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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Pecht, Friedrich: Weihnachtsbücherschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0099

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Iveihnachtsbücherschau.

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teil bei einer Galerie, die wie die Dresdener alle anderen an
Meisterwerken ersten Ranges übertrifft. Der noch mit 50 kleineren
Abbildungen gezierte Text von Or. Lücke giebt dann die Ge-
schichte der Galerie und das Historische der einzelnen Bilder, so
daß man hier vor einem wahren Gewinn der Kunstwelt steht.
Denn was kann ihr Besseres widerfahren, als wenn das Höchste,
was die Kunst aller Zeiten geschaffen, unübertrefflich wieder-
gegeben und jedem zugänglich gemacht wird!

Ganz zum Unterricht bestimmt sind dann Louis Brauns,
des berühmten Schlachtenmalers „Vorlagen zumPferde-
Konstruktions-Zeichnen" (Zürich, Orell Füßli L Co.,
6 Lieferungen L 3 M ), welche eine neue Methode der Pferde-
darstellung lehren, deren Wert freilich nur der Gebrauch erweisen
kann, die aber wenigstens ganz plausibel aussieht. — Agnes
Steiner lehrt dann das Landschaftszeichnen in einer großen
elegant, ausgestatteten Mappe (Hamburg, Boysen L Mansch, Preis
20 M.) dessen 30 Blättern man zugeben muß, daß sie viel Hand-
fertigkeit zeigen und sich deshalb zu Vorlagen für Anfänger wohl
eignen. — Hier können wir zugleich auch, als in neuer Auflage
erscheinend, das bereits berühmte Werk von Martin Gerlach
erwähnen, welches unter dem Titel „F-estons und dekorative
Gruppen" eine geradezu überraschende Perspektive für die neue
Verwendung von Natur-Motiven für die dekorative Kunst eröffnet
und zugleich einen solchen Reichtum herrlichen Materials bietet,
daß sich keine Schule dies köstliche Werk trotz des hohen Preises
von 180 M. entgehen lassen sollte. (Wien, Gerlach L Schenk.)
Martin Gerlach hat in der Zusammenstellung dieser Gruppen in
Festons eine Genialität und überraschend schöpferische Kraft be-
wiesen, die ihn unerreicht unter den dekorativen Künstlern da-
stehen lassen. — Zu den ebenfalls für den Unterricht bestimmten
Schriften zählen dann noch 1. Cremer, Beitrag zur Ge-
schichte der Maltechniken — Anleitung zur Fresko-
malerei, und 2. Beiträge zur Technik der Monumental-
malverfahren. (Düsseldorf — Voß.) Beide Schriften scheinen
ganz verständig. Wenigstens betont der Verfasser in der ersten
ganz richtig, daß das echte FreSko weder in Schönheit noch in
Dauerhaftigkeit durch die neuerdings erfundenen verschiedenen
Malverfahren irgendwie ersetzt, geschweige denn übertroffen worden
sei, eine Meinung, der wir uns voll anschließen. — Ein aller-
liebstes Weihnachtsbüchlein hat dann Frl. Marie Götz in Zürich
(bei Hofer 6: Burger) unter dem Titel „Arm und Verwaist"
erscheinen lassen, das uns die Geschichte eines Findelkindes in
einem Dutzend hübsch erfundener Blätter mit begleitenden Versen,
beides mit gewinnender Ausspruchlosigkeit erzählt. U. ?.

Wie alljährlich bieten sich auch zum heurigen Weihnachts-
feste wieder die Jahresbände einer Reihe periodischer Unter-
nehmungen dar. Es sei dabei in erster Linie mit des Sammel-
werkes gedacht, das in 14tägigen Heften, wie die „Kunst für
Alle", und auch im gleichen Verlage erscheinend, sich die Aufgabe
gestellt hat, zu einem wohlfeilen Preise seinen Abnehmern einen
Hausschatz klassischer Malerei zu bieten. Wir meinen den
„Klassischen Bilderschatz", der unter Leitung seiner bisherigen
Herausgeber, Fr. von Reber und A. Bayersdorfer, den
6. Jahrgang zum Abschluß gebracht hat. (München, Berlags-
anstalt für Kunst und Wissenschaft, gebd. 15 M., in losen Tafeln
im Sammelkasten 14 M., resp. 15 M., je nach Ausstattung des
letzteren.) Es läßt sich ja nicht bestreiten, daß schönere Nach-
bildungen der dargebotenen Kunstwerke existieren, wer sich aber
zu einem erschwingbaren Preise ein systematisch geordnetes Haus-
museum in einheitlicher Ausstattung anlegen will, dem ist der
„Klassische Bilderschatz" wohl zu empfehlen. Der erzieherische
Wert, der dem Sammelwerke für die erwachsene Jugend inne-
wohnt, sei vor allen Dingen betont, manch einer und eine unseres
Heranwachsenden Geschlechts wird dasselbe nicht nur in der Freude
am Schönen genießen, sondern es wird ihnen auch das Ver-
ständnis für die größere oder geringere Bedeutung eines Kunst-
werkes vermitteln und sie dadurch empfänglich machen in der Be-
urteilung moderner Schöpfungen.

Bietet das eben besprochene Unternehmen einzig und allein
Reproduktionen nach klassischen Bildern, so lassen sich die
„Meisterwerke der Holzschneidekunst", deren 16. Band
zum Abschluß gelangt ist (Leipzig, I. I. Weber, gebd. 18 M.),
vorwiegend die Pflege moderner Kunst angelegen sein- Der sehr
geschickt und abwechslungsreich zusainmengestellte neueste Band
bietet wiederum eine Fülle interessanten Anschauungsstoffes für
die Entwickelung des modemen Kunstschaffens.

Zum sünftenmale erschienen ist der von Otto Braun
herausgegebene „Cottasche Musenalmanach". (Stuttgart,
I. G. Cottasche Buchhandlung Nachf., gebd. 6 M.) Der Inhalt

desselben setzt sich wiederum aus Prosadichtungen und poetischen
Beiträgen der namhaftesten Zeitgenossen des deutschen Schrifttums
zusammen. Die dem zierlich ausgestatteten Bande beigegebenen
sechs Knnstbeilagen bringen als Neuerung dieses Mal in Frauen-
köpfen von Paris Bordone und Sebastian del Piombo
auch zwei Reproduktionen nach Werken klassischer Kunst.

Ein neuer Autor wird uns vorgestcllt durch den zwar noch
jungen aber sehr regsamen Verlag von Adalbert Fischer in
Leipzig in dem dreiteiligen Epos „Renatus. Ein märkisches
Reiterlied von Fritz Löwe" (gebd. 5 M.). Wir müssen be-
kennen, daß wir die Dichtung mit stetig wachsendem Interesse
gelesen haben und überzeugt sind, daß die vollendete Form der-
selben, die klangvolle und gehaltreiche Sprache des Dichters, deni
aus geistlichem Munde stammenden Sange zu einem Erfolge ver-
helfen wird, der um so erfreulicher wäre, als gerade in den
letzten Jahren auf epischem Gebiete wenig Hervorragendes ge-
boten worden ist.

Gehaltvolle Neuigkeiten sind immer die, welche der Verlag
von Gebrüder Paetel in Berlin auf den Markt bringt, und von
denen einige nachstehend erwähnt seien. Wie in der Mehrzahl
ihrer früheren Erzählungen, hat Ilse Frapan in dem neuen
Novellenbande „Zu Wasser und zu Lande" (brosch. 4 M)
wiederum für die darin enthaltenen vier Erzählungen Hamburg
oder das Hamburger Landgebiet als Schauplatz der Handlung
erwählt. Wir brauchen es nicht zu bedauern. Die Gestaltungs-
kraft der Dichterin hat in dieser weisen Beschränkung im Lause
der Zeit unleugbar gewonnen und der überlegene Humor ihrer
Erzählungen läßt in dem Leser immer eine wohlthuende Stim-
mung aufkommen, die weit entfernt ist von dem prickelnden
Nervenreiz anderer moderner Erzähler. Auch Wilhelm Berger
gehört zu den Schriftstellern, die von ihren Lesern nicht verlangen,
daß sie sich atemlos durch die Erzählungen Hetzen lassen. Seine
Novellen sind immer das Produkt eines gereisten männlichen
Geistes, der aus dem Erlebten die Tinge ernst und heiter in
harmonischer Klarheit gestaltet und sie in einer Anschaulichkeit
schildert, die den Leser in ihren Bann zwingt. Tie neue Novellen-
sammlung „Daheim und draußen" (brosch. 5 M.) vereinigt
in sich fünf Erzählungen, die auch wieder die eben erwähnten
Vorzüge der Bergerschen Erzählungskunst aufweisen. Die dritte
belletristische Novität aus dem Paetelschen Verlage ist der Roman
„Standesgemäß" von Lisa Weise (brosch. 5 M.). In welchen
Kreisen er spielt, läßt der Titel erraten. Das Spiegelbild mo-
dernen Lebens, das die Verfasserin uns in sehr geschickter Weise
anfrollt, entbehrt in seiner Darstellung wohl des Reizes, den die
Erzählungskunst einer Ossip Schubin auf den Leser ausübt,
immerhin aber ist in der Verfasserin ein Talent erkennbar, das
sich über das Niveau der Alltäglichkeit erhebt und uns in seinen
Werken mehr giebt als ein gewöhnliches Unterhaltungsfutter.
Erwähnt sei aus gleichem Berlage noch die Buchausgabe der
„Fünfzehn Briefe von Richard Wagner" nebst Erinne-
rungen und Erläuterungen von Eliza Wille, geb. Sloman
(brosch. 2 M.), die damit verdienter Weise der Verborgenheit ent-
rissen werden, der sie durch die bereits im Jahre 1887 erfolgte
Veröffentlichung in der „Deutschen Rundschau" immerhin aus-
gesetzt gewesen wären.

Zu einer der erfreulichsten Erscheinungen aus dem Gebiete
des modernen Romans gehört unstreitig Hermann Heiberg.
von dessen Schriften eine aus vorläufig zwölf Bände berechnete
Auswahl soeben im Verlage von Wilhelm Friedrich in Leipzig
(ca. 80 Liefrg. L 40 Pfg.) zu erscheinen begonnen hat. Heiberg
ist ein Unterhaltungsschriftsteller ersten Ranges, dessen Bestreben
in all seinen Werken dahin geht, ästhetisch und sittlich zu wirken.
Realist im besten Sinne des Wortes, weiß er es, seinen Schilde-
rungen eine ungemein lebenswahre Anschaulichkeit zu verleihen, er
verbindet aber mit dieser Kruft der Darstellung ein so zartes,
inniges Empfinden, eine so märchenhafte Phantasie bisweilen,
daß seine Schöpfungen nie eines großen poetischen Reizes ent-
behren. Wir sind überzeugt, daß jeder, der Hermann Heiberg
noch nicht kennt, sich freuen wird, in seinen Werken die Bekannt-
schaft eines so liebenswürdigen Schriftstellers zu machen.

Belletristischer Art vorwiegend sind die Publikationen des
Vereins der Bücherfreunde in Berlin, von denen uns wiederum
zwei neue Bände, der 7. und 8. des III. Jahrgangs vorliegen.
Elfterer bietet eine Reihe „Laien predigten" von Otto von
Leixner (Einzelpreis 4 M.), denen nur zu gratulieren ist, daß
sie als eine Bereinspublikation erscheinen und somit unbedingt in
die Hände einer großen Anzahl Leser gelangen. Wir fürchteten
sonst, daß die scharfe Sprache des Verfassers nicht gern gehört
werden würde. Leixner ist ein scharfer Beobachter für die Schäden
 
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