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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Fuchs, Georg: Die Ausstellung von 1894 und die Kunst der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0023

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Von Georg Fuchs.

U

„Aphrodite" als Unterschrift eines weiblichen Aktes würde
in dieser Sphäre belächelt als das thörichte Unterfangen
eines Schülers, der ein Exercitium, eine Übung seiner
Hand, eine saubere Abschrift zum Selbstzwecke stempelt.
Und ist es nicht auch ein Mangel an gutem Geschmack,
ein mühevolles Lernen und die handwerksmäßige Dressur
seines Talentes vor die Menge zu bringen, zumal diese
Schulung selbstverständlich ist und nicht einmal
Dank verdient? Hieran den Künstler zu messen ist
barbarisch, wie es inurban ist, ein Geschenk nach dem
Preise wertzuschätzen. Wir müssen heute noch
in Deutschland unser Augenmerk fast aus-
schließlich darauf richten, ob und wie gut
einer malen kann: dies beweist, wie sehr
wir noch mit der Barbarei zu kämpfen haben,
und daß ein Recht besteht, die Augen höher
zu werfen, — vielleicht nach der Zukunft.

Als Thsophile Gautier in seinem,
ebenfalls die Ausmessung des Gesamtniveaus
erstrebenden Werke »Oes beaux arts en
Lurope« von 1858 Peter Cornelius als
Maler vernichtete, indem er darthat, daß selbst
die Zeichnung für Cornelius nur eine Art
von Hieroglyphen-Schrift sei, in der er
seine Gedanken — wir wissen heute, daß es
noch nicht einmal seine eigenen waren —
mitteilte, da ahnte er nicht, daß bereits
40 Jahre später in Deutschland die Ge-
dankenlosigkeit ihre Triumphe feiern und das
malerische Handwerk Selbstzweck sein würde.

Wie damals, so auch heute: einseitiger Zelo-
tismus. Damals war man Sklave eines
deutschen Lasters, heute ist man Sklave
pöbelhafter Theoreme. Denn die vielge-
priesene „Erweiterung des Stoffgebietes",
welche die „Naturalisten" predigen, welche
eine detaillierte Description aller Dinge ver-
langt, ist der Kunst ebenso fremd wie die
Philosophasterei en carton. Nur darin be-
steht — hinsichtlich des Gesamtniveaus und
abgesehen von einzelnen begnadeten Meistern
— bis jetzt der Fortschritt, daß eine male-
rische Technik erlernt, erweitert und traditio-
nell wurde. Die deutsche Malerei zeigt sich
im allgemeinen noch der Außenwelt zugekehrt,
gleichsam wie ein großer Studiersaal, in
welchem tausend Hände emsig bemüht sind,
das Malen zu lernen, und es ist gewiß gut,
daß es so ist. Wir haben in dieser strengen
Schule bereits gelernt, daß die Farbe nur
eine Stilisierung der Lichterscheinungen ist.

Wir haben sie aufgelöst und sind dazu über-
gegangen, allein noch das Licht und seine irisierenden Ab-
stufungen als Realität zu erfassen und die „Dinge" nur noch
als durch diese bedingt wiederzugeben. Damit hatten wir
unserer Skepsis genug gethan, das Verhältnis zwischenJndi-
viduum, vielmehr zwischen Auge und Außenwelt hatte die
unserem Geistesleben entsprechende Verfeinerung erfahren
und unsere besten Pinsel, wie z. B. Liebermanns, blieben
mit der That nicht hinter der Erkenntnis zurück. Doch
diese Entwickelung entbehrt noch des eigentlich ästhetischen
Interesses. Sowenig sich die geist-biologische Forschung
mit der Geschichte und der Theorie des Kontrapunktes

zu befassen hat, so wenig folgt sie der Maltechnik. Dies
wird von der Kritik nur allzu oft, ja beinahe immer
übersehen. Schlimmer ist, daß auch die Künstler,mit
der dem Deutschen einmal eigenen Neigung zu entkräf-
tenden, das Temperament fesselnden Theorien, sich hier
teils selbst Schranken setzen, teils von denjenigen fest-
halten lassen, denen der schöpferische Genius nicht zu
teil ward, die über ein subtiles Handwerk nicht hinaus
können, aber als virtuose Überwinder halsbrecherisch
schwieriger Probleme leicht dazu gelangen, das große

Wort zu führen. „Die Sonne! — Die Sonne!" sagt
der Maler Oswald Alving in Ibsens „Gespenstern" —
und damit verlischt sein Geist. Diesem Symbole kann
man nicht ganz mit Unrecht eine bösartige Wendung
gegen die heutige Malerei geben.

Derselbe Oswald Alving spricht aber auch einmal
von seinem Ideale in der Kunst und fast es in die
goldenen Worte: „Licht, Sonnenschein und Sonntags-
lust!" — Wie? Wollen wir auf die Sonntagslust ver-
zichten? Es liegt viel Reiz in diesem Worte „Sonn-
tagslust", eine Ahnung von geendeten Werken, von fest-

Iraunr d'Arr in Domrrmy. von virginie Demont-Breton.

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