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glauben von unergrün dlicher Tieſe war. Hohe ſteile
Ufer umſchloſſen ihn und mächtige Ulrzen hüllten ihn
in düſtern Schatten. Der Sage nach hatte ſich vor Zei-
ten ein Monn an einen dieſer Bäume erhängt und ſein
Leichnam war in die Tiefe des Teiches verſenkt worden.
Seitdem ſellte ſein Geiſt dort ruhelos umherirren und
dieſer Glaube war ſo feſt im Volk gewurzelt, daß weder
Orohungen roch Verſprechungen einen Eſtebrügger Jun-
gen vermocht dätten, nach dem Dunkelwerden den ver-
rufenen Kloſterteich cufzuſuchen. Dieſem Aberglauben
dankte Doctor Dörnburg größtentheils die dort herr-
ſchende Ruhe, denn ſonſt wäre der Ort, im Sommer
wegen ſeines Brombeerenreichthums, im Winter als
Schlitiſchusbahn und zu allen Jahreszeiten wegen ſeiner
halsbrechenden Gefährlichkelt gewiß ein geſuchterer Tum-
melplatz für die Jugend geweſen, als den Bewohnern
des Kloſteryofes lieb war.
Als Dörnburg eintrat, kam ihm eine gutmüthig aus-
ſehende ältliche Dienerin mit einem Licht in der Hand
entgegen.
Es war ſeine alte Amme, eine derbe, treuherzige
Vierländerin, die er vor zwei Jahren, nach ſeines On-
kels Tode als Wiethſchafterin in's Haus genommen
hatte, während ihr Mann in einer Perſon Bedienter,
Gärtger und Haushofteiſter war.
„Was, Trina, Du biſt noch auf?“ ſagte der Doc-
tor in ſeiner gewöhnlichen raſchen, kurzen Arxt. „Ich
ſagte Dir doch ein für alle Mal, Du ſollteſt nie auf
mich warten.“
„Ich wollte eben zu Bett gehen, Herr Dector. Mein
Mann ſchläft ſchon ſeit zwei Stunden“, antwortete ſie
mit gutwüthigem Ton, in ihrem breiten plattdeutſchen
Dialect.
„So, nun dann kannſt Du gar nichts Geſcheidteres
thun, als ſo ſchnell wie möglich ſeinem Beiſpiel zu
folgen.“
Sie bꝛieb vor ihm ſtehen und ſah ihm traurig in's
Geſicht. Als er ihren Blick erwiderte, erhellte auf ein-
mal ein Lächein ihre Züge:
„Kriege ich denn gar nichts Neues zu wiſſen, Herr
Doctor? Es war heute Abend Jemand hier, der wußte
Allerlei, was ſich rie Leute erzählen.“
„Ja, Trina, dies Mal haben die Leute Recht. Ich
werde mich verheirathen.“
Trina's ſchlaues Lächeln wurde noch ſchlauer, als fie
beſcheiden antwortete:
„Das hätte ich Ihnen ſchon vor ſechs Monaten ſagen
können.“
„Und doch iſt es heute erſt beſchloſſen worden“, ſagte
Robert nachdrücklich.
„Was haſt Du ſonſt noch auf dem Herzen“, fügte
er hinzu, als die Alte immer noch ſtehen blieb und ver-
legen an ihrem Schürzenband zupfte.
„Na, dann werde ich hier wohl überflüſſig ſein?“
brummte fie endlich.
„Im Gegentheil, Trina; Frau Steinach will Dich
um keinen Preis entbehren; aber darüber ſprechen wir
nen Feuer; ihr
ein anderes Mal. Jetzt mach' flink, daß ich die Thür
hinter Dir zuſchließen — fint, daß ie
Die Alte hätte für ihr Leben gern noch ein Weil-
chen geplaudert; aber wit ihrem Herrn war nicht viel
anzufangen; das wußte ſie von Alters her. Darum ge-
horchte ſie zögernd. Er hielt die Hausthür offen, und
beleuchttte ihr den ſchmalen, naſſen Weg ſo lange, bis
er ihre Holzſchuhe nicht mehr klappern hörte und ſie in
dem nahen Gartenhäuschen, das fie mit ihrem Manne
bewohnte, in Sicherheit wußte. Dann ſchloß er die
Thür, nahm das Licht, öffnete das größere der beiden
Gartenzimmer und ſah ſich prüfend darin um. Die Ein-
richtung war gediegen, aber plump und altmodiſch Ta-
peten und Teppiche waren ſo abgenutzt, daß alle Farben
darin in ein verſchoſſenes Braun zuſammenſchmolzen:
aber die Fenſter gingen auf den Garten hinaus und das
Eichengetafel zeigte wohlerhaltenes Schnitzwerk. Es war
doch vielleicht eiwas aus dieſem Zimmer zu machen. Er
ſah ſich mit einem fieberhaft aufgeregten Wonnegefühl
darin um. Unzählize Male hotte er ſeit langer, langer
Zeit ſich ausgematt, wie er Alles zu Elsbeth's Empfang
Hier berelten wollte. Im Wachen und im Traum hatte
er keinen andern Gedanken gehabt, als ſie dereinſt in
dieſen Räumen walten zu ſehen. Für dieſe unbeſtimmte
Hoffnung hatte er ſeit Jahren gelebt, gearbeitet und ent-
behrt. Larige ehe er wußte, ob er je berechtigt ſein
würde, die ſo heiß Geliebte einſt ſeine Gattin zu nen-
nen, hatte er über die Ausſchmückung dieſer Räume nach-
geſonnen, und jeden Heller, den er erſparen konnte, für
dieſen Zweck zurückgelegt. Nun endlich ſtand er dem lang
erſehnten Ziel ſo nave. Der ſonſt ſo ſtarke ernſte Mann
wurde faft überwältigt von der Glückſeligkeit, dem
namenloſen Entzücken, Elsbeth nun bald als angevetetes
Weib in ſein Haus einführen zu lönnen. Bis tief in
die Nacht gab er ſich der Wonne hin, ſich die Zakunft
an Elsbeih's Seite mit den glühendſten Farben auszu-
malen und erſt gegen Morgen entſchlief er, mit dem
feſten Vorſatz, fortan nur ihrem Glück zu lebeu, und
alle Mühe und Laft im Kampf um's Daſein nur allein
auf ſich zu nehmen. ö
2.
Wie im Traum entſchwand den Liebenden die nächſte
Zeit bis zum Vorabend des Hochzeitsfeſtes. Als Dörn-
burg ſpät Abends von einem Krankerbeſuch veimkehrte
und voch Licht in Elsbeth's Wohnzimmer ſah, konnte er
der Verſuchung nicht wiederſtehen, ihr wenigſtens noch
gute Nacht zu ſagen, um ſo mehr, als er eine Art von
eifen ſüchtiger Furcht fühlte, die Erinnerung an den ver-
ſtorbenen Gatten köante gerade am letzten Tage ihrer
Wittwenzeit ihren Frieden ftören. Das Mädchen ließ
ihn ein, und raſch an ihr vorübe⸗ſchreitend, oͤffnete er
die Thür des kleinen Wohnzimmers. Elsbeth ſaß, wie
gewöhnlich, auf ihrem niedrigen Seſſel am faſt erloſche-
Haupt ruhte tief herabgebeugt in bei-
den Händen. Sie ſchien heftig, wenn auch leiſe zu
glauben von unergrün dlicher Tieſe war. Hohe ſteile
Ufer umſchloſſen ihn und mächtige Ulrzen hüllten ihn
in düſtern Schatten. Der Sage nach hatte ſich vor Zei-
ten ein Monn an einen dieſer Bäume erhängt und ſein
Leichnam war in die Tiefe des Teiches verſenkt worden.
Seitdem ſellte ſein Geiſt dort ruhelos umherirren und
dieſer Glaube war ſo feſt im Volk gewurzelt, daß weder
Orohungen roch Verſprechungen einen Eſtebrügger Jun-
gen vermocht dätten, nach dem Dunkelwerden den ver-
rufenen Kloſterteich cufzuſuchen. Dieſem Aberglauben
dankte Doctor Dörnburg größtentheils die dort herr-
ſchende Ruhe, denn ſonſt wäre der Ort, im Sommer
wegen ſeines Brombeerenreichthums, im Winter als
Schlitiſchusbahn und zu allen Jahreszeiten wegen ſeiner
halsbrechenden Gefährlichkelt gewiß ein geſuchterer Tum-
melplatz für die Jugend geweſen, als den Bewohnern
des Kloſteryofes lieb war.
Als Dörnburg eintrat, kam ihm eine gutmüthig aus-
ſehende ältliche Dienerin mit einem Licht in der Hand
entgegen.
Es war ſeine alte Amme, eine derbe, treuherzige
Vierländerin, die er vor zwei Jahren, nach ſeines On-
kels Tode als Wiethſchafterin in's Haus genommen
hatte, während ihr Mann in einer Perſon Bedienter,
Gärtger und Haushofteiſter war.
„Was, Trina, Du biſt noch auf?“ ſagte der Doc-
tor in ſeiner gewöhnlichen raſchen, kurzen Arxt. „Ich
ſagte Dir doch ein für alle Mal, Du ſollteſt nie auf
mich warten.“
„Ich wollte eben zu Bett gehen, Herr Dector. Mein
Mann ſchläft ſchon ſeit zwei Stunden“, antwortete ſie
mit gutwüthigem Ton, in ihrem breiten plattdeutſchen
Dialect.
„So, nun dann kannſt Du gar nichts Geſcheidteres
thun, als ſo ſchnell wie möglich ſeinem Beiſpiel zu
folgen.“
Sie bꝛieb vor ihm ſtehen und ſah ihm traurig in's
Geſicht. Als er ihren Blick erwiderte, erhellte auf ein-
mal ein Lächein ihre Züge:
„Kriege ich denn gar nichts Neues zu wiſſen, Herr
Doctor? Es war heute Abend Jemand hier, der wußte
Allerlei, was ſich rie Leute erzählen.“
„Ja, Trina, dies Mal haben die Leute Recht. Ich
werde mich verheirathen.“
Trina's ſchlaues Lächeln wurde noch ſchlauer, als fie
beſcheiden antwortete:
„Das hätte ich Ihnen ſchon vor ſechs Monaten ſagen
können.“
„Und doch iſt es heute erſt beſchloſſen worden“, ſagte
Robert nachdrücklich.
„Was haſt Du ſonſt noch auf dem Herzen“, fügte
er hinzu, als die Alte immer noch ſtehen blieb und ver-
legen an ihrem Schürzenband zupfte.
„Na, dann werde ich hier wohl überflüſſig ſein?“
brummte fie endlich.
„Im Gegentheil, Trina; Frau Steinach will Dich
um keinen Preis entbehren; aber darüber ſprechen wir
nen Feuer; ihr
ein anderes Mal. Jetzt mach' flink, daß ich die Thür
hinter Dir zuſchließen — fint, daß ie
Die Alte hätte für ihr Leben gern noch ein Weil-
chen geplaudert; aber wit ihrem Herrn war nicht viel
anzufangen; das wußte ſie von Alters her. Darum ge-
horchte ſie zögernd. Er hielt die Hausthür offen, und
beleuchttte ihr den ſchmalen, naſſen Weg ſo lange, bis
er ihre Holzſchuhe nicht mehr klappern hörte und ſie in
dem nahen Gartenhäuschen, das fie mit ihrem Manne
bewohnte, in Sicherheit wußte. Dann ſchloß er die
Thür, nahm das Licht, öffnete das größere der beiden
Gartenzimmer und ſah ſich prüfend darin um. Die Ein-
richtung war gediegen, aber plump und altmodiſch Ta-
peten und Teppiche waren ſo abgenutzt, daß alle Farben
darin in ein verſchoſſenes Braun zuſammenſchmolzen:
aber die Fenſter gingen auf den Garten hinaus und das
Eichengetafel zeigte wohlerhaltenes Schnitzwerk. Es war
doch vielleicht eiwas aus dieſem Zimmer zu machen. Er
ſah ſich mit einem fieberhaft aufgeregten Wonnegefühl
darin um. Unzählize Male hotte er ſeit langer, langer
Zeit ſich ausgematt, wie er Alles zu Elsbeth's Empfang
Hier berelten wollte. Im Wachen und im Traum hatte
er keinen andern Gedanken gehabt, als ſie dereinſt in
dieſen Räumen walten zu ſehen. Für dieſe unbeſtimmte
Hoffnung hatte er ſeit Jahren gelebt, gearbeitet und ent-
behrt. Larige ehe er wußte, ob er je berechtigt ſein
würde, die ſo heiß Geliebte einſt ſeine Gattin zu nen-
nen, hatte er über die Ausſchmückung dieſer Räume nach-
geſonnen, und jeden Heller, den er erſparen konnte, für
dieſen Zweck zurückgelegt. Nun endlich ſtand er dem lang
erſehnten Ziel ſo nave. Der ſonſt ſo ſtarke ernſte Mann
wurde faft überwältigt von der Glückſeligkeit, dem
namenloſen Entzücken, Elsbeth nun bald als angevetetes
Weib in ſein Haus einführen zu lönnen. Bis tief in
die Nacht gab er ſich der Wonne hin, ſich die Zakunft
an Elsbeih's Seite mit den glühendſten Farben auszu-
malen und erſt gegen Morgen entſchlief er, mit dem
feſten Vorſatz, fortan nur ihrem Glück zu lebeu, und
alle Mühe und Laft im Kampf um's Daſein nur allein
auf ſich zu nehmen. ö
2.
Wie im Traum entſchwand den Liebenden die nächſte
Zeit bis zum Vorabend des Hochzeitsfeſtes. Als Dörn-
burg ſpät Abends von einem Krankerbeſuch veimkehrte
und voch Licht in Elsbeth's Wohnzimmer ſah, konnte er
der Verſuchung nicht wiederſtehen, ihr wenigſtens noch
gute Nacht zu ſagen, um ſo mehr, als er eine Art von
eifen ſüchtiger Furcht fühlte, die Erinnerung an den ver-
ſtorbenen Gatten köante gerade am letzten Tage ihrer
Wittwenzeit ihren Frieden ftören. Das Mädchen ließ
ihn ein, und raſch an ihr vorübe⸗ſchreitend, oͤffnete er
die Thür des kleinen Wohnzimmers. Elsbeth ſaß, wie
gewöhnlich, auf ihrem niedrigen Seſſel am faſt erloſche-
Haupt ruhte tief herabgebeugt in bei-
den Händen. Sie ſchien heftig, wenn auch leiſe zu