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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Tschiedel, Johannes: Ponte Molle: Künstlerleben vergangener Tage in Rom
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Ponte Molle. von Johannes Tschiedel.

87

Das zweit': Lr habe lust'gen Mut,

Und wehte selbst Scirocco;

Nur lust'gen Brüdern stehet gut
Der Vrden vom Baiorco.

Fürs dritt': Lr wird examiniert,

Mb er der Kunst gewachsen;

Doch wer Lourage im Leibe spürt,

Dem sind das eitel Faxen.

Da fließt vom Mund die Rede ihm,

Als wär's der Vrinocco.

Und augenblicklich zieret ihn
Der Vrden von Baiocco.

Nach bestandener Prüfung verkündete ein Ritter, als
Personifikation des Rufes mit einem Riesensprachrohr
bewaffnet, Namen, Vaterland und Profession des Neu-
lings, das Thema und dessen Lösung. Der
Präsident geschmückt mit breiter Baiocci-
halskette mit einem Medaillon in der Mitte
und blauer Schärpe, hing dann dem Auf-
genommenen den Baiocco-Orden um und
händigte ihm das Ritterdiplom mit der
Aufschrift ?. ?. <2- ?- (kraeses Dopulnsque
Lonremollicus) ein.

Man gab damals viel auf diese Deko-
ration. Thorwaldsen legte einmal bei einer
Vorstellung vor dem dänischen Hofe von
seinen vielen, von allen europäischen Höfen
erhaltenen Orden nur diesen an, d. h. aber
doch nicht den gewöhnlichen Baioccsorden,
sondern den noch ganz besonders einge-
richteten Verdienstbaioccsorden erster Klasse,
der auf der einen Seite den Ponte Molle,
darauf einen Ritter mit der Guitarre, auf
der andern einen Kranz mit den Emblemen
der vier Künste, darin eine schwebende
Muse und darunter das Motto »Virwti
konteoaollicae« zeigte und am roten Bande
getragen wurde.

Nach Verleihung des Ordens reichte
der Präsident dem neugebackenen Ritter
zum Trunk einen Becher, auf dem Noahs
Geschichte in Basreliefs dargestellt war,
worauf unter Fackelbeleuchtung das Ponte-
mollelied und später das schnurrige Künstler-
alphabet abgesungen ward, das in je einem
Distichon für jeden Buchstaben Ordens-
zeremonien und Episoden der Cervarafeste
karikierte. Schied ein Mitglied Rom ver-
lassend aus, so ward ihm der Lorbeerkranz
verliehen. —

-i-

Jahr und Tag der Stiftung dieser
allwöchentlich im „Fiano" fröhlich kneipen-
den Gesellschaft entschwanden allmählich dem
Gedächtnis der Zeiten. Vielleicht waren sie
nie recht präzisiert gewesen. So konnten
Legenden in Hülle und Fülle sich bilden.

Denn phantasievolle und erfindungslustige
Künstler gab's immer und sie ließen es an
Erdichtung von „wundersamlichen und er-
götzungsreichen" Sagen über den Ursprung
des Pontemollebundes nicht fehlen, zumal
da die anfänglich ganz internationale Ge-
sellschaft sich im Lauf der Zeiten gewandelt
und das sagenfrohe deutsche Element die

Oberhand gewonnen hatte. Denn in den dreißiger
Jahren dieses Jahrhunderts — die ich besonders bei
dieser kleinen Skizze im Auge habe — sind fast nur
Deutsche an der Spitze, und der ganze Bund erschien,
auch nach außen hin, als wesentlich deutsch.

Was namentlich in dieser Zeit der flotten Schar
von allen Seiten Ruhm und Ehre, Wohlwollen und
Liebe eintrug, waren die schönen Cervarafeste, die,
wenn der Frühling keimte, in der römischen Campagna
mit genialischem Uebermut und harmlos austollender
Lust gefeiert wurden. Aus kleinen Anfängen quollen
sie hervor: Einer als Cäsar gekleidet, hielt auf einem
Stein eine Rede an sein sechs Köpfe starkes „Volk",

Bär und Else, von Max Kling er.

Blatt 1 aus der Folge „Intermezzi".
 
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