266
vielen ſchmalen und ſpitzen Winkel der alten Rilterburg,‚;
in denen leicht ſich Jemand verbergen konnte; es laaz
nach der Nußenſeite des Schloſſes, in der Nähe eines
Boskets, in dem wiederum ein Menſch ſich verborgen
halten konnte.
Sie hat eine geheime Unterredung gehalt, ſagte ſich
die Frau Erhardt.
Sie moßte wiſſen mit wem.
Auf einen Fremden, Unbekannten fiel ihr Verdacht.
Bei dem Gedar ken an irgend einen Bewohner des Schloſ-
ſes mußte ſie den Kopf ſchütteln. Mit dem, der ſie hier
aufgeſucht hat, kon binirte die Frau weiter, bat ſie ganz
ſich nicht ausſprechen können; ſie wurde durch mich ge-
fört. Der Menſch darf ſich hier nicht länger aufhalten,
ohne verrathen zu werden. Sie werden ſich alſo heute
noch einmal ſehen; nicht vor dem Abend; urd wo? An
demſelben Feuſter der Plättkammer! Zu dem Fenſter ih-
res Schlafgemachs darf er fich nicht wagen, es föhrt auf
den Schloßhof. Aus ihrem Schlafgemach kann ſie durch
die innecen Gänge der alten Burg in die Pläukemmer
gelangen, ein Schlüfſel zu dieſer iſt in ihrem Beſitze.
Die Frau Erhardt traf danach ihre Maßregeln. Ei-
nem Dritten durfte ſie ſich nicht anvertrauen; ihre Ver-
dacht konnte ein ungegründeter ſein.
Naͤhe der Plättkammer lag ein Zimmer, in dem die
geblältete Leinewand his zur witeren Sortirung aufbe-
wahrt wurde. Einen Schlüſſel dezu beſaß die Frau Er-
hardt. In dieſes Zinnmer begab ſie ſich unbeobachtet,
voch vor dem Eintreten der Dunkelheit. Ein Fenſter
deſſelben führte in den nämlichen Winkel, au dem das
Fenſter lag, durch welches die Polin eine Unterredung
gehabt haben mußte. Es befand ſich ihm in faſt gerader
Richtuug gegenüber. An das Fenſter ſtellte ſie ſich.
Sie ſtand lange barrend, in Duukelheit und Stille,
die in ihrem Z'mmer herrſchten, in der Plättkammer
drüben, in dem Winkel unten.
Drüben in der Plättkammer wurde endlich ein leiſes
Geräuſch hörbar; Jemand mußte eingetreten ſtin. Die
Frau Erhardt zog ſich von dem Fenſter zurück, an dem
fie ihren Beobachtungspoſten eingenemmen hatte.
Dunkel ibres Zimmers war ſie ſo vicht waͤhrzunehmen,
während ſie ſehen mußte, wenn drüben ſich etwas am
Fenſter zeigte, dieſem nur näher kam.
Es war an dem Fenſter etwas erſchienen; eine Ver-
änderung des Lichtes oder des Schattens hinter den Schei-
ben zeigte es an; erkennen konnte man nichts.
Die Polin! ſagte ſich die Frau Erhardt, deren Er-
warde in ſo weit brſtätigt war, um ſo höher geſpannt
wurde.
Der Schatten drüben verönderte ſich noch eiuige Male,
verſchwand, war wieder da.
Sie iſt ungeduldig, daß der Erwartete noch nicht
kommt!
Nach fünf Mienuten mußte er da ſein. Die Frau
Erhardt hatte nichts gehört, keine Srimme, keinen Schritt,
kein Zeichev. Aber das Fenß er drüben wurde leiſe, nn-
hörbar geöffnet; eine Geſtalt erſchien darin, nicht zu er-
In dem
kernen in der Dunkelhrit, aber unzweifelhaft die Polin.
Die Umriſſe einer weiblichen Geſtalt waren auch bald zu
unterſcheiden. Eine Frauenſimme wurde dann hörbar;
ſie fprach hivunter, flüſternd nur, aber die Fran Erhardt
er kannte auch in dem Flüſtern die Stimme der Polin.
Eine männliche Stimme antwortete von unten herauf,
gleichfalls leiſe, ſo doß die Frau Erbartt, zumal durch
das verſchloſſene Fenſter, rur ein Flüſtern vernahm.
Die Beiden unterhielten ſich lange angelegentlich, wie
ts ſchien. Sie ſprach manchmal lauter; ſi! hatten ſich
eniweder vergeſſen oder ſie wußten ſich ſicher. Die Stimme
der Polin erkannte die Kammerfrau jetzt deutlich; die
Stimme des Mannes unten wollte ſie erſchrecken; ſie
meinte, ſie ſchon früher gehört zu haben, aber ſie konnte
ſich nicht beſionen, wo, wann, unter welchen Umſtänden.
Von dem, was die Beiden ſprachen, verſtand fie kein
Wort. Sie unterbielten ſich in franzeſiſcher Sprache;
das konnte die Frau unterſcheiden; ſi⸗ hatte in ihrem fruͤ⸗
keren Dienſt oft franzöſiſche Konverſation augehört; der
fremden Sprache war ſie ni mächtig geworren. Die
Unterbaltung dauerte länger, hatte zuletzt einen ruſigeren
Charakter angenommen; es ſchien der Fran Erhardt, als
wenn von beiden Seiten Vorſchlä ge gemacht wurden, über
die dann ein gegenſeitiaer Austauſch ſtattfand, zuletzt wohl
ein Einverſtändriß Des Geſpräch hörte auf; die Polin
verſchwand aus dem Feußer, verſchloß dieſes; auch ihr
Schaiten war nicht mehr zu ſehen. Unten war kein Laut
mehr zu vernehmen; der Sprechende war geräuſchlos ge-
ganger, wie er geränſchlos gekommen war.
Wer war er? Die Frage wollte die Kammerfran im-
mer mehr beuntuhigen; ſie hatte ſchlechterdings keine Ant-
wort daraouf. Hinumter blicken in den Winkel, wo er
ſtand, — hatte ſie nicht gedurſt, wenn ſie ſich nicht ver-
rathen wollte. ö
Sie mußte in ihr Stübchen zurückkehren, ſpäter zu
ihrer Herrin, der ſie beim Auskleiren zu der Nacht Hilfe
zu leiften hatte. Ihre Unruhe wußte ſie zu verbergen.
Sie theilte auch der Generalin nichts von dem mit, was
ſie geſehen und gehört hatte; es hötte die junge Dame
nur ebenfalls beunruhigt. Noch mehr, die Generalin
hätte wahrſcheinlich ihrem Gatten Mittheilung pemacht,
vor dem ſie kein Geheimniß hatte. Er würde eine ſo-
fortige Unterſuchung angeordnet haben, die vielleicht nur
eine ganz unſchuldige Begegnung herausgeſtellt, jedenfalls
aber fie, die Frau Erhardt. als eine beimliche, gefährliche
Horcherin dem ganzen Schloſſe verrathen hätte. Am an-
deren Morgen wollte ſie der Poſin ſelbſt All:s mitthei-
len, und von dieſer eine aleich offene Mittheiſung ver-
langen. Mit dem Eut chluſſe legte ſie ſich ſchlafen, aber
ihre Nacht war eine ſchlefloſe.
Am andern Morgen war die Polin verſchwunden.
Sollte ſie jetzt noch die Herrin, das gonze Schloß
durch eine Entdeckung, die ſie ſogleich hätte machen müſſen,
in eine neue Unruhe verſetzten, und ſich dadurch zugleich
den Vorwurf zuziehen, daß fie nicht rechtzeitig Anzeige
gemacht hatte? Und zu welchem Zwecke? Die Nolin
hatte nichts Fremdes, nicht einmal ihr ſämmtliches Eigen-
vielen ſchmalen und ſpitzen Winkel der alten Rilterburg,‚;
in denen leicht ſich Jemand verbergen konnte; es laaz
nach der Nußenſeite des Schloſſes, in der Nähe eines
Boskets, in dem wiederum ein Menſch ſich verborgen
halten konnte.
Sie hat eine geheime Unterredung gehalt, ſagte ſich
die Frau Erhardt.
Sie moßte wiſſen mit wem.
Auf einen Fremden, Unbekannten fiel ihr Verdacht.
Bei dem Gedar ken an irgend einen Bewohner des Schloſ-
ſes mußte ſie den Kopf ſchütteln. Mit dem, der ſie hier
aufgeſucht hat, kon binirte die Frau weiter, bat ſie ganz
ſich nicht ausſprechen können; ſie wurde durch mich ge-
fört. Der Menſch darf ſich hier nicht länger aufhalten,
ohne verrathen zu werden. Sie werden ſich alſo heute
noch einmal ſehen; nicht vor dem Abend; urd wo? An
demſelben Feuſter der Plättkammer! Zu dem Fenſter ih-
res Schlafgemachs darf er fich nicht wagen, es föhrt auf
den Schloßhof. Aus ihrem Schlafgemach kann ſie durch
die innecen Gänge der alten Burg in die Pläukemmer
gelangen, ein Schlüfſel zu dieſer iſt in ihrem Beſitze.
Die Frau Erhardt traf danach ihre Maßregeln. Ei-
nem Dritten durfte ſie ſich nicht anvertrauen; ihre Ver-
dacht konnte ein ungegründeter ſein.
Naͤhe der Plättkammer lag ein Zimmer, in dem die
geblältete Leinewand his zur witeren Sortirung aufbe-
wahrt wurde. Einen Schlüſſel dezu beſaß die Frau Er-
hardt. In dieſes Zinnmer begab ſie ſich unbeobachtet,
voch vor dem Eintreten der Dunkelheit. Ein Fenſter
deſſelben führte in den nämlichen Winkel, au dem das
Fenſter lag, durch welches die Polin eine Unterredung
gehabt haben mußte. Es befand ſich ihm in faſt gerader
Richtuug gegenüber. An das Fenſter ſtellte ſie ſich.
Sie ſtand lange barrend, in Duukelheit und Stille,
die in ihrem Z'mmer herrſchten, in der Plättkammer
drüben, in dem Winkel unten.
Drüben in der Plättkammer wurde endlich ein leiſes
Geräuſch hörbar; Jemand mußte eingetreten ſtin. Die
Frau Erhardt zog ſich von dem Fenſter zurück, an dem
fie ihren Beobachtungspoſten eingenemmen hatte.
Dunkel ibres Zimmers war ſie ſo vicht waͤhrzunehmen,
während ſie ſehen mußte, wenn drüben ſich etwas am
Fenſter zeigte, dieſem nur näher kam.
Es war an dem Fenſter etwas erſchienen; eine Ver-
änderung des Lichtes oder des Schattens hinter den Schei-
ben zeigte es an; erkennen konnte man nichts.
Die Polin! ſagte ſich die Frau Erhardt, deren Er-
warde in ſo weit brſtätigt war, um ſo höher geſpannt
wurde.
Der Schatten drüben verönderte ſich noch eiuige Male,
verſchwand, war wieder da.
Sie iſt ungeduldig, daß der Erwartete noch nicht
kommt!
Nach fünf Mienuten mußte er da ſein. Die Frau
Erhardt hatte nichts gehört, keine Srimme, keinen Schritt,
kein Zeichev. Aber das Fenß er drüben wurde leiſe, nn-
hörbar geöffnet; eine Geſtalt erſchien darin, nicht zu er-
In dem
kernen in der Dunkelhrit, aber unzweifelhaft die Polin.
Die Umriſſe einer weiblichen Geſtalt waren auch bald zu
unterſcheiden. Eine Frauenſimme wurde dann hörbar;
ſie fprach hivunter, flüſternd nur, aber die Fran Erhardt
er kannte auch in dem Flüſtern die Stimme der Polin.
Eine männliche Stimme antwortete von unten herauf,
gleichfalls leiſe, ſo doß die Frau Erbartt, zumal durch
das verſchloſſene Fenſter, rur ein Flüſtern vernahm.
Die Beiden unterhielten ſich lange angelegentlich, wie
ts ſchien. Sie ſprach manchmal lauter; ſi! hatten ſich
eniweder vergeſſen oder ſie wußten ſich ſicher. Die Stimme
der Polin erkannte die Kammerfrau jetzt deutlich; die
Stimme des Mannes unten wollte ſie erſchrecken; ſie
meinte, ſie ſchon früher gehört zu haben, aber ſie konnte
ſich nicht beſionen, wo, wann, unter welchen Umſtänden.
Von dem, was die Beiden ſprachen, verſtand fie kein
Wort. Sie unterbielten ſich in franzeſiſcher Sprache;
das konnte die Frau unterſcheiden; ſi⸗ hatte in ihrem fruͤ⸗
keren Dienſt oft franzöſiſche Konverſation augehört; der
fremden Sprache war ſie ni mächtig geworren. Die
Unterbaltung dauerte länger, hatte zuletzt einen ruſigeren
Charakter angenommen; es ſchien der Fran Erhardt, als
wenn von beiden Seiten Vorſchlä ge gemacht wurden, über
die dann ein gegenſeitiaer Austauſch ſtattfand, zuletzt wohl
ein Einverſtändriß Des Geſpräch hörte auf; die Polin
verſchwand aus dem Feußer, verſchloß dieſes; auch ihr
Schaiten war nicht mehr zu ſehen. Unten war kein Laut
mehr zu vernehmen; der Sprechende war geräuſchlos ge-
ganger, wie er geränſchlos gekommen war.
Wer war er? Die Frage wollte die Kammerfran im-
mer mehr beuntuhigen; ſie hatte ſchlechterdings keine Ant-
wort daraouf. Hinumter blicken in den Winkel, wo er
ſtand, — hatte ſie nicht gedurſt, wenn ſie ſich nicht ver-
rathen wollte. ö
Sie mußte in ihr Stübchen zurückkehren, ſpäter zu
ihrer Herrin, der ſie beim Auskleiren zu der Nacht Hilfe
zu leiften hatte. Ihre Unruhe wußte ſie zu verbergen.
Sie theilte auch der Generalin nichts von dem mit, was
ſie geſehen und gehört hatte; es hötte die junge Dame
nur ebenfalls beunruhigt. Noch mehr, die Generalin
hätte wahrſcheinlich ihrem Gatten Mittheilung pemacht,
vor dem ſie kein Geheimniß hatte. Er würde eine ſo-
fortige Unterſuchung angeordnet haben, die vielleicht nur
eine ganz unſchuldige Begegnung herausgeſtellt, jedenfalls
aber fie, die Frau Erhardt. als eine beimliche, gefährliche
Horcherin dem ganzen Schloſſe verrathen hätte. Am an-
deren Morgen wollte ſie der Poſin ſelbſt All:s mitthei-
len, und von dieſer eine aleich offene Mittheiſung ver-
langen. Mit dem Eut chluſſe legte ſie ſich ſchlafen, aber
ihre Nacht war eine ſchlefloſe.
Am andern Morgen war die Polin verſchwunden.
Sollte ſie jetzt noch die Herrin, das gonze Schloß
durch eine Entdeckung, die ſie ſogleich hätte machen müſſen,
in eine neue Unruhe verſetzten, und ſich dadurch zugleich
den Vorwurf zuziehen, daß fie nicht rechtzeitig Anzeige
gemacht hatte? Und zu welchem Zwecke? Die Nolin
hatte nichts Fremdes, nicht einmal ihr ſämmtliches Eigen-