423
liche. „Aber ich will Euch mit mit meinen Klagen richt
zur Laſt fallen“ ö
„Der Meaſch darf nicht verzwrifeln, ſo laug er noch
jung iſt und Freunde hat... ö
„Der Arwe hat keine Freunde. Man flieht ihn wie
einen Verpeſteten.“
„Du wirn mich noch boͤſe machen mit Deinem Se-
rede, Ich will nicht von mir ſprechen, aber da ſteht der
Wilhelm —“
„Ihr ſeid auch eine Ausnahme, die Einzigen, welche
mich nicht vergeſſen haben.“ ö
„Sie irren ſich, Fräulein Roſa!“ entgegnete der Acker-
kürger, der bisher geſchwigen hatte. Es giebt noch mehr
Lerte auf der Welt, die an Sie denken und Sie lieb
haben. Vater Wegener —“
„Vater Wegener!“ rief ſie überraſcht. „Er mich lie-
Hat er mich nicht ohne Erbarmen fortgejagt.“
„Das thut ihm auch jetzt herzlich leid und er bereut
ſeine Hitze. Er ſchickt wich ſelbſt zu Ihnen und ich bin
expreß deshalb nach der Stedt gekommen, um Sie zu
itzra zurückzuführen. Er läßt Sie durch mich bitten, wie-
der die Wirthſchaft zu übernehmen.“
„Was ſell das beißen?“ fragte ſie ungläubig. „Sie
m8 f15 ſich nar ü'er mich luſtig machen. Es iſt nicht
mözii 3.“ ö
„Koͤnmen Sie mir zutraun, daß ich Sie belügen werde!
Was ich Ihnen geſagt habe, iß die reine Wahrheit.“
„An Deiner Stelle“, füte Frau Braun hinzu, „würde
ich mich keinen Au zenblick beſianen.“
„Und Fran Wegener!“
„Die iſt todt; vorgeſtern haben wir ſie begraben.
Gott had' ſie ſeli!! Der alte Mann hat keine menſch-
liche Seele, auf ꝛie er ſich verlaſſen kann und die Wirth-
ſchaft muß zu Grunde geben, wenn Sie ſich nicht ſeiner
erbarmen. Sie werven ſich ein Gotteslohn um ihn ver-
dienen, wenn Sie ihm verzeihen. Er liebt Sie noch im-
ber.
mer wie eine leib'iche Tochter und wird Sie auf Hän-
den tragen.“
„Aber was werden die Leute im Dorfe ſagen? Sie
ſeten doch ein, daß ich auch beim beſten Willen nicht nach
einer ſolcheu Behaundlung zurückkehren kaun.“
„Darüber koͤnnen Sie ganz rubiz ſein. Alle Schön-
felder werden ſich frenen, Sie wieder zu ſehen. Man
weiß, daß Ihnen ein himmelſchreiend⸗s Unrecht geſchehen
iſt und wenn noch Einer den Mund gegen Sie aufthut
und Ihnen ein ſchiefes Geſicht zieht, ſo ſchlage ich ihm
hin ter die Otrer, daß er ꝛs zum zweiten Mal nicht ver-
ſuchen wird.“
„Und wo der Wilhelm hinſchläzt,“ bekrä'tigte Frau
Braun, „da wächſt kein Gras ut ae
„So iſt es!“ ſagte der rieſige Ackerbürger gutenüthig
lachend; worauf er daun errſter ſortfuhr. „Fräulein
Roſa! Sie müſſen noch heute mit mir kommen und zu
dem Bater Wegener ziehen. Das ſind Sie ihm, ſich ſelbſt
und vor Allem Ihrem kranken Kinde ſchuldig.“
Die bloße Erwähnung ihres Kindes genügte, um ihrern
Schwanken, um allen ihren Bedenken ein Ende zu machen.
zum Eſſen.
Ihre Mutteriiebe ſiegte über ihren Stolz, über die ſchmerz-
lichen Erinnerungen an die erlitiene Schmach, über ihre
Zweifel und Befürchtungen. Sie dachte nur noch an
das Kind, für das kein noch ſo großes Opfer ihr zu
ſchwer ſtel. ö
„Sie haben Recht“, ſagte ſie, nachdem fie überlegt
batte. „Ich will, ich muß verg ſſen und des Anerbieten
nicht für mich, aber für mein Kind annehmen.
„Es wird Sie ſicher nicht sereuen. Wir fahren
noch heute nach Schönfeld. Ich habe nur noch zuvor
einige Geſchäfte zu beſorgen. Unterdeſſen können Sie
ihre Sachen zuſammenpacken
„Aber Du darſſt Dich nicht zu kange aufhalten“,
rief ihm die zärtliche Wittwe nach. „Wir erwarten Dich
„Ich koche Dir Dein Lrik'gericht, Klöſe und
Backobſt. ö —
„Urd ich“, verſetzte Krauſe, „bringe eine Flaſche
Wein mit. Wir müſſen doch uoſere Verlobung feiern.“
Zu derſelben Zeit, vo in der beſcheidenen K ller-
wobrung Luſt und Fröhlichkeit herrſchte und ein neuer
Hoffnunge ſtrahl das düſtere Gemüttz der armen Roſa
erhellte, während ſie ihre wenigen Hat ſeligkriten ſuſam-
menſuchte und Fran Braun am Kücheubeerd das Liib-
gericht ihres geliebten Ackerbürgers berritete, irrte ein
bleicher, fi⸗ſterer Marn mit verſtörtern Geſicht und ver-
wildertem Bart durch die Straßen der Stadt.
Vor wenigen Stunden erſt aus dim Gefängniſſe ent-
laſſen, aufzegeben von ſeiner Frau, verrathen von ſtinen
Freunden, von der Welt aemieden, batte er Alles, Glick,
Ehre, Ruf und Häuslichkeit verloren, war ihm nichts
geblꝛeben als die Erinnerung an ſeine Schmach, der Ge-
danke an ſeine Rache und die Reue wezen ſ iner ei enen
Thorheit. Sechs Monate im Kerker, die ihm wie eine
Ewigkeit dünkten, hatten nur dazu gedirnt, dir ſe ſchmerz-
lichen Gefühle zu nähren und ſeine tran: igen Eniſchlüſſe
in der Einſamkeit zu reifer.
Wie ein ruheloſer Geiſt, der aus ſeinem Grabe ſteigt,
eilte er an den Menſchen vorüber. Niemand kannte ihn,
Keiner dachte mehr en ihn, er war ledend ein Todter,
verſchollen, vergeſſen. Sein Weib patte ſich von ihm
losgeſagt, um ſich mit ihrem früberen Liebhaber zu ver-
heirathen; ſeine Schweßter ha'te nur Vorwürfe und Kla-
gen für ihn, ſeine Bekarrten wollten ſich ſeiner nicht
mehr eritnern. Ein treuloſer Freund hatte ihn bei ſei-
ner Frau erſetzt, ein Fremder ſeine Stells eingenommen.
Er hatte auf dieſer Welt Nichts mehr, was er ſein eigen
nennen konnte, kein Herz, das ihm entgeger ſchlug, kein
Auge, das auf ihn klickte, keine Hand, die ſich ihm ent-
gegenſtreckte, kein Weſen, des ihn liete, keinnn Men-
ſchen, der ihn erwartste, keine Heimath, keinen Heerd,‚
keine Stätte, um ſein müdes Haupt hinzulegen.
Er kam ſich ſeleſt wie ein länget Verſtorbener vor,
der nroch einmal auf die Erde zerückkeset, um ein:
ſchwere Schuld zu ſühnen, oder ein geſchehenes Unrecht
zu firafev. Ohne ſich mzub icken ſchiung er den Weg
nach der aögelegenen Spitt⸗lzeſſe ein, wo die arme Roſa
in dem Keller der Frau Braun wohnte. Er wollte Roſa
liche. „Aber ich will Euch mit mit meinen Klagen richt
zur Laſt fallen“ ö
„Der Meaſch darf nicht verzwrifeln, ſo laug er noch
jung iſt und Freunde hat... ö
„Der Arwe hat keine Freunde. Man flieht ihn wie
einen Verpeſteten.“
„Du wirn mich noch boͤſe machen mit Deinem Se-
rede, Ich will nicht von mir ſprechen, aber da ſteht der
Wilhelm —“
„Ihr ſeid auch eine Ausnahme, die Einzigen, welche
mich nicht vergeſſen haben.“ ö
„Sie irren ſich, Fräulein Roſa!“ entgegnete der Acker-
kürger, der bisher geſchwigen hatte. Es giebt noch mehr
Lerte auf der Welt, die an Sie denken und Sie lieb
haben. Vater Wegener —“
„Vater Wegener!“ rief ſie überraſcht. „Er mich lie-
Hat er mich nicht ohne Erbarmen fortgejagt.“
„Das thut ihm auch jetzt herzlich leid und er bereut
ſeine Hitze. Er ſchickt wich ſelbſt zu Ihnen und ich bin
expreß deshalb nach der Stedt gekommen, um Sie zu
itzra zurückzuführen. Er läßt Sie durch mich bitten, wie-
der die Wirthſchaft zu übernehmen.“
„Was ſell das beißen?“ fragte ſie ungläubig. „Sie
m8 f15 ſich nar ü'er mich luſtig machen. Es iſt nicht
mözii 3.“ ö
„Koͤnmen Sie mir zutraun, daß ich Sie belügen werde!
Was ich Ihnen geſagt habe, iß die reine Wahrheit.“
„An Deiner Stelle“, füte Frau Braun hinzu, „würde
ich mich keinen Au zenblick beſianen.“
„Und Fran Wegener!“
„Die iſt todt; vorgeſtern haben wir ſie begraben.
Gott had' ſie ſeli!! Der alte Mann hat keine menſch-
liche Seele, auf ꝛie er ſich verlaſſen kann und die Wirth-
ſchaft muß zu Grunde geben, wenn Sie ſich nicht ſeiner
erbarmen. Sie werven ſich ein Gotteslohn um ihn ver-
dienen, wenn Sie ihm verzeihen. Er liebt Sie noch im-
ber.
mer wie eine leib'iche Tochter und wird Sie auf Hän-
den tragen.“
„Aber was werden die Leute im Dorfe ſagen? Sie
ſeten doch ein, daß ich auch beim beſten Willen nicht nach
einer ſolcheu Behaundlung zurückkehren kaun.“
„Darüber koͤnnen Sie ganz rubiz ſein. Alle Schön-
felder werden ſich frenen, Sie wieder zu ſehen. Man
weiß, daß Ihnen ein himmelſchreiend⸗s Unrecht geſchehen
iſt und wenn noch Einer den Mund gegen Sie aufthut
und Ihnen ein ſchiefes Geſicht zieht, ſo ſchlage ich ihm
hin ter die Otrer, daß er ꝛs zum zweiten Mal nicht ver-
ſuchen wird.“
„Und wo der Wilhelm hinſchläzt,“ bekrä'tigte Frau
Braun, „da wächſt kein Gras ut ae
„So iſt es!“ ſagte der rieſige Ackerbürger gutenüthig
lachend; worauf er daun errſter ſortfuhr. „Fräulein
Roſa! Sie müſſen noch heute mit mir kommen und zu
dem Bater Wegener ziehen. Das ſind Sie ihm, ſich ſelbſt
und vor Allem Ihrem kranken Kinde ſchuldig.“
Die bloße Erwähnung ihres Kindes genügte, um ihrern
Schwanken, um allen ihren Bedenken ein Ende zu machen.
zum Eſſen.
Ihre Mutteriiebe ſiegte über ihren Stolz, über die ſchmerz-
lichen Erinnerungen an die erlitiene Schmach, über ihre
Zweifel und Befürchtungen. Sie dachte nur noch an
das Kind, für das kein noch ſo großes Opfer ihr zu
ſchwer ſtel. ö
„Sie haben Recht“, ſagte ſie, nachdem fie überlegt
batte. „Ich will, ich muß verg ſſen und des Anerbieten
nicht für mich, aber für mein Kind annehmen.
„Es wird Sie ſicher nicht sereuen. Wir fahren
noch heute nach Schönfeld. Ich habe nur noch zuvor
einige Geſchäfte zu beſorgen. Unterdeſſen können Sie
ihre Sachen zuſammenpacken
„Aber Du darſſt Dich nicht zu kange aufhalten“,
rief ihm die zärtliche Wittwe nach. „Wir erwarten Dich
„Ich koche Dir Dein Lrik'gericht, Klöſe und
Backobſt. ö —
„Urd ich“, verſetzte Krauſe, „bringe eine Flaſche
Wein mit. Wir müſſen doch uoſere Verlobung feiern.“
Zu derſelben Zeit, vo in der beſcheidenen K ller-
wobrung Luſt und Fröhlichkeit herrſchte und ein neuer
Hoffnunge ſtrahl das düſtere Gemüttz der armen Roſa
erhellte, während ſie ihre wenigen Hat ſeligkriten ſuſam-
menſuchte und Fran Braun am Kücheubeerd das Liib-
gericht ihres geliebten Ackerbürgers berritete, irrte ein
bleicher, fi⸗ſterer Marn mit verſtörtern Geſicht und ver-
wildertem Bart durch die Straßen der Stadt.
Vor wenigen Stunden erſt aus dim Gefängniſſe ent-
laſſen, aufzegeben von ſeiner Frau, verrathen von ſtinen
Freunden, von der Welt aemieden, batte er Alles, Glick,
Ehre, Ruf und Häuslichkeit verloren, war ihm nichts
geblꝛeben als die Erinnerung an ſeine Schmach, der Ge-
danke an ſeine Rache und die Reue wezen ſ iner ei enen
Thorheit. Sechs Monate im Kerker, die ihm wie eine
Ewigkeit dünkten, hatten nur dazu gedirnt, dir ſe ſchmerz-
lichen Gefühle zu nähren und ſeine tran: igen Eniſchlüſſe
in der Einſamkeit zu reifer.
Wie ein ruheloſer Geiſt, der aus ſeinem Grabe ſteigt,
eilte er an den Menſchen vorüber. Niemand kannte ihn,
Keiner dachte mehr en ihn, er war ledend ein Todter,
verſchollen, vergeſſen. Sein Weib patte ſich von ihm
losgeſagt, um ſich mit ihrem früberen Liebhaber zu ver-
heirathen; ſeine Schweßter ha'te nur Vorwürfe und Kla-
gen für ihn, ſeine Bekarrten wollten ſich ſeiner nicht
mehr eritnern. Ein treuloſer Freund hatte ihn bei ſei-
ner Frau erſetzt, ein Fremder ſeine Stells eingenommen.
Er hatte auf dieſer Welt Nichts mehr, was er ſein eigen
nennen konnte, kein Herz, das ihm entgeger ſchlug, kein
Auge, das auf ihn klickte, keine Hand, die ſich ihm ent-
gegenſtreckte, kein Weſen, des ihn liete, keinnn Men-
ſchen, der ihn erwartste, keine Heimath, keinen Heerd,‚
keine Stätte, um ſein müdes Haupt hinzulegen.
Er kam ſich ſeleſt wie ein länget Verſtorbener vor,
der nroch einmal auf die Erde zerückkeset, um ein:
ſchwere Schuld zu ſühnen, oder ein geſchehenes Unrecht
zu firafev. Ohne ſich mzub icken ſchiung er den Weg
nach der aögelegenen Spitt⸗lzeſſe ein, wo die arme Roſa
in dem Keller der Frau Braun wohnte. Er wollte Roſa