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Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

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Nr. 90 - 102 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0363

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Nr. 96.

Donnerſtag, den 2. November 1876.

9. Jahrg.

Erſcheint jeden Dienſtag, Donnerſtag und Samſtag. Preis monatlich 36 Pf. Einzelne Nummer 4 6 Pf. Man abonnirt beim Ver-
leger, Schiffgaſſe 4 und bei den Trägern. Auswärts bei den Landbot en und Poſtanſtalten.

Das verkaufte Herz.
Eine Erzählung von Max Ring.
(Fortſetzung.)

„Schämſt Du Dich nicht“, ein Kerl wie ein Rieſe
und fürchtet ſich. Nach wem haſt Du denn zu fragen?
Meine Einwilligung haſt Ou und eine Frau kannſt Du
reichlich ernähren, ſelbit einen Haufen Kinder dozu. Die
Roſe iſt eine ousgezeichnete Wirthin, wie es keine beſſere
im ganzen Dorfe giebt. Wenn Du ſie heiratheſt, will
ich Dir das Gaſthaus übergeben und mich auf meine al-
ten Tage zur Ruhe ſetzen. Na, was ſaaſt Du?ꝰ?
I bin ganz zufrieden, aber die Roſe wird nicht
ollen“. ö ö ö

„Nach dem, was zwiſchen Euch Beiden auf dem Kirch-

hof vorgefallen iſt, wird ſie ſich keinen Augenblick be-
ſinnen. Das ſind Alles nur faule Ausreden von Dir.

Ou wirſt doch nicht an dem Mädchen zum ſchlechten Kerl

werden wollen.“ ö
„Straf mich Gott,“ betheuerte Wilhelm, „wenn ich
nicht die Roſe lieb habe und ſie heute vor morgen hei-
rathen möchte. Aber Ihr wißt ja, Vater Wegener, wie
es mir immer geht. So oft ich es mit einem Frauen-
zimmer zu thun habe, kin ich wie vor dem Kepf geſchla-
gen; ich kann kein Wort ſprechen und äagſtig⸗ mich zu
Tove, vollends vor der Roſo, die virl zu fein für mich iſt.“
„Das iſt Alles dummes Zeug. Sie wird Dich nicht
aufeſſen, wenn Du ibr einen Antrag machſt. Das aimmt
Keine übel. Laß Dich nicht verblüffen und bringe die
Geſchichte mit ihr in Ordnung, damit ich endlich Ruhe
in meinem Hauſe habe. Wenn Du wänſcheſt, ſo will ich
raden. ſe rufen und mit ihr zuvor ein vernünftiges Wort
n.“ „*
„Das iſt nicht nöthig. Lieber moͤcht ich mit ihr alle in
und ohne Zeug n ſprehen. i. ö
Nachdem Wilhelm, um ſich für ſein Verhalten zu ſtär-
ken oder um noch Zeit zu gewi men, ſein Bier langfam
ausgetruanken und dem Vater Wegener die Hand darauf
gegeben halte, daß er ſogleich mit ihr ernſtlich reden wollte,
ging er in den an das Haus ſtoßenden Garten, wo Roſa,
wie er hörte, trotz ihres Unwohlſeins mit dem Aufhängen
der Wäſche beſchäftigt war. Brei dem Anblick des ge-
liebten Mädchens über fiel ihn ron Neuem ſeine alte
Schüchternhei, ſo daß er am liebſten umgekehrt wäre,

wene er ſich nicht vor dem Spott des Onkels gefürchtet
hätte.
„Soll ich Ihnen bei der Arbeit helfen?“ fragte er,
froh einen ſolchen Vorwand zu inem Geſpräch zu finden.
„Ich danke,“ erwiderte fie, kaum aufblickend. „Sie
brauchen ſich Minetwegen nicht zu bemühen.“
Es folgie eine Pauſe, da der unbeholfene Freier ſich
erſt beſinnen mußte, wie er es anfangen ſollte, um den
abgeriſſenen Faden wieber anzuknüpfen und bie von ihm
gewünſchte Erkärung herbeizuführen. Dabei ſaßh er mit
zunehmer der Verwirrung, wie der vor Roſa ſtehende Korb
mit naſſer Wäſche immer lterer wurde, ſo daß er keine
Zeit verlieren durfte, um itr ſeinen Antrag zu machen.

Weng er noch läanger zögerte, ſo wurde ſie ſchneller mit

ihrer Arbtit fertig, als er mit ſeinem Nachdet ken und

darn war wiederum die güeſtige Gelegenheit verpaßt.

Schon flatterte das letzte Stück auf der Leine, ſchon ſtand
ſie in Begriff den Garten zu verloſſen, als er ſich ein
Herz faßte und ihr in den Weg trat.
„Verzeihen Sie, ſagte er, ſich uſammennehmtnd, wenn
ich Sie aufhalte, aber ich habe Ih zen was zu ſagen.
Die Sache iſt nämlich die: Sie wiſſen, daß ich Si:
iamer lieb hatte; ſchon damals, als noch Ihr ſeliger Va-
ter lebte und ich zu ihm in die Schule gine, wo ich Ihnen
immer die ſchönſten Aepfel aus upſerim Garten mitdrachte
und den langen Chriſtian verhanen habe, weil er ſi⸗ ſchla-
gen wollte. Sie werden ſich nicht mehr erinnern, aber
ich kann es nicht vergeſſen und die Luife, welche jetzt in
der Stadt wohnt, weiß es auch noch und neulich, wie ich
ſie beſuchte, haben wir von Ihnen geſprochen und über
die elten G⸗ſchichten gelacht. Stildem hat ſich freilich
Manches geändert: Ihr Vater iſt todt und Izre Matter
iſt auch geſtorben; Ste ſtehen allein auf der Welt und
wenn auc der Vater Wegener Ihr Vormund iſt und 48
gut mit Ihnen meint, ſo iſt er doch nur ein alter Mann
und die alten Leute ſind wie die h hlen Bäum⸗, die ein
Windſtoß über Nacht nirderreißt. Auch ärgert er ſich
um das dumme Gerede der Menſchen, woran wir Bride
nicht ſchuld find. Darum meint er auch, das es das
Geſchuteſte wäre, wenn ich Sie frage, ob Sie mine
Frau werden wolley.“
Während der ehrliche Krauſe erſt nur ſtockende, nach
und nach aver immer fließender dieſe Rede zu Stande
brachte, worüber er ſich ſelbſt um meiſten wunderte; wurde
die keineswegs dadurch überraſchte Roſa von den wider-
ſprechendſten Gefühten und Gedanken beſtürmt. Sie kannte
 
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