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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0152

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die Tiee finken, man ſah noch eine zeitlang die Unſeli-
gen, die in dem Tauwerk über dem naſſen Grabe hin-
gen, dann unterſchied man nur noch die Raaen der
Mafte, an denen ſich einige Matroſen feftgeklammert
hatten, um dort den unvermeidlichen Tod zu erwarten;
endlich gewahrte man nichts mehr, die Nacht hatte ihren
Schleier über die grauſige Scene gebreitet. Nur das
Brüllen des Sturmes, das Toben der Fluth dauerte
fort. Nach und nach verloren ſich die Fiſcher, die noch
harrend und hoffend am Strande geſtanden. Retter und
Scheffbrüchige ſchliefen ohne Zweifel in demſelben weiten
rabe.
Als der Tag heraufdömmerte, hatte der Sturm auf-
gehört, das Merr war wieder ruhig, und man ſah das
Rettungsvoot mit den beiden hochherzigen Männerv, die
es geführt, in die kleine Bucht von Lecg einlaufen. Die
ganze Nacht haben ſie gegen die Strömung gekämpft,
und es ſcheint wie ein Wunder, daß es ihnen gelungen,
in der Dunkelézeit die überall verſreuten Klippen zu
vermeiden, aber ſie haben trotzdem ihre Pflicht gethan
und den Lohn dafür gefunden, denn neben ihnen im
— fitzen zwei Männer, die dem gewiſſen Tode ent-
riſſen.
Warum aber zögert der junge Fiſcher, nachdem ſie
gelandet, nach der Hütte ſeiner Mutter zu eilen und ſich
an ihre Fruſt zu werfen? Warum bebt er, der Tapferſte
der Tapfern, vor dem Wiederſehen, das ihn erwartet?
Ibm zur Seite ſchreitet ein Fremver von hohem Wuchs,
deſſen Leben er dem zürnenden Meere abgekämpft und
deſſen Augen dafür jetzt mit tiefer Zärtlichkeit auf dem
Knaben ruhen. Als ſie den Damm erreicht haben, kom-
men ihnen die Fiſcher entgegen, um ihren Kameraden
herzlich die ſchwielige Hand zu drücken. Beim Anblick
des Fremden, des Geretteten, ſtutzen ſie zuerſt und drän-
gen ſich rann vell Staunens um ihn.
ihn Alle. ö

— Aber wer, ſagen ſie, ſoll ihr denn die Botſchaft

mittheilen? Man ſagt, daß auch die Freude, wenn ſie
zu plötzlich kommt, manchmal den Tod brinzt!
— Wer anders, als iör Sohn? ſagte der Fiſcher,
ſeine Hand zärtlich auf des Knaben dunkeln Kopf legend.
Noch ein paar Minuten, und der Sohn liegt am
Herzen der Mutter.
— Mutter, flüͤſterte er, als das erſte ſtumme Ent-
züͤcken vorüber, — ich will Dir nun erzählen, was ſich
heute Nacht zugetragen. Zwei der Schiffrüchigen haben
wir mit Gottes Häife gerettet, und der Eine von ihnen
— war ein Fiſcher von Lecq. Vor einigen Monaten
harte ihn ein Sturm auf der See überraſcht, ſein Boot
zerſchellte an den Pater⸗Noſter⸗Felſen, aber er wurde
terettet. Ein vorüber fahrendes fremdes Schff nahm ihn
auf und der Fiſcher mußte wider Willen mit demſelben
nach fernen Lärdern fahren, fort von ſeinem Hauſe,
ſeinem Weibe, ſeinem Kinde ... Alle hielten ihn für
todt, ſein Weib und ſein Sohn leweinten ihn. Als das
Schiff in den Hafen eingelaufen war, ſchlffte man den
Fiſcher aus; mit einem andern Fahrzeuge, auf dem er

Sie kennen

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ſich als Matroſe verdingte, kehrte er in die Heimath zu-
rück. Geſtern kam er in England an, er war Ange-
ſichts ſeines Hauſes, in der Nähe der Seinigen, als
wiederum eir furchtbarer Starm ihn dem Untergange
nahe brachte. Aber Gott hat es nicht gewollt.
Die Stimme des Knaben war immer ſchwächer ge-
worden, die Thränen liefen ihm über die Wangen her-
ab, ängſtlich blickte er auf die Mutter, die, vorgebeugt,
mit erblaßten Wangen und weitg⸗ͤffneten Augen ihm die
Worte von den Lippen zu leſen ſchien. Er kniete vor
ihr nieder und drückte krampfhaft ihre kallen Hände
zwiſchen den ſeinen,
— Geliebte Mutter, fuhr er fort, — vernimm die
ganze glückliche Wahrheit. Als Du mich in der letzten
Nacht den Nothleidenden auf dem ſtrandenden Schiffe
zu Hilſe ſchickteſt, ahnteſt Du nicht, daß Du mich aus-
ſandteſt, um meinem theuren Vater das Leben zu retten.
Ein unarticulirter Schrei brach von den Lippen der
Frau; ſie glitt von dem Stuhl, auf dem ſie geſeſſen,
herab und wurde von den Armen ihres Sohnes aufge-
fangen. Sie knieete reben ihm und erhob die gefalteten
Hände im glühenden, wenn auch wortloſen Dankgebet
gen Himmel. Draußen waren indeß Schritte laut ge-
worden, ihr Gatte erſchien auf der Schwelle der Hütte,
ſie flog empor und umfaßte ihn mit ihren Armen, als
wollte ſie ihn nie mehr von ſich laſſeu, und weinte in
einem unaufhaltſamen Thränenſtrom Schmerz und Freude
zugleich an dem trenen, ſtarken Herzen aus. Erſt els
der Sohn, dem ſie das Glück dieſer Wiedervereinigung
verdankte, hinzutrat, um auch ſeinen Theil von der Um-
armung zu haben, verfiegten ihre Thränen, um einem
Lächeln freudigen Stolzes über den wackeren jungen
Fiſcher von Lecg Platz zu machen.

Warum ſind feuchte Wohnungen uugeſund?
(Schluß.)

Während der Diphteritispilz und einige andere Ar-
ten ſich anſcheinend vorzugsweiſe an den Bekleidungen
der Zimmerwände anſiedelt und entwickeln, finden andere
Keime ihren günſtigen Boden beſonders in den menſch-
lichen Abfallſtoffen, im Harn und Koth und in dem von
dieſem »durchtränkten Erdboden. In dieſen zu raſcher
Fäulaiß geneigten Stoffen entwickeln ſich namentlich die
Keime des Unterleibsthyphus, der Cholera und Peſt,
und verbreiten ſich von ihren Brutſtätten entweder ver-
mittelſt des Grundwaſſers in Brunnen, oder ſteigen in
der Luft empor, ſei es unmittelbar in den ſozenannten
Abtritts⸗ und Kloakengaſſen, ſei es mittelbar, indem ſie
bei fallendem Grundwaſſer in den oberen Erdſchichten
zurückbleiben und mit der Grandluft in die Häuſer und
zu deren Bewohnern emporſteigen. Auf dem letztyenann-
ten Wege, ſowie auch mözlicherweiſe von den Kranken
ſelbſt, von deren Kleidungsſtücken und Betten koͤnnen

einzelne Menſchen, Zimmer und Häuſer vergiftet wer-
 
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