Bergwerk ron Laura's Vater liegen mußte. „Eine Ex-
ploſion!“ ſchrie er entſetzt, und ohne erſt ſeinen Hut
zu holen, ſtürzte er ſofort nach der Unglücksſtätte.
Kaum fünf Minuten waren vergangen, und ſchon
befanden ſich alle Frauen und Kinder bei der Grube.
Der Schreck, das Entſetzen malte ſich auf allen Ge-
ſichtern. Hier ſchrie ein Weib in größter Verzweiflung
laut auf, dort ſtarrte eine andere wie betäubt vor ſich
hin. Nur mit Mühe gelang es dem Profeſſor, ſich durch
die aufgeregte Menge einen Weg zu bahnen und einen
Oberſteiger zu erreichen.
„Wieviel Leute find unten?“ rief er athemlos.
„Sechszig Männer und Jungen“, erwiderte der An-
geredete mit dumpfer Stimme.
der andern Einfahrt: zwaazig Mann haben ſich dort ge-
rettet; für die Uebrizen hobe ich keine Hoffnung! Wir
haben das Seil hinuntergelaſſen, aber Niemand faßt
unten an — ſie werden ausgelitten baben!“
Wie er dies ſagte, theilte ſich die Menge. Laura
kam mit aufgelöſtem Haar, ihr Geſicht war bleich wie
der Tod.
„Iſt mein Vater unten?“ keuchte ſie mühſam.
Niemand antwortete. Sie ſank zu Boden, doch bald
ſprang fie wieder auf. „Viellricht lebt er noch, vielleicht
iſt er noch zu retten! Taeuſend Thaler gebe ich dem,
der hinabſteigt. Was ſage ich, tauſend! Nein, zwei-
tauſend, dreitauſend! Männer! Habt Mitleid, rettet
meinen Vater, rettet, rettet!“
Zwei Maͤnner traten vor, aber ehe fie ſprechen konn-
ten, wurden ſie von ihren Frauen gewaltſam zurückge-
zerrt und mit herzzerreißenden Klagen gebeten, en ihre
Kinder zu denken und nicht ihr Leben zu wagen.
Laura war verzweifelt, ſie fühlte trotz ihres Schmerzes,
daß ſie Familienväter nicht in's Verderben ſchicken durfte.
„Ich ſteige hinab, Fräulein!“ erklang plötzlich eine
Stimme neben ihr.
Sie blickte auf, der Profeſſor ſtend vor ihr. Seine
Züge waren bleich, aber ſein Blick war ruhig; man ſah
ihm an, daß er ſeinen feſten Vorſatz ausgeſpochen.
Sofort ſtürzten einige Männer an die Grube und
beeilten ſich, das Rettungsſeil, welches nutzlos hinabhing,
wieder aufzuwinden, während der Profeſſor ſich einen
Bergmannsſchurz umbinden ließ; jede Hand beeilte ſich,
ihm hilfreich zu ſein.
„Einen Augenblick, Herr Profeſſor!“ ſagte Laura;
ihr Auge blickte ruhig vor ſich hin, es lag eine eigen-
thümliche, ruhige Verklärung in ihren Zügen. Sie er-
griff die Hand des edlen Mannes und ging mit ihm
einige Schritte fort, ſo daß die Anderen ihre Worte
nicht hören konnten. Als ſie ſtill ſtand, blickte ſie ihm
lange in ſein treues Auge und ſprach endlich: „Gott
ſchütze Sie, edler Mann! Mit irdiſcher Kraft kann ich
Sie nicht ausrüſten; wenn Ihnen aber in der ſchreck-
lichen Gefahr der Gedanke lieb ſein kann, der Gedanke,
daß ich hier ſtehe und inbrünſtig für Sie bete, ſo will
ich Troft darin finden. Ich bete nicht allein für meinen
Vater, ich bete für Sie mit, und erhört ſein unerforſch-
Ich komme eben von
14²2
licher Rathſchluß ſeine Bitten nicht, ſo habe ich das
Liebſte verloren; dann bin ich — Wittwe! Schütz' Dich
Gott, Du meine einzige, ewige Liebe! Küſſe mich und
eh'!“ ö
Er neigte ſich zu ihr nieder und tüßte ſie.
„Vorwärts, ihr Männer!“ rief er mit bewegter,
lauter Stimme, „laßt mich ſchnell hinunter; Ihr wißt,
um was es ſich handelt!“ Sein Auge glänzte; er ſah
nicht mehr aus wie ein Märtyrer, er ſchaute in die Ge-
fahr, wie ein muthiger Soldat in die mit Kanonen ge-
ſpickten Schanzen. —
Er wurde am Seil hinabgelaſſen; ein naſſes Tuch
vor Mund und Naſe ſchützte ihn vor dem Erſticken und
dem dichten Qualm. In ſeiner Linken hielt er die Sicher-
heitslampe; nur zu oft zeigten ihm die kleinen Explo-
ſionen innerhalb ihres Drahtgewebes, daß er ſich noch
in unheilſchwangerer Luft befinde. Endlich war er un-
ten; er löſchte die Lanpe und kroch, wie ihm geheißen,
naͤch Often, um die Thür des Schachtes zu erreichen.
Es glückte ihm; er pochte — Gott ſei Dank; ein Ge-
genvoch belehrte ihn, daß die Leute noch lebten! Mit
blutenden Fingern räumte er unter den größten An-
ſtrengungen, während ihm der Schweiß von der Stirne
perlte, die durch die Exploſion heruntergeſchmetterten
Steine und Felsſtücke fort, welche die Thüre verſperr-
ten; ihm ſelbſt erſchien ſeine Kraft überme nſchlich, war
ihm doch, als ſaͤhe er die Geſtalt ſeiner Laura aus
dem Dunkel hervortreten und ihm ermuthigend zulächeln.
Endlich war der Weg frei, die Thür wurde von
Innen aufgeftoßen, ein Freudenſchrei traf des Profeſſors
Ohr, er taumelte zurück und fiel ohnmächtig zu Boden.
Oben an dem Schacht ſtanden unterdeſſen Alle in
in furchtbarer Spannung. Handelte es ſich doch um
viele Menſchenleben, ja um das Wohl und Wehe ganzer
Familien! Keiner ſprach ein Wort. Ein Arbeiter lehnte
ſich über die Brüſtung und verfolgte das hinabgehende
Licht mit ſcharfem Auge. Langſamer wurde das Seil
hinabgelaſſen; man wußte, daß der Grund bald erreicht
ſein mußte. Das Licht verſchwand, das Seil hielt ftill.
Jeder der Anweſenden hielt den Athem an. Furchtbare
lange fünf Minuten vergingen. — Da ein Schrei! Man
zieht an dem Seil! Gerettet! Gerettet!
„Ruhig, aber feſt aufziehen!“ rief der Oberſteiger.
Faſt waren der bilfreichen Hände zu viel. Laura fiand
neben üünen, mit beiden Häuden hielt ſie ihre Schläfen.
Nur mit äußerſter Kraftanſtrengung konnte ſie ſich auf
ihren Füßen halten. ö
„Ich kann ſehen!“ ſchrie ein Arbeiter, der hinunter-
ſchaute, „er iſt es, nein — es find zwei, es iſt der Pro-
feſſor und der Andere iſt unſer Herr! Ja, wirklich,
unſer Herr iſt es!“ ö ö 0
Endlich waren Beide oben; mit Mühe wurden! ſie
vom Seile beſreit, bewußtlos lagen ſie auf der Erde,
doch der Arzt, der ſchon zur Stelle war, erklärte, daß
Beide außer Gefahr ſeien. ö ö
Andere Seile wurden binuntergelaſſen! Jeder ar-
beitete mit all' ſeinen Kräften. In einer halben Stunde
ploſion!“ ſchrie er entſetzt, und ohne erſt ſeinen Hut
zu holen, ſtürzte er ſofort nach der Unglücksſtätte.
Kaum fünf Minuten waren vergangen, und ſchon
befanden ſich alle Frauen und Kinder bei der Grube.
Der Schreck, das Entſetzen malte ſich auf allen Ge-
ſichtern. Hier ſchrie ein Weib in größter Verzweiflung
laut auf, dort ſtarrte eine andere wie betäubt vor ſich
hin. Nur mit Mühe gelang es dem Profeſſor, ſich durch
die aufgeregte Menge einen Weg zu bahnen und einen
Oberſteiger zu erreichen.
„Wieviel Leute find unten?“ rief er athemlos.
„Sechszig Männer und Jungen“, erwiderte der An-
geredete mit dumpfer Stimme.
der andern Einfahrt: zwaazig Mann haben ſich dort ge-
rettet; für die Uebrizen hobe ich keine Hoffnung! Wir
haben das Seil hinuntergelaſſen, aber Niemand faßt
unten an — ſie werden ausgelitten baben!“
Wie er dies ſagte, theilte ſich die Menge. Laura
kam mit aufgelöſtem Haar, ihr Geſicht war bleich wie
der Tod.
„Iſt mein Vater unten?“ keuchte ſie mühſam.
Niemand antwortete. Sie ſank zu Boden, doch bald
ſprang fie wieder auf. „Viellricht lebt er noch, vielleicht
iſt er noch zu retten! Taeuſend Thaler gebe ich dem,
der hinabſteigt. Was ſage ich, tauſend! Nein, zwei-
tauſend, dreitauſend! Männer! Habt Mitleid, rettet
meinen Vater, rettet, rettet!“
Zwei Maͤnner traten vor, aber ehe fie ſprechen konn-
ten, wurden ſie von ihren Frauen gewaltſam zurückge-
zerrt und mit herzzerreißenden Klagen gebeten, en ihre
Kinder zu denken und nicht ihr Leben zu wagen.
Laura war verzweifelt, ſie fühlte trotz ihres Schmerzes,
daß ſie Familienväter nicht in's Verderben ſchicken durfte.
„Ich ſteige hinab, Fräulein!“ erklang plötzlich eine
Stimme neben ihr.
Sie blickte auf, der Profeſſor ſtend vor ihr. Seine
Züge waren bleich, aber ſein Blick war ruhig; man ſah
ihm an, daß er ſeinen feſten Vorſatz ausgeſpochen.
Sofort ſtürzten einige Männer an die Grube und
beeilten ſich, das Rettungsſeil, welches nutzlos hinabhing,
wieder aufzuwinden, während der Profeſſor ſich einen
Bergmannsſchurz umbinden ließ; jede Hand beeilte ſich,
ihm hilfreich zu ſein.
„Einen Augenblick, Herr Profeſſor!“ ſagte Laura;
ihr Auge blickte ruhig vor ſich hin, es lag eine eigen-
thümliche, ruhige Verklärung in ihren Zügen. Sie er-
griff die Hand des edlen Mannes und ging mit ihm
einige Schritte fort, ſo daß die Anderen ihre Worte
nicht hören konnten. Als ſie ſtill ſtand, blickte ſie ihm
lange in ſein treues Auge und ſprach endlich: „Gott
ſchütze Sie, edler Mann! Mit irdiſcher Kraft kann ich
Sie nicht ausrüſten; wenn Ihnen aber in der ſchreck-
lichen Gefahr der Gedanke lieb ſein kann, der Gedanke,
daß ich hier ſtehe und inbrünſtig für Sie bete, ſo will
ich Troft darin finden. Ich bete nicht allein für meinen
Vater, ich bete für Sie mit, und erhört ſein unerforſch-
Ich komme eben von
14²2
licher Rathſchluß ſeine Bitten nicht, ſo habe ich das
Liebſte verloren; dann bin ich — Wittwe! Schütz' Dich
Gott, Du meine einzige, ewige Liebe! Küſſe mich und
eh'!“ ö
Er neigte ſich zu ihr nieder und tüßte ſie.
„Vorwärts, ihr Männer!“ rief er mit bewegter,
lauter Stimme, „laßt mich ſchnell hinunter; Ihr wißt,
um was es ſich handelt!“ Sein Auge glänzte; er ſah
nicht mehr aus wie ein Märtyrer, er ſchaute in die Ge-
fahr, wie ein muthiger Soldat in die mit Kanonen ge-
ſpickten Schanzen. —
Er wurde am Seil hinabgelaſſen; ein naſſes Tuch
vor Mund und Naſe ſchützte ihn vor dem Erſticken und
dem dichten Qualm. In ſeiner Linken hielt er die Sicher-
heitslampe; nur zu oft zeigten ihm die kleinen Explo-
ſionen innerhalb ihres Drahtgewebes, daß er ſich noch
in unheilſchwangerer Luft befinde. Endlich war er un-
ten; er löſchte die Lanpe und kroch, wie ihm geheißen,
naͤch Often, um die Thür des Schachtes zu erreichen.
Es glückte ihm; er pochte — Gott ſei Dank; ein Ge-
genvoch belehrte ihn, daß die Leute noch lebten! Mit
blutenden Fingern räumte er unter den größten An-
ſtrengungen, während ihm der Schweiß von der Stirne
perlte, die durch die Exploſion heruntergeſchmetterten
Steine und Felsſtücke fort, welche die Thüre verſperr-
ten; ihm ſelbſt erſchien ſeine Kraft überme nſchlich, war
ihm doch, als ſaͤhe er die Geſtalt ſeiner Laura aus
dem Dunkel hervortreten und ihm ermuthigend zulächeln.
Endlich war der Weg frei, die Thür wurde von
Innen aufgeftoßen, ein Freudenſchrei traf des Profeſſors
Ohr, er taumelte zurück und fiel ohnmächtig zu Boden.
Oben an dem Schacht ſtanden unterdeſſen Alle in
in furchtbarer Spannung. Handelte es ſich doch um
viele Menſchenleben, ja um das Wohl und Wehe ganzer
Familien! Keiner ſprach ein Wort. Ein Arbeiter lehnte
ſich über die Brüſtung und verfolgte das hinabgehende
Licht mit ſcharfem Auge. Langſamer wurde das Seil
hinabgelaſſen; man wußte, daß der Grund bald erreicht
ſein mußte. Das Licht verſchwand, das Seil hielt ftill.
Jeder der Anweſenden hielt den Athem an. Furchtbare
lange fünf Minuten vergingen. — Da ein Schrei! Man
zieht an dem Seil! Gerettet! Gerettet!
„Ruhig, aber feſt aufziehen!“ rief der Oberſteiger.
Faſt waren der bilfreichen Hände zu viel. Laura fiand
neben üünen, mit beiden Häuden hielt ſie ihre Schläfen.
Nur mit äußerſter Kraftanſtrengung konnte ſie ſich auf
ihren Füßen halten. ö
„Ich kann ſehen!“ ſchrie ein Arbeiter, der hinunter-
ſchaute, „er iſt es, nein — es find zwei, es iſt der Pro-
feſſor und der Andere iſt unſer Herr! Ja, wirklich,
unſer Herr iſt es!“ ö ö 0
Endlich waren Beide oben; mit Mühe wurden! ſie
vom Seile beſreit, bewußtlos lagen ſie auf der Erde,
doch der Arzt, der ſchon zur Stelle war, erklärte, daß
Beide außer Gefahr ſeien. ö ö
Andere Seile wurden binuntergelaſſen! Jeder ar-
beitete mit all' ſeinen Kräften. In einer halben Stunde