Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

DOI Kapitel:
Nr. 35 - Nr. 43 (3. Mai - 31. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0154

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
148

D'r Nagglm

D'r Mannemer „Lo-
renz“ gibt folgende Va-
riatione iwer unſern deß-
jährige „wunderſcheene
Monat Mai“ zum Beſchte.
„Im wunderſcheene
Monat Mai, als alle
Knospen ſprangen“, un
ſo weiter. — D'r ſoge-
nannte Wonnemonat Mai,
der uns aach deß Johr
widder ſein Viſitt im Win-
terrock macht, gibt uns
wiederholt de deitlichſte
Beweis, daß Kallenner
un Dichter die unzuver-
läßigſchte Friehlingspro-
phete ſinn! — Im wun-
derſchönen Monat Mai —
un Feier im Offe! Wann
ma jetzt bei'me Hutmacher
ver bei geht, un die Schtroh-
hiet im Vorfeuſchter be ==⸗ PSSE
dracht, ſchittlt'ss eem. Sogar die Mannemer Schtorche
hawe geſchtern e großi Generalverſammlung am Alt-
neckar abg'halte, in der die Froog ventilirt worre, ob
die verehrliche Kleenekinnerlifferante in Anbedracht der
gegewärlige hibſche Wonnemonatwitter ung nit ihr'n B'ſuch
bei uns unnerbreche, un eigſtweiles zur Erholung en
Ausflug nooch Sibirie mache ſolle? Sieddeitſchland im

aier.

+ .

Mat un Sibirie — es wär g'hupst wir g'ſchörunge! —

Un acch noch die bekannte drei heilige: Pankratius, Ser-
vatius un Bonifacus vor d'r Dhier, Männer! Was
ſolle die geſchtrenge drei Herrn noch anſchtelle, wann
ſchunn e paar Nächt vorher 's Queckſilwer unner Null
geyt? Wann ſe ihr traurig Renomee rette wolls, miſſe
ſe mindeſchtens unſerm Mannemer Klittſchuhklubb noch-
eemool die Bahn herrichte un die Mannemer Eismitter
druff rumdanze loſſe. Un deß alles: Im wunderſchönen
Monat Mai! — Unſer ſogenannte Malkure werre mer
deß Johr alſo in de wunderſcheene Monat Juni verlege
miſſe, Männer! Mir Schtädter wenigſchtens, die nit gern
frieh uffſchtehn, wam's noch kalt is. Uff'm Land hern-
gege ſcheint ma's noch nit ſo genau mit d'r Witterung
zu nemme, wann morgens frieh e Schbaziergang gernacht
ſoll werre. Was for e wunderſcheeni Maikur hawe per
Exempl die Neckrraaer un Friedrichsfelder Borſch in d'r
Mainacht vum Samſtag uff Sunndag uff's Ralleehaus
gemacht! Alle Zeirunge verzähte uns davun. So ſian
alſo, wie mer geleeſe, die Friedrichsfelder Borſch uff'm
Hermweg vun de Neckeraer nit alleen mit Backeſchteen
bumbadirt, ſondern aach noch mit Maikurpiſchtole an-
g'ſchoſſe worre! Mein Liebchen, was willſt Du noch
mehr! Die Neckeraaer ſcheine iwerhaabt zume Naturge-

ma gewiß ke Maikur antrete!

nuß innere hibſche Mainacht vollſchtändig vorbereit ge-
weßt zu ſein, dann ſie ware außerdem noch bewaffent

Orr Heine hätt alſo
eeweſo gut ſinge kenne:
Im wunderſchoͤnen Monat Mai,
Als alle Knospen ſprangen,
Da find die Neckerauer,
Zum Todtſchlag ausgegangen!
Gewiß hibſchi Poeſie, Manner! Im Iwerige, wie
g'ſagt, der deßjährig Wonnemonat kann uns g'ſchtohle
Deinge dann er loßt ſich am Beſchte wie folgt weiter
eſinge:
O Mai, Du holder Engel,
Biſt Du's, oder biſt Du's nicht?
Du zeigſt dem heißen Sehnen
Ein eiſig kaltes Geſicht.

Dein Blick ſah ſchon von oben
Die jammervolle Zeit;
Du kamſt nicht niedergeflogen,
Du kamſt herabgeſchneit.

Verdunkelt iſt der Aether
Von Rebel und Pulverdampf.
In der Natur, wie im Leben
Nur Ringen, Streit und Kampf.

Mit Wolken kämpft die Sonne,
Mit Hagel der Blüthenſchnee,
Die Palme mit der Kanone,
Die Tiber mit der Spree.

Schwer muß es Dich betrüben,
Des Lebens ſtarres Bild.,
Wenn froſtig Darwin's Affe
In Fuchs und Bär ſich hüllt.

Dich grüßt kein Duft der Blume,
Kein luſtiger Waſſerfall, ö
Es ſchweigt des Dichters Leier,
Es ſchweigt der Lerche Schall.

Verſchloſſen bleibt die Blüthe-
In Kelches Kämmerlein,
Es ſtehet unverſchoren
Des Peches Nell' allein.

Das Kraut der Tauſendgulden
Gedeiht und wuchert nicht
Ja ſelbſt des Glückes Pilze,
Sie treten nicht an's Licht.

Die Felder und die Beete
Sind öd und kahl und blaß:
Wo Bosniaken ſchießen, ö
Da ſchießt und wächſt kein Gras.

Die Pflanzen: Scherz und Freude.
Sie machen ernſtlich Stricke;
Nur der Humor des Galgens ö —
Der kommt auf grünen Zweig.

Der Halbmond, o Wonnemonat,
Hat kalt Dich angeweht
Der Halbmond, der bleich und traurig
Im letzten Viertel ſteht.

Ach wenn ſtatt blauer Veilchen —
Die blauen Bohnen bluͤh'n, *
Wer mag's Dir, Mai, verargen,
Daß Du uns nicht mehr gruͤn!

mit Batonett, Seewl un Hackbetl! Gemiettzlicher kann

Druck, Verlag und für die Redaction verantwortlich: G. Geiſendörfer.
 
Annotationen