die letzten Worte einen gan
Nachdruc. tzte ganz beſonderen
Er zuckte leicht die Achſeln und rang die Verlegen ;
heit nieder, die in ihm auſſteigen wollte. „Ich bin eben
ſo arm, wie das Mädchen.“
„Was Euch indeß nicht hindert, die Augen zu An-
dern zu erheben, die nicht arm ſind, alſo „ wie man
meinen ſollte, weit über Euern Stand. „Sie ſprach es
heiter, neckend. Ihre Stimmung ſchien völlig ver-
ändert zu haben. 0 ö ſih 08 ver
Das iſt freilich kein Wunder bei Eurer
zur Aufführung gelangte.
23
Thymo unterdrückte kaum ein Lächeln. „Hoffentlich
ſetzt Ihr bei mir nicht eigennützige Abſich ten voraus,
Dame?“ ö
Die hellen Augen blitzten ihn ſchalkhaft an, das
Lächeln, welches ſie ſo liebenswürdig machte, ſpielte
um die vollen Lippen. „Nein, ich habe Vertrauen zu
Euch, mehr Vertrauen als Ihr zu mir. Aber auch
Vertrauen zu mir ſelber. Ich hoffe um meinetwillen
geliebt zu werden.“ ö Ä..
„Nun, treibt Ihr wieder ein Spiel mit mir, Engel-
brechta!“ Erregt wandte er ſich ab.
Schmeichelnd ergriff ſie ſeine weiße Hand. „Wer
von uns Beiden verdient den Vorwurf? Wer hüllt
ſich in ein Gehtimniß, ſo groß und dunkel, wie dieſer
ſchwarze Mantel?“ Neckend erhob ſie den Zipfel ſeines
langen Mantels.
(Fortſetzung folgt.)
Vermiſchtes.
(Bühnenjubiläen.) R. Gottſchall machte kürz-
lich darauf aufmerkfam, daß Franz Dingelſtedt und B.
von Hülſen dem nächſt ihr 25jährigss Jubiläum als
Bühnenleiter feierten. Paul Lindau erinnert nun in
der Gegenwart darau, daß zu dieſen beiden noch ein
drittes Bühnenjubiläum komme und zwar das des be-
kannten Luſtſpieldichters E. A. Görner. Am 15. Febr.
werden nämlich 50 Jahre verfloſſen ſein, ſeit Görners
erſtes Luſtſpiel „Gärtner und Gärtnerin“ in Freiburg
Nach einer gerechten Wür-
digung der Verdienſte Görner's um die deutſche Schau-
bühne, bemerkt Paul Lindau: „Der jitzt 70jährige
Mann hat keine Schätze angeſammelt; er hat für ſeine
Fomilie nichts erſparen können, er hat nach einem
langen, mühevollen und erfolgreichen Leben nicht ein-
mal das tröſtliche Bewußtſein, daß wenn er die Augen
ſchließt, für ſeine Familie genügend geſorgt iſt. Der
15. Februar dieſes Jahres würde den Bühnenvorſtän-
den die Gelegenheit bieten, einen Theil der Schuld,
die ihre Vorgänger an Görner begangen haben, wieder
abzutragen. Wenn ein Komite, das aus einigen der
maßgebenden Bühnenleiter, Regiſſeure, Schauſpieler u.
dramatiſchen Dichter beſtehen könnte, die Vorſtände der
deutſchen Theater dazu aufforderte, das fünfzigjährige
Jubiläum E. A. Görners durch ein Benefiz für den
verdienſtvollen Bühnenveteranen zu feiern, ſo würde
der Verſuch in der ehrenvollſten Weiſe eine Sünde der
Vergangenheit wieder gut zu machen, gewiß erfolgreich
ſein. Möchte dieſe Anregung auf fruchtbaren Boden
fallen!“ Das wünſchen auch wir.
In Würzburg werden vier Knaben im Alter
von 12 Jahren vermißt, die nach Aus ſage ihrer Ka-
meraden mit Waffen wohl verſehen in den heiligen
Krieg gegen den Halbmond gezogen ſind. Einer aber
hat mit dem Sultan bereits ſeinen Separatfrieden ge-
ſchloſſen und iſt heimgekehrt; es war ihm zu kalt.