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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Theodor Horschelts Erlebnisse vor Straßburg (1870), [1]
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38

Theodor Horschelts Erlebnisse vor Straßburg Jg-o).

und Oberbaurat Leins nach Spanien 1854 unter-
nommene Reise, welche Horschelt noch nach Algier aus-
dehnte. Die bunte Mannigfaltigkeit der neuen Eindrücke
und Wahrnehmungen schärften Auge und Hand. Zur
Verstärkung und Nachwirkung diente dann noch ein kurzer
Aufenthalt in Paris; Horschelt ersah daraus die Nutz-

beigegeben zu werden. Ww
er in einer ganzen Reihe
berichtet, welche er später
Reisebericht ausarbeitete.

anwendung, welche ferne
französischen Kollegen aus
dem Besuche dieser Länder
gezogen hatten.

Nach München zurück-
gekehrt, verarbeitete unser
Meister die gewonnenen Re-
sultate in einer Reihe von
Bildern, obwohl die Ereig-
nisse des Krim-Krieges ver-
führerisch zu Teilnahme und
Augenschein lockten. Dagegen
folgte Horschelt 1858 seinem
unwiderstehlichen Drange nach
Kriegslager und Schlachten-
lärm, indem er, ausgerüstet
mit den besten Empfehlungs-
briefen, über Odessa und
Sebastopol nach Tiflis zog,
wo sich in den Kämpfen der
Russen gegen die Bergvölker
des Kaukasus der Traum
seiner Jugend erfüllen sollte.
Und wirklich erblühte ihm
gleich nach seiner Ankunft
die Freude, durch den Oberst-
kommandierenden der russi-
schen Armee, den Fürsten
Alexander Bariatinsky, einer
gerade gegen die Lesghier im
Gange befindlichen Expedition
> Horschelt hierbei erlebte, hat
von Briefen nach der Heimat
in einen zusammenhängenden
und durch seine überaus

sorgsam angesammelten Zeichnungen und Studien zu
illustrieren gedachte. Leider ist dieses in Form und In-
halt so vielversprechende Werk zu seinen Lebzeiten nicht
zum Abschluß geraten. Da der Künstler alle mili-
tärischen Strapazen und Gefahren als braver Kriegs-
kamerad teilte und selbst mitten im Feuer eine kalt-
blütige Besonnenheit und kühne Geistesgegenwart bewahrte,
so erfolgte von St. Petersburg aus auch eine ehrenvolle
kaiserliche Dekoration, begleitet von mehreren künstlerischen
Aufträgen und Bestellungen.

Eine neidenswerte Überraschung brachte das fol-
gende Jahr. Horschelt war Zeuge der Kämpfe am
Berge Gunib, der Belagerung und Erstürmung der Berg-
veste Weddin und der am 25. August 1859 erfolgten
Gefangennahme des als Dichter, Propheten und Heer-
führer so berühmten Müriden-Häuptlings Schamyl —
eine Szene, welche er später (1865) durch ein großes
Bild verewigte.

Nachdem Horschelt in den nächsten Jahren mehrere
Kosaken-Stanizzen besucht und Zeuge vielfacher Hand-
streiche, schwerer Gefechte mit den Tscherkessen und
anderen Stämmen und endloser Strapazen gewesen war,

auch im Gefolge des Prinzen Albrecht von Preußen
einen Abstecher nach Baku am Kaspischen Meere und
Eriwan gemacht hatte, kehrte er über Moskau und
Petersburg, wohlausgestattet mit Auszeichnungen und
Aufträgen, nach München zurück (1863), wo er sich
häuslich niederließ, bald darauf mit der Tochter des
englischen Dichters, Jagdschriftstellers und Touristen
Charles Boner seinen heimischen Herd gründete und
seine zahllosen Studien und Skizzen zu überraschenden
Bildern verarbeitete. Es entstand die vorerwähnte
„Gefangennahme Schamyls", die „Erstürmung von
Gunib"* — beide für den Fürsten Wladimir Baria-
tinsky (den Bruder des berühmten Feldmarschalls) —
ein „Flußübergang am Kuban", „Kosaken von einer
Razzia mit Gefangenen heimkehrend", eine „Straße in
Tiflis" und viele Kreidezeichnungen und Kartons, welche
in großen Prachtblättern photographisch vervielfältigt
wurden, dazu viele Aquarelle mit Kriegsszenen und
Jagdbildern, wobei auch Horschelts jovialer Humor bis-
weilen mit zur Geltung gelangte. Alles aber mit der
sorgfältigsten Durchführung und einer Kraft und Wahr-
heit des Kolorits, wodurch Horschelt in die erste Reihe
seiner Zeitgenossen trat.

Eine neue für den Herbst des Jahres 1870 in
Aussicht genommene Reise in den Kaukasus, wozu Hor-
schelt vom Kaiser persönlich während dessen Aufenthalt
zu Paris eingeladen worden war, vereitelte der Aus-
bruch des deutschen Krieges. Horschelt war untröstlich,
da alle seine Bemühungen, als Maler und Volontär
daran teilzunehmen, von Berlin aus abgelehnt wurden.
Dasselbe Los teilte übrigens auch der Schlachtenmaler
Franz Adam, welcher damals zornig in einem Briefe
klagte: „Ich kenne von Jugend auf keine schönere Musik,
als die Kugeln pfeifen zu hören, und soll jetzt ruhig
daheim sitzen bleiben". Nur Heinrich Lang war
so glücklich, dem Stab des Generals Hartmann zugeteilt
zu werden. Horschelt geriet in Verzweiflung, ebenso
wie sein Freund Adam, die glorreichen Tage von Sedan
bloß vom Hörensagen und nicht durch Autopsie kennen
zu lernen. Er setzte alle Hebel in Bewegung. Lange
vergebens. Erst zur Belage-
rung von Straßburg kam
endlich Erlaubnis und der
Auftrag, Stoff zu sammeln
zu einigen Aquarellen für
König Wilhelm von Preußen.

Aus dieser Zeit stammt
nun die Reihe der nach-
folgenden Briefe, welche hier,
in Anschluß an die früheren
Publikationen über Horschelts
Leben und Schaffen, zum
ersten Male in die Öffent-
lichkeit kommen und sowohl zur
Biographie des Malers, wie
auch zur Geschichte des Krieges
gleiches Interesse bieten.

Skudir.

von Theodor Horschelt.

* Dieses Bild erhielt auf der Pariser Ausstellung 1867 die
goldene Medaille, obwohl Horschelt als Mitglied der Jury den
gewiß uneigennützigen Vorschlag einbrachte, daß die Juroren
sich außer Preisbewerb zu stellen hätten. Ohne Horschelts edel-
mütige und selbstlose Energie hätten damals weder Kaulbach
noch Piloty eine Auszeichnung erhalten"
 
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